THEO VAN GOGH DOKUMENTATIONEN „MEHR ALS NUR  1 FLUGBLATT“: EHEMALIGE SA UND SS MITGLIEDER BEI DEN GRÜNEN ODER AUCH DIE SS-MITGLIEDSCHAFT DES GÜNTHER GRASS

Grün-braune Liebe zur Natur

Die NSDAP als „grüne Partei“ und die Lücken der Naturschutzforschung

Von Peter Bierl und Clemens Heni

Umweltschutz, Öko und Bio sind gut, gesund und irgendwie links. Zu diesem Image beigetragen haben die Anti-Akw-Bewegung und Leute, welche die Grünen früher mit Forderungen nach Ausstieg aus der NATO und Abschaffung des Paragrafen 218 sowie Pullover-Stricken oder einem weiblichen Fraktionsvorstand im Bundestag prägten.

Dass ehemalige NSDAP-Mitglieder wie Baldur Springmann und Werner Vogel oder der neu-rechte Propagandist Henning Eichberg bei der Gründung der Grünen aktiv waren, geriet in Vergessenheit. Zwar gibt es eine ideologiekritische Forschung zur Geschichte des Naturschutzes, welche sich mit der braunen Tradition des Umweltschutzes beschäftigt, der im Kaiserreich als Heimatschutz und völkische Lebensreformbewegung begonnen hatte. Historiker wie Joachim Radkau und Frank Uekötter bekämpfen jedoch diese Ansätze – mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums.

Die wenigsten Journalisten und Wissenschaftler interessieren sich für die NS-Vergangenheit prominenter Umweltschützer oder den Gehalt des Geredes von Ganzheit, ewigen Naturgesetzen und organischen Gemeinschaften. Diese Ideen entstanden in völkisch-esoterischen Zirkeln des Fin de Siecle, wurden vom Nationalsozialismus aufgegriffen und finden sich heute noch in der Umwelt- und globalisierungskritischen Bewegung. Beiträge der wenigen Kommunisten, sozialdemokratischen Naturfreunde, Liberalen oder Juden zum Umweltschutz gingen unter.

Juden wurden nach der Machtübergabe an die NSDAP aus

Naturschutzorganisationen gedrängt und mit Einführung des „Arierparagraphen“, wie im

„Volksbund Naturschutz e.V.“ unter seinem Vorsitzenden Hans Klose, ausgeschlossen.

Aufgrund dieser Vorgeschichte hätte aus den Grünen eine rechtslastige Öko-Partei werden

können. Als ab 1977 erste grüne Listen zu Kommunalwahlen antraten, Landesverbände ent-

standen und die „Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen“ bei Europawahlen 1979 mit

3,2 Prozent einen Achtungserfolg erzielte, dominierten Anthroposophen wie die Gruppe um

Joseph Beuys, Anhänger der obskuren Zins- und Schwundgeld-Lehre des Silvio Gesell und

des rechtsextremen „Weltbundes zum Schutz des Lebens“, August Haußleiters

„Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD) und Fans des ehemaligen CDU-

Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl, der in seinem Bestseller „Ein Planet wird

geplündert“ (1976) einen brutalen Sozialdarwinismus vertreten hatte, wonach die Natur

angeblich nur die kräftigsten Lebewesen überleben ließe. In Baden-Württemberg mischte der

wichtigste Ideologe der so genannten Neuen Rechten, Henning Eichberg, mit, ohne Partei-

mitglied zu werden.

 

Sein nationalrevolutionäres Hausblatt wir selbst berichtete wohlwollend

und brachte Rudi Dutschke, Beuys und einen Grünenparteitag als Coverbilder. Linke und

Linksradikale, sofern sie Ökologie nicht als kleinbürgerlich abtaten, sammelten sich in

Alternativen- und Bunten Listen, bevor sie sich den Grünen anschlossen. Die Hamburger

„Bunte Liste – Wehrt Euch“ um Rainer Trampert prangerte 1978 in einer Broschüre

ökofaschistische Tendenzen in den Grünen und der Umweltszene an.

 

Dagegen meinte Jutta Ditfurth noch 2001, Haußleiter als früheren Nationalliberalen charakterisieren zu können.

 

Haußleiter, seit dem Saarbrücker Parteitag einer von drei gleichberechtigten Vorsitzenden

der Grünen, war einer der wenigen prominenten Grünen, der wegen seiner Vergangenheit von

interessierter Seite attackiert wurde. Das SPD-Organ Vorwärts berichtete am 17. April 1980

unter der Schlagzeile „Vom Braunen zum Grünen“ über Haußleiters Vergangenheit als

rechter Kleinstparteien-Führer. Das Politmagazin Monitor folgte fünf Tage später. Ein

ehemaliger AUD-Vorstand erklärte dem WDR-Magazin, Haußleiter habe 1965 mit der NPD

über ein Wahlbündnis verhandelt. Dazu zitierte Monitor aus einer Propagandaschrift, die

Haußleiter 1942 verfasst hatte. Er lobte darin die „die kämpferische Zucht der deutschen

Wehrmacht“ und stellte ihr „die entfesselte Bestialität der Bolschewiken“ gegenüber. 1952

hatte der „Nationalliberale“, der einst die CSU mit gründete, die Nürnberger Prozesse und die

Entnazifizierung als „das dümmste und infamste aller Strafgerichte“ geschmäht und den

Alliierten vorgeworfen, die Konzentrationslager weiter zu benutzen.

 

Für Haußleiter „plapperten“ deutsche „Papageis“ „Kempners Kollektivschuld-Geschwätz gelehrig nach.“ Er projizierte damit die deutsche Schuld auf die Alliierten und die „Phosphorgeneräle von Dresden“. Solche Schuldprojektion und Erinnerungsabwehr ist typisch für den so genannten sekundären Antisemitismus. Dagegen behauptet der Politologe Richard Stöss, „nach 1945“ fänden sich „keine Belege für eine antisemitische Haltung Haußleiters“.

 

Haußleiter musste aufgrund der Kritik im Juni 1980 als Bundesvorsitzender der Grünen zurücktreten.

In Bayern blieb er weiter aktiv. 1986 zog er in den Landtag ein und konnte allein aus

gesundheitlichen Gründen dessen Legislaturperiode nicht als Alterspräsident eröffnen.

Werner Vogel hatte 1983 auch kein Glück. Auf der Liste von Nordrhein-Westfalen in den

Bundestag gewählt, wäre er Alterspräsident geworden. Vogel musste sein Mandat aufgeben,

nachdem die Presse über seine Mitgliedschaft in NSDAP und SA berichtet hatte.

 

Dass deutsche Parteien braune Karrieren ihrer Repräsentanten vertuschen ist normal.

Gleiches gilt für Medien und Wissenschaft. Prominentes Beispiel dafür ist Springmann. Er

war Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Schleswig-Holstein und der Bundespartei der

Grünen. Springmann prägte das Bild der Grünen, weil er als Ökobauer mit weißem Haar und

Vollbart und im farbigen Bauernkittel öfter im Fernsehen auftrat. Springmann verließ die

Partei bereits 1980 und gründete später zusammen mit Gruhl die ÖDP, deren stellvertretender

Vorsitzender er wurde.

 

In einem Porträt über die „Symbolfigur der Grünen“ in der Zeit im Juni 1979 erklärte

Springmann, er sei Mitglied des deutschnationalen Stahlhelm gewesen, aber ausgetreten, als

die Organisation „von Hitler übernommen wurde“. Ob er der NSDAP angehört habe, daran

könne er sich nicht erinnern. In seiner Autobiographie (1995) berichtet Springmann ebenfalls,

er sei als Stahlhelmer in die SA übernommen worden und wieder ausgetreten. Als passio-

nierter Reiter wäre er später kollektiv mit seinem Reitclub in die Reiter-SS aufgenommen

worden, habe aber den Eid verweigert und sei formell Bewerber geblieben. Man könnte

analog zu dem früheren SA-Mann Kurt Waldheim, der es zum UN-Generalsekretär und

österreichischen Präsidenten brachte, meinen, nur Springmanns Pferd wäre in der SS gewe-

sen? In Dokumenten aus der NS-Zeit stellt sich der Lebenslauf des Ökobauern folgen-

dermaßen dar: Von November 1933 bis März 1934 SA-Mann, seit November 1936 SS-

Bewerber. In einem Fragebogen für SS-Angehörige von 1940 für das Rasse- und

Siedlungshauptamt der SS bezeichnet er sich als gottgläubig, wie viele Nazis, die aus den

Kirchen ausgetreten waren. Außerdem beantragte Springmann im November 1939 die

Aufnahme in die NSDAP und wurde drei Monate später mit der Mitgliedsnummer 7.433.874

aufgenommen.

 

In der Autobiographie schreibt Springmann, er sei als Marineoffizier während des Kriegs

zum NS-Führungsoffizier ernannt worden und habe Vorträge über ein künftiges deutsches

„Bauernreich“ und die Blut-und-Boden-Ideologie gehalten. Von den NS-Verbrechen will er

nichts mitbekommen haben. Nach 1945 war Springmann in der „Deutschen Unitarier

Religionsgemeinschaft“ (DUR), einem Verein pantheistisch-naturreligiös gesinnter Nazis, im

„Weltbund zum Schutz des Lebens“ (WSL) sowie in der AUD aktiv, wo er es zum

Landesvorsitzenden brachte. Wenige Monate vor seinem Tod trat Springmann im August

2003 noch auf dem Pressefest der NPD-Zeitung Deutsche Stimme in Sachsen auf.

Der WSL war 1959 in Salzburg unter Führung des Försters Günther Schwab gegründet

worden und neben den etablierten Verbänden wie Bund Naturschutz oder Vogelschutzbund

zunächst eine der einflußreichsten Umweltgruppen. Schwab schrieb in den 50er-Jahren

Bestseller wie „Der Förster vom Silberwald“, „Dackelglück“ oder „Die grüne Glückseligkeit:

Ein Handbuch vom edlen Waidwerk“. Er verfasste Broschüren und gab Interviews zu den

Gefahren der Atomkraft. Nach Ansicht Schwabs führt die moderne Zivilisation mit ihren

Giften zur Degeneration der weißen Rasse, weshalb die Amerikaner nicht in der Lage seien

„das kleine tapfere und gesunde Volk der Vietnamesen zu besiegen“.

 

Der Österreicher Schwab war im Oktober 1930 in Wien in NSDAP und SA eingetreten, wo

er es bis zum Sturmführer brachte. Wegen NS-Betätigung wurde er mehrfach als Förster aus

dem Staatsdienst entlassen. 1938 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und bat um eine

Vormerkung für den kolonialen Forstdienst, weil er anscheinend überzeugt war, die Nazis

würden Kolonien erringen. Zu dieser Zeit, 1938, waren von den deutschen Forstbeamten 85

Prozent Mitglied der NSDAP, was ein schöner Ausdruck der spezifisch deutschen Liebe zum

Wald ist.

 

Stöss bezeichnet in seinem Parteienhandbuch, einem Standardwerk der Politikwissenschaft,

WSL und Schwab verharmlosend als konservativ. Der 1974 gewählte neue Vorsitzende

Werner Haverbeck habe den WSL „von den gröbsten Mißständen“ befreit, „ohne sich offiziell

von profaschistischen Tendenzen zu distanzieren“. Was bei Stöss fehlt, sind wiederum

Angaben zur NS-Karriere: Haverbeck trat 1928 der SA bei, übernahm 1933 die Leitung des

Reichsbundes für Volkstum und Heimat und wurde später Mitglied der Reichsleitung des NS-

Studentenbundes. 1980 unterzeichnete Haverbeck, zeitweise Professor für Sozialwissenschaft

an der Fachhochschule Bielefeld, den Dortmunder Appell, mit dem die deutschnationale

Friedensbewegung gegen neue amerikanische Atomraketen agitierte, und ein Jahr später das

so genannte Heidelberger Manifest, in dem die Parole „Ausländer raus“ pseudoökologisch

begründet wurde.

 

Solche Defizite in der Forschung über Umweltbewegung und Grüne sind keine Ausnahme,

auch wenn die Parteigründung mitunter eine kritische Aufarbeitung zu inspirieren schien.

Anna Bramwell untersuchte „Hitlers Green Party“, den NS-Flügel um Land-

wirtschaftsminister Rudolf Walther Darré, der mit Demeter, Weleda und den anthro-

posophischen, biologisch-dynamischen Landwirten kooperierte.

Die Professoren Gert Gröning von der Universität der Künste in Berlin und Joachim

Wolschke-Bulmahn von der Universität Hannover arbeiteten heraus, dass Naturschützer und

Landschaftsarchitekten wie Alwin Seifert oder Heinrich Wiepking-Jürgensmann an NS-

 

Verbrechen beteiligt waren. Wiepking-Jürgensmann war als Mitarbeiter von Heinrich

Himmler „Sonderbeauftragter für Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege des

Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums“ im von Nazi-Deutschland

eroberten Osteuropa – 1961 wurde nach ihm der Preis der „Deutschen Gartenbau-

Gesellschaft“ benannt. Der Landschaftsarchitekt Seifert war seit 1934 als „Reichsland-

schaftsanwalt“ an der Gestaltung der neuen Autobahnen beteiligt, vorzugsweise mit

heimischen Gehölzen. Er war mitverantwortlich für den Kräutergarten der SS im KZ Dachau,

wo viele Häftlingen aufgrund der Arbeitsbedingungen starben, während die SS biologisch-

dynamische Anbaumethoden testete. Das Entnazifizierungsverfahren schloß er als Un-

belasteter ab. 1950 wurde Seifert Professor und 1954/55 Ordinarius für Landschaftspflege,

Straßen- und Wasserbau an der Technischen Hochschule in München und war jahrelang

Vorsitzender des Bundes Naturschutz. Sein Buch „Gärtnern, Ackern – ohne Gift“ (1967)

wurde mehrfach aufgelegt und galt als Bibel der ökologischen Bewegung.

Ein weiterer prominenter Fall ist Walther Schoenichen, langjähriger Vorsitzender der

Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen und spätere Direktor der Reichsstelle

für Naturschutz.

 

Er wollte 1933 Dämme bauen gegen eine „wahre Sintflut undeutscher, ja

deutschfeindlicher Kulturströmungen“ und forderte die „Reinigung des deutschen Volkes“

und der „deutschen Landschaft“. Schoenichen dankte 1934 dem Führer, weil der den

„Wahnwitz der liberalistischen Weltanschauung“ bekämpfe, jene „Gifte, die unter der

Aufschrift ›Aufklärung‹“ verbreitet würden und schon „allzu tief“ sich „eingefressen“ hätten

in „unserem Volke“. Die „Reklamekrankheit“, ein Ärgernis für deutsche Natur- und

Heimatschützer schon im Kaiserreich, führte Schoenichen 1939 auf „eine Infektion mit

jüdischem Giftstoff“ zurück. Der schwäbische Naturschützer Hans Schwenkel attackierte

1937 das Judentum, welches „dem ersten Buch Mose“ nach „keinen Naturschutz“ kenne.

Gröning, Wolschke-Bulmahn und der Landschaftsarchitekt Bernd Schütze haben in einigen

Publikationen an den Beitrag von Juden zum Naturschutz erinnert. 1932 hat der Jude

Siegfried Lichtenstädter eine Schrift veröffentlicht mit dem Titel „Naturschutz und

Judentum“, in welcher er sich gegen den „weitverbreiteten ›modernen‹, ›patriotischen‹ oder

›völkischen‹ Gedanken“ wandte und positive Aspekte eines naturschützerischen Judentums

analysierte. Lichtenstädter wurde am 6. Dezember 1942 in Theresienstadt von den Deutschen

ermordet.

 

Im rechten Spektrum der Ökologiebewegung wird immer noch das Stereotyp verfochten,

das Judentum wäre aufgrund seiner Religion grundsätzlich patriarchal und umweltfeindlich.

Dazu gehören der Bestseller von Franz Alt über Jesus als den „ersten neuen Mann“ oder

Schriften von Reinhard Falter, einem ehemaligen Mitglied der Grünen, der sich als

Naturphilosoph und Historiker bezeichnet.1 Er publiziert in anthroposophischen Blättern, im

Jahrbuch der „Herbert-Gruhl-Gesellschaft“ und dem Blatt Ökologie der „Unabhängigen

Ökologen Deutschland“, zwei ökofaschistischen Gruppen, und will den Naturschutz als

elitären, romantischen Heimatschutz wiederbeleben. Nach Ansicht Falters gehört eine

„religiös bedingte Naturfeindschaft“ zur kulturellen „Tradition des Judentums“. Der „Kampf

des Wüstengottes gegen die Göttlichkeit der Naturmächte“ wirke bis heute fort. 2006

verfasste Falter einen Aufsatz über „Strömungen im frühen Naturschutz“ in einem Band, den

das bayerischen Umweltministerium herausgab.

 

1 s. dazu Heinz Gess, Vom Faschismus zum Neuen Denken. C. Jungs Theorie im Wandel der Zeit. Zu

Klampen Verlag, Lüneburg, Springe 1994.

Zu Franz Alt und seiner Auffassung von Ökologie insbesondere der Abschnitt „Antisemitismus bei

Jung und Alt“, S. 221 ff. Ferner über die grüne Entsorgung der Vergangenheit „Die missbrauchte

Kraft des Guten. Zur Entsorgung der Vergangenheit im New Age“, S. 236 ff

 

Falter vertritt keine Randposition, wenn er klagt, der Nationalsozialismus werde als „das

schlechthin Böse angesehen“, worüber dessen positive Seiten übersehen würden. Er zitiert

den renommierten Historiker Joachim Radkau: „Erst wenn man die Elemente ökologischer

Einsicht in der NS-Bewegung erkennt, wird die NS-Katastrophe in vollem Maße zu einem

Stachel für die historische Reflexion. (….) besaß die Blut-und-Boden-Ideologie bei aller

Verschrobenheit doch eine Art Geistesgegenwart. Damals gab es tatsächlich in letzter Minute

eine bäuerliche Traditionswelt zu retten.“ Radkau interpretiert den Nationalsozialismus als

Anti-These zu einer umweltzerstörenden US-Zivilisation und klagt, dass „eine ganze

Großväter-Generation der deutschen Umweltbewegung“ – er nennt den NS-Biologen Konrad

Lorenz, Seifert, den Förster Schwab dazu Martin Heidegger und Ernst Jünger – „wegen

zeitweiliger Affinitäten zum Nazismus später verleugnet“ worden sei.

 

Er schmiegt sich an die NS-Terminologie an, wenn er den Leiter der Reichsstelle Naturschutz

ab 1938, Hans Klose, als „Vierteljuden“ bezeichnet, der obendrein kein Parteimitglied war,

also irgendwie koscher gewesen sein muss. Klose hatte am Reichsnaturschutzgesetz von 1935

mitgearbeitet. Nach dem Krieg lobte er die „wenigen Jahre der Friedensarbeit“ von 1936 bis

1939 als „hohe Zeit“ des deutschen Naturschutzes. In einem privaten Brief schrieb Klose

1946, es wäre ja wohl klar, „dass das vorhergehende demokratisch-parlamentarische Regime

weit davon entfernt gewesen wäre, einen solchen Auftrieb zu ermöglichen, wie er von 1935

an zu verzeichnen war“.

 

Für Radkaus Adlatus Frank Uekötter, derzeit am Forschungsinstitut des Deutschen

Museums München tätig, war Klose ein „Managertyp“. Der Nazi-Begriff „Vierteljude“ gefällt

Uekötter als Entlastung für Klose so gut, dass er ihn auch benutzt – in einem Artikel, der im

August 2006 in Karl-Heinz Roths sozial.geschichte.extra erschien. Uekötter behauptet darin,

die These von der „unheilvollen Nähe von Naturschutz und NS-Ideologie“ habe sich als

„wenig stichhaltig erwiesen“.

 

Das Bundesumweltministerium unter Leitung des früheren KB-Genossen Jürgen Trittin

finanzierte 2002 eine Tagung zum Thema „Naturschutz und Nationalsozialismus“. Minister

Trittin (Grüne) betonte in seinem Grußwort, es gebe keine „Kollektivschuld“ des Natur-

schutzes. Die beiden profiliertesten kritischen Forscher zum Thema, Gröning und Wolschke-

Bulmahn, wurden von den Organisatoren Radkau und Uekötter ausgeladen. Letzterer gelangt

in dem Tagungsband zu dem Ergebnis, „ein allgemeines moralisches Werturteil“ über den

Nationalsozialismus sei „naturgemäß schwierig“ aufgrund von dessen „Reichtum an

Facetten“. Wie der Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll fordert auch Uekötter, mit

dem „eifrigen Sammeln und Markieren von xenophobischen Reizvokabeln“ müsse Schluss

sein.

 

Interessant sei vielmehr, „welche Sehnsüchte und Wünsche sich in der Forderung nach

intakten Naturverhältnisses verbargen“, wie Schmoll in seiner Habilitationsschrift 2004

schreibt. Er bezieht sich auf Eichberg, welcher gezeigt habe, wie um 1800 die „Heide in eine

sentimentalische Traumlandschaft“ verwandelt worden sei. Dabei erwähnt Schmoll nicht,

dass Eichberg in dem zitierten Text Stimmung über der Heide von 1983 für ein Heidentum

wirbt und gegen die „Unterwerfung unter den Gott Israels“ hetzt, der als Repräsentant des

„fortschrittlichen Monotheismus“ die „Kolonisationsnorm der zentralperspektischen Welt“ zu

verantworten habe, was sich in der Entwicklung der „Heide“ genauso wie in „Bergen-Belsen“

zeige. Diese Verharmlosung des Holocaust und des Nationalsozialismus ist eine Form des

sekundären Antisemitismus, welche zugleich primär antisemitische Muster generiert, wenn

Juden bzw. der „Gott Israels“ für das mörderische Prinzip des „Produktivismus“ oder

Kapitalismus in Haftung genommen werden. Die Erinnerungsabwehr besteht darin, die

Konzentrationslager nicht als deutsche Lager zu kennzeichnen, sondern als Resultate „der

Moderne“, wie es auch in der Tradition des Poststrukturalismus und Michel Foucaults, auf

den Eichberg sich mitunter bezieht, geschieht. Dies ist eine „soft-core“ Leugnung der

präzedenzlosen Verbrechen der Deutschen in der Shoah, um einen Begriff der Historikerin

Deborah Lipstadt zu verwenden.

 

Der Mainstream der Geschichtsschreibung leugnet Judenhass, Herrenrassen-Wahn und

Antimodernismus als Motive der deutschen Umweltbewegung nicht komplett, spielt aber ihre

Bedeutung herunter. Die Linie hat Trittins Nachfolger, Umweltminister Sigmar Gabriel

(SPD), vorgegeben: Es gelte „mit Sachlichkeit gute und schlechte Zeiten“ des Naturschutzes

zu betrachten, also quasi wertneutral. In einem Werk über staatlichen Naturschutz, den das

Bundesamt für Naturschutz 2006 herausgeben hat, mit einem Vorwort von Gabriel, stellen

Schmoll und Hans-Werner Frohn zwar fest, dass Naturschutz-Pioniere wie Ernst Rudorff und

Hermann Löns Antisemiten waren.

 

In den Porträts mancher Naturschützer werden jedoch

deren völkische Orientierung und NS-Betätigung ausgeblendet: Da schließt Hans Klose einen

„faustischen Pakt“ mit den Nazis, und Seifert wird zur „schillerndsten und umstrittensten

Person des deutschen Naturschutzes“. In dem Sammelband von Radkau und Uekötter heißt es

über Reichlandschaftsanwalt Seifert, dieser sei „kein glühender Nazi“ gewesen.

1983 veröffentlichten Gröning und Wolschke den Aufsatz „Naturschutz und Ökologie im

Nationalsozialismus“, in dem sie diese Beziehung kritisch reflektierten. 2003 erschien der

Band mit dem ganz ähnlichen Titel „Naturschutz und Nationalsozialismus“ von Radkau und

Uekötter. Darin wird die „Vielfalt der Facetten“ des Naturschutzes im Nationalsozialismus

gelobt. Es gilt also genau zu lesen. Nicht jede Publikation mit dem Label „Naturschutz und

Nationalsozialismus“ meint dies kritisch, polemisch oder abwertend. So ändern sich die

Zeiten.

 

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