VERKOMMEN WIE EH UND JE (ORIGINALTITEL – FAZ) – Eine Affaire befleckt Macrons Moralgesetz:

MESOP NEWS „EUROPEAN CULTURE“:  EMMANUEL MACRON  DER REGIERUNGS-DELEGIERTE DER BANKEN

Von Michaela Wiegel – FAZ –  PARIS, 1. Juni. Nach seinem gelungenen Einstand auf der internationalen Bühne droht dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron kurz vor den Parlamentswahlen in der Heimat Ungemach. Macrons Bestreben, den politischen Sittenverfall zu beenden, wird gerade von seinem treuen Mitstreiter Richard Ferrand zunichte gemacht. Ferrand war der erste Abgeordnete in der Nationalversammlung, der sich Macron anschloss. Der 54 Jahre alte Mann aus der Bretagne stieg später zum Generalsekretär der Bewegung „En marche” auf und sitzt jetzt als Minister für territorialen Zusammenhalt am Kabinettstisch. Ferrand steht seit Tagen wegen eines zwielichtigen Immobiliengeschäfts in den Schlagzeilen, mit dem er seine Lebensgefährtin begünstigt haben soll.

Als Generalsekretär der genossenschaftlichen Versicherung „Mutuelles de Bretagne” entschied Ferrand, 2011 Räumlichkeiten anzumieten, die seiner Lebensgefährtin Sandrine Doucen gehören. Diese hatte kurzfristig eine Immobiliengesellschaft gegründet, um die Immobilie in Brest zu erwerben. Die Versicherung zahlte 184 000 Euro für Renovierungsarbeiten in dem Gebäude sowie eine Monatsmiete, die Doucens Kreditrückzahlungen deckten. Die Räumlichkeiten, die über die Mietzahlungen der „Mutuelles de Bretagne” finanziert wurden, haben heute einen Gesamtwert von 586 000 Euro. Ferrand wies den Verdacht der Günstlingswirtschaft zurück. Doch am Don-nerstag entschied der zuständige Staatsanwalt in Brest, Vorermittlungen gegen Ferrand einzuleiten.

Die Verteidigung Ferrands weckt Erinnerungen an den gescheiterten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner Frangois Fillon. Ferrand beteuerte, er habe sich nichts vorzuwerfen: „Ja, ich bin ein ehrlicher Mensch.” Dabei hat die Zeitung „Le Monde” enthüllt, dass der Abgeordnete nicht nur den Immobiliendeal organisierte, sondern jahrelang seine privaten Interessen mit seinen öffentlichen Ämtern vermischte. Auch seine frühere Frau Frangoise Coustal profierte von Renovierungsaufträgen, die Ferrand ihr als Generalsekretär der genossenschaftlichen Versicherung übertrug. Noch während seines Abgeordnetenmandats bezog Ferrand über einen Beratervertrag ein Monatsgehalt von 1250 Euro von dem bretonischen Versicherer und verteidigte gleichzeitig in der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf, der Vorteile für genossenschaftliche Versicherungen beinhaltete. Regierungssprecher Christophe Castaner gestand am Donnerstag ein, dass die Affäre Ferrand „die politische Debatte stört”. „Die Wirkung an der Basis ist verheerend”, warnte Innenminister Gerard Collomb.

 

Justizminister Fran9ois Bayrou stellte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Justizministerium am Place Vendome ein Gesetzesprojekt mit dem vielsagenden Titel „Für das Vertrauen in unser politisches Leben” vor. Im Wahlkampf hatte Macron diese Gesetzesänderung — die erste des Präsidentenmandates — unter der Überschrift „Moralisierung des politischen Lebens” angekündigt. Bayrou warnte jetzt vor zu hohen Erwartungen an die Gesetzesnovelle: „Per Gesetz lässt sich nicht die Tugendhaftigkeit aller politischen Akteure erzwingen.”

Vielmehr gehe es darum, die Bürger vor Missbräuchen zu schützen und das Vertrauen in die Politik wieder zu stärken. Bayrou kündigte Verfassungsänderungen an, um die Privilegien des Präsidenten und der Minister zu begrenzen. So dürfen ehemalige Präsidenten fortan nicht mehr im Verfassungsrat mitwirken. Die Sondergerichtsbarkeit für Minister wird abgeschafft. Im Parlament wird die Beschäftigung von Familienangehörigen verboten. Die Abgeordneten und Senatoren sollen fortan alle Ausgaben nachweisen und nicht mehr einen Pauschalbetrag für ihre Ausgaben beziehen. Abgeordnete und Senatoren sollen keine Beratungstätigkeiten mehr ausüben dürfen. Der Justizminister will eine öffentliche „Bank der Demokratie” begründen, welche die Kreditvergabe an Kandidaten im Wahlkampf erleichtere. „Strikte Kontrollen allein sind nicht ausreichend. Wir müssen auch Anreize schaffen”, sagte Bayrou.

Die Nationalversammlung wird erst nach den Wahlen am 11. und 18. Juni die Beratungen über den Vorstoß beginnen. Der Präsident muss indessen fürchten, dass die Affäre Ferrand den Kandidaten seiner Bewegung „lepublique en marche” an den Urnen schaden könnte. „Warum sollen die Franzosen noch an eine politische Erneuerung glauben?”, fragte der Regionalratspräsident Nordfrankreichs, Xavier Bertrand (Republikaner) am Donnerstag. Macron habe versprochen, dass seine Regierungsmitglieder rechtschaffen und vorbildlich sein sollen. Doch die Affäre Ferrand lasse daran zweifeln. „Es gibt vielleicht doch nicht so viele Unterschiede zwischen En Marche und den alten Parteien”, sagte Bertrand. www.mesop.de