Zur Situation in Kurdistan – Irak / Nechirvan Barzani – Sigmar Gabriel in Berlin Von Prof. Dr. Salar Bassireh – ( Politikwissenschaftler )

MESOP NEWS :  KURDISTAN : IRAQ  – KORRUPTION & VETTERNWIRTSCHAFT / EINE POLEMIK ANLÄSSLICH DES BESUCHS VON NECHIRVAN BARZANI IN BERLIN

 

Nach dem zweiten Golfkrieg wurde nach einer UNO Resolution 1991, über den 36 Breitengrades eine Schutzzone für Kurden errichtet. Seitdem verwalten sich die Kurden in diesem Gebiet selbst. Diese Region wird von politischen Eliten regiert, die traditionelle Familien und Clans angehören. Dem zufolge müssen sie traditionell verwalten, andernfalls würden sie die bestehende Herrschaft des traditionellen Herrschers gefährden. Daher regiert hier traditionelle Ordnung.

Dadurch haben sich Vetternwirtschaft und persönliche Abhängigkeitsverhältnisse entwickelt. Wirtschaftliche Entwicklung ist deutlich gehemmt. So gibt es keine formalen Regelungen für Verträge, Abkommen usw. Der Unternehmer muss immer mit Willkürentscheidungen oder traditionellen Hemmnissen rechnen, so dass sich der moderne Kapitalismus in dieser Herrschaftsform nicht entwickeln kann.

In der Regel müssen die Herrschenden aber für das Wohlergehen ihre Anhänger sorgen, um die Macht zu stützen. Der Verwaltungsstab wird allein vom Führer ausgewählt. Auch alle traditionellen Muster werden nach der Regel “Es steht geschrieben, aber ich sage Euch” überwunden. Daher werden der Verfassung und den Gesetzen keine Bedeutung beigemessen. Es handelt sich also um eine personale Herrschaftsform, deren Legitimationsgrundlage traditionelle Loyalitäten und materielle Leistungen bilden.

Korruption und Verelendung der Bevölkerung

Sowohl unter der irakischen  Regierung als auch unter kurdischer Regierung hat das Phänomen Korruption zurzeit einen Höhepunkt erreicht. In Kurdistan-Irak treibt insbesondere das Geschäft mit dem Öl das Ausmaß der Korruption in die Höhe. Milliarden US-Dollar wurden in den letzten Jahren aus öffentlichen Kassen und aus den Landeseinnahmen privatisiert. Damit ist eine beachtliche Schicht von Dollar-Millionären bzw. Milliardären entstanden.

Allein die kurdischen Machthaber unter PUK und KDP, also unter Barzani und Talabanis Clans haben Milliarden aus dem Öl-Geschäft für sich vereinnahmt und besitzen beachtliche Anteile des Bodesn und der Ländereien.  Große Geldsummen wurden auf ausländische Konten verlegt. Lukrative Geschäfte wurden mit dem Öl-Geschäft auf dem Schwarzmarkt abgewickelt. Wie bei allen Diktaturen üblich, erfährt man Genaueres erst nach dem Abtritt des gesamten Regimes. Dies gilt ebenso für die Machthaber in Bagdad.

Selbstbereicherung ist unter ranghöheren Offizieren und kooptierten Zivilpolitikern auch in Kurdistan-Irak weit verbreitet. Es herrscht hier die Aneignung des öffentlichen Eigentums durch die privaten Machthaber. Die herrschende Klasse verfügt über einen eigenen Verwaltungs- und Militärapparat und über eigene Herrschaftsmittel, während die Zivilbevölkerung leidet, werden Löhne nicht oder nur teilweise und mit großen Verspätungen gezahlt. Diese Korruption hat zur Verarmung und Verelendung der Bevölkerung beigetragen. Neben wirtschaftlichen und soziale Missständen und einem katastrophalen Gesundheitssystem sind auch Verfolgung und Ermordung von Regimekritikern und Unterdrückung der politischen Freiheiten an der Tagesordnung. Die kurdische Regierung ist verantwortlich für den Tod von zahlreichen Journaliaten und anders Denkenden. Die Verantwortlichen werden nicht zur Rechenchaft gezogen.

Ich wurde, wegen das Schreiben einer Broschüre über KDP- Barzani, vom KDP- Geheimdienst Parasten an der Grenze (Ibrahim Al-Khalil) vergiftet.

Zahlreiche Parteifunktionäre wurden zu erfolgreichen Unternehmern; andere halten am alten Stil fest und sind verarmt.Von einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie kann bei den regierenden Parteien in Kurdistan-Irak keine Rede sein. Es ist kein Zufall, dass die Menschen in diesem Land sich von der Politik abwenden.

Die Gerichtsbarkeit und andere politische Rechte und Institutionen wie Parlament, Regierung und Justiz werden vom Herrscher in Erbil nach Art „privater“ Berechtigungen behandelt. Er verfügt über die Herrschaftsgewalt im Prinzip wie über ein dingliches Besitzobjekt, sie kann daher veräußert, verpfändet und im Erbgang geteilt werden. Das übrige Volk im Lande ist entpolitisiert bzw. politisch rechtlos, setzt sich zusammen aus Untertanen – nicht aus Bürgern im modernen Sinne –  und wird von der herrschenden Schicht wesentlich als ‚Objekt’ der Ausbeutung gesehen. Eine irgendwie geartete Politik des ‚Gemeinwohls’ oder der ‚sozialen Wohlfahrt’ gibt es so gut wie nicht.

Eine Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem (zumindest formal) ist anerkannt, und es kann daher öffentlich auf sie Bezug genommen werden. Allerdings werden in der Praxis die Sphären des Privaten und des Öffentlichen oft nicht getrennt. So existieren zwei Systeme nebeneinander: Die persönlichen Beziehungen und das Legal-Rationale der Bürokratie. De facto koexistieren sie nicht nebeneinander, sondern die real existierende Macht der Familien bzw. Stammesführer ist in das legal-rationale System eingedrungen und deformiert seine Funktionslogik.

 

Die Verhinderung von Herausbildung autonomer gesellschaftlicher Organisationen

Das politische System ist ständig bemüht, die Herausbildung autonomer gesellschaftlicher Organisationen zu verhindern. Es kontrolliert daher alle gesellschaftlichen Regungen und entwickelt ständig neue Methoden und Strategien zur Eindämmung und zum Unterlaufen sozialer Ansprüche und Aktivitäten. Durch bürokratische Strukturen monopolisiertes den gesamten Kontakt zwischen politischer Elite und Gesellschaft. Daher dominiert auch die Exekutive das politische System. Innerhalb des Staatsapparates kulminiert die Machtkonzentration in der Person des politischen Führers.

Alle Macht im Land wurden dem Herrscher übertragen

Alle Macht im Land wurden dem Herrscher übertragen. Verfassungen, Gesetzen und selbst der Partei werden keine Bedeutung beigemessen. Sie sind alle verkörpert in der Person des Führers. Eine Trennung der Gewaltenteilung (Parlament, Regierung und Justiz) existiert hier – wie bei allen undemokratischen Systemen – nicht. Das Parlament wurde seit zwei Jahren mit gewalt geschlossen. Es gibt nichts was in Kurdistan Irak im Politikwisenschaftlichen Sinne ein politisches system heißen könnte. Die radikalen Islamisten haben sich in Kurdistan-Irak unter der Herrschaft von KDP und PUK ungehindert entwickelt, mit Unterstützung nicht nur der beiden genannten Parteien, sondern auch aus der Türkei, dem Iran, Saudi Arabien u.a.

Es steht also im Mittelpunkt des politischen Systems ein Herrscher, der alle politischen Entscheidungen durch ein Netz personaler Beziehungen lenkt. Die führenden Politiker und Beamten sind direkt oder indirekt von der Person des Herrschers abhängig; soweit sie selber Entscheidungen treffen, sind diese als Ausstrahlung des Herrscherwillens zu verstehen. Weder staatliche Funktionsträger noch Institutionen verfügen in diesem System über Eigengewicht.  Diese gilt ebenfalls für ihre Vertreter im Ausland. Der Bruder von Barzani in Berlin wurde vier Leibwächter zur verfügung gestellt, und die deutschen Behörden übernimmt die Kosten. Was kann dies uns erklären?

Das abgehaltene Referendum

Das abgehaltene Referendum hat der Regierung in Kurdistan-Irak erheblich geschadet und sie geschwächt. Unter den jetzigen Bedingungen ist die Errichtung eines kurdischen Staates unrealisierbar. Die Abadi-Regierung nahm, der sich als Kilonialist verhält, das Abhalten des Referendums zum Anlass, binnen kurze Zeit große Gebiete in Kurdistan ohne Gegenwehr der Kurden zurückzuerobern. Kurden werfen beiden herrschenden Parteien Verrat der Gebiete vor, für deren Befreiung vom IS  tausende Peschmerga ihr Leben geopfert haben. Das Referendum diente in erste Linie darum, die Macht von Barzani zu befestigen. Es handelte sich nicht um nationale Interessen

Die Kurden stellen im Irak zwar eine einheitliche ethnische Gruppe dar, aber politisch- sprechen sie nicht mit einer Stimme. Sie haben keine einheitliche politische Strategie, weder innenpolitisch noch in ihren Außenbeziehungen.

Frage an Herrn S. Gabriel

Angesichts diese Tatsachen stellt sich die Frage, wie kommt es, dass der deutschen Aussenminister Herrn Sigmar Gabriel, in einem demmokratischen Staat wie Deutschland, so einen s.g. Regierungschef  (Nechir Barzani) einladen und empfangen möchte, der bekannt ist für Korruptionen, und massive Verletzungen der Menschenrechte im Lande, und Verrat an die Jeziden, das vom IS gegen sie Völkwermord begangen worden ist.

Kontakt;  Bassireh@aol.com

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