MESOPOTAMIA NEWS : VERABSCHIEDUNG DES DEKADENTEN WESTENS„DAS NEUE BUCH“ von Caroline FOUREST: Die LINKE ist nicht mehr revolutionär sondern beleidigt & alle anderen sollen auch so sein: Muslime, Frauen, Inder, Transen, Schwule, Diverse, Alte wie Junge.

“Eine neue „Generation Beleidigt“ wolle bestimmen, was heute Rassismus und Sexismus bedeuten – und jeden Sinn für Humor, Provokation und Leidenschaft abschaffen. –  Linke und Islamisten bildeten dabei eine unheilige Allianz.”

 

Caroline Fourest nimmt kein Blatt vor den Mund. Was andere nur hinter vorgehaltener Hand sagen, äußert sie freimütig:

Die radikale identitäre Linke stelle in Europa eine Gefahr für die Demokratie dar. Spezifisch amerikanische Debatten über Antirassismus würden eifrig importiert – unter Verkennung ihrer historischen und kulturellen Bedingtheit.

In ihrem Buch „Generation Beleidigt“ (Edition Tiamat, 144 S., 18 €) analysiert die Französin, wie sich ein Teil der Linken zum Steigbügelhalter des politischen Islam macht, gestützt von einer naiven Universitätselite. Den Kampf um die Freiheit gegen autoritäres Gebaren gibt sie dennoch nicht verloren.

 

WELT: Madame Fourest, ein bekannter deutscher Sprachwissenschaftler hält „Arschloch“ für eine politisch korrekte Beleidigung, da keine Gruppe diskriminiert würde. Was halten Sie davon?

Caroline Fourest: Oh, da jeder eins besitzt, handelt es sich um eine sehr große, umfangreiche Gruppe (schmunzelt). Die eigentliche Frage ist doch, ob man zum Hass aufruft oder nicht. Wenn jemand einen anderen als Arschloch bezeichnet, zielt er gewiss nicht auf dessen Auslöschung ab. Ein Genozid beginnt nicht mit „Du Arschloch!“. Grundsätzlich ist es gefährlich, Redebeschränkungen aufzuerlegen, da sich natürlich ständig jemand gekränkt fühlen kann.

 

WELT: Ist es nicht absurd, Beleidigung nur noch auf Gruppen bezogen zu denken?

Fourest: Klar, zumal man ja die einzelnen Gruppen in ein Konkurrenzverhältnis zueinander bringt. Man geht davon aus, dass es Opfergruppen gibt, die mehr wert sind als andere. Opfer konkurrieren um ihren Status, anstatt vereint gegen Diskriminierung zu kämpfen. Das führt zu Zensur, nicht zu Gleichheit.

 

WELT: Tappt die deutsche Linke in dieselbe Falle wie die französische? Übernimmt die „Generation Beleidigt“, hypersensibel in Bezug auf Rassismus und Sexismus, das Ruder?

 

Fourest: In Frankreich und Europa gibt es eine universalistische Linke, die sich mit „Charlie Hebdo“ identifiziert, laizistisch denkt und die Freiheit der Meinungsäußerung hochhält. Es gibt aber auch eine identitäre, radikale Linke. Die imitiert amerikanische und kanadische Fragestellungen und führt nur noch eine Debatte über Identitäten statt eine Debatte über Ideen. Das ist absurd, weil wir eine ganz andere Geschichte haben hier in Europa.

 

In Amerika geht es um Segregation, hier um postkolonialen Rassismus und Genozide. Wir Europäer befinden uns erst am Anfang dieser Mimesis. Deshalb hatte ich das Bedürfnis, über diese gefährliche Entwicklung bei einem Teil der Linken zu schreiben. Mein Buch versteht sich als Weckruf, als Warnung davor, die gleichen Fehler wie die Amerikaner zu machen.

 

WELT: Welche Gefahr sehen Sie heraufziehen?

 

Fourest: Uns droht ein neuer Totalitarismus, tödlich, antisemitisch und fundamentalistisch. Vor allem die jüngere Generation hat eine unglaubliche Angst davor, zu schockieren. Diese Generation hat fast schon aufgegeben, in der Hoffnung, Attentate würden aufhören, sofern man sich an alle Regeln hält und bloß niemanden verletzt. Das hieße aber, die Ideologie des Dschihadismus total zu verkennen!

 

WELT: Antirassisten und identitäre Linke unterscheiden sich kaum mehr von religiösen Eiferern, so Ihre Einschätzung?

 

Fourest: Einen Unterschied gibt es sehr wohl: Religiöse Fanatiker schrecken selbst vor Enthauptungen nicht zurück. Die identitäre Linke hingegen cancelt „nur“; das aber ist schlimm genug, wenn man bedenkt, dass die Linke immer an der Spitze der Meinungsfreiheit gestanden hat.

 

WELT: Einer der Hauptvorwürfe in Rassismusdebatten lautet „Cultural Appropriation“, kulturelle Aneignung. Die Sängerin Katie Perry musste für ihre Zöpfe öffentlich Abbitte leisten. Wieso wehren sich so wenige Stars gegen diese oktroyierte Selbsterniedrigung?

 

Fourest: Das liegt daran, dass die jüngere Generation nicht mehr unterscheidet zwischen kultureller Inspiration und cultural appropriation. Sobald der Verdacht kultureller Aneignung aufkeimt, gibt es einen Aufschrei und die Stars sind gezwungen, sich zu entschuldigen. Zoe Saldana entschuldigt sich dafür, Nina Simone zu spielen, weil sie nicht deren exakte Hautfarbe hat? Diese Debatten sind grotesk, verraten aber eine gewisse Faszination für eine reine Identität.

 

WELT: Reinheitsideen waren traditionell Ausdruck von faschistischen Ideologien.

 

Fourest: Ja, aber dieses historische Wissen haben wir verloren. Antirassismus wird zur Waffe der Zensur. Das soll nicht heißen, dass ich Hass in den Social Media gutheiße, im Gegenteil: Man muss die sozialen Medien rezivilisieren, zugleich aber den Sinn für Ironie und Provokation wiederbeleben, um durchatmen zu können.

 

WELT: Wenn der Humor verschwindet, verstärken sich gesellschaftliche Spannungen?

 

Fourest: Ja, wenn wir kein Ventil mehr haben für all die Konflikte, wohin dann mit dem Hass? Aufgestaute Wut verwandelt sich unweigerlich in Hass. Humor kann ein Mittel der Angstbewältigung sein, er ist aber ist kulturell sehr unterschiedlich. Der Humor von „Charlie Hebdo“ ist nicht allen zugänglich. Daraus aber zu schlussfolgern, „Charlie Hebdo“ müsse sich den Fanatikern anpassen, wäre geradezu wahnwitzig. Religiösen Fanatikern wird es diese atheistische Zeitschrift niemals recht machen.

 

WELT: Auch hierzulande fordern viele mehr Taktgefühl ein.

 

Fourest: Ein Gespräch ist nur dann aufrichtig, wenn man Kränkungen zu akzeptieren bereit ist. Sollen wir uns nach denjenigen richten, die am lautesten schreien, den Wütenden? In Pakistan wirft man Gotteslästerer ins Gefängnis. Wollen wir unter pakistanischem Recht leben? Nein, wir sind eine laizistische Demokratie!

 

WELT: Immer wieder werden „anstößige“ Skulpturen verhüllt und „sensitivity readers“ prüfen Manuskripte in manchen Verlagen auf ihr Beleidigungspotenzial. Gibt es eine direkte Linie zwischen Kulturpolizei und Gedankenpolizei?

 

Fourest: Ah, diese Pest der Überempfindlichkeit! Wir schaffen es inzwischen ja nicht einmal mehr, uns auszutauschen über unsere verschiedenen Wahrnehmungen. Die Meute mobilisiert sich bei der kleinsten Kleinigkeit. Angestachelt werden diese Menschen, auch Studenten, von Universitätsdozenten und Professoren. Die Unis sind zu intellektuellen Gettos verkommen, die eine identitäre Linke subventioniert und die universalistische Linke als Feinde betrachtet. Das geht partiell so weit, dass Islamisten als Redner an Unis willkommen sind und klassische Linke ausgebuht werden.

 

Eigentlich garantiert in Deutschland Paragraf 5 des Grundgesetzes Forschungsfreiheit. Wie sieht die Realität im Jahr 2020 aus?

 

„Cancel Culture“ an Universitäten

WELT: In Frankreich kommt es zu fatalen Bündnissen zwischen identitären Linken und Islamisten. Wie äußert sich diese unheilige Allianz?

 

Fourest: Feministinnen marschieren mit Fundamentalisten Seit’ an Seit’ und demonstrieren sowohl für Prostitution als auch für den Schleier. Wenn man jemanden aus der Jahrtausendwende in unsere Zeit beamen würde, der würde das nicht glauben! Das Ganze war ein schleichender Prozess seit „9/11“, als die Linke das Attentat dem amerikanischen Imperialismus zuschrieb.

 

Im Fall der „Charlie Hebdo“-Karikaturen war es genauso: Es ist immer der Fehler des Westens, nicht der mordenden Dschihadisten! (lacht bitter) Diese radikale Linke ist total auf den Westen fixiert und begreift nicht, dass der Riss zwischen Fundamentalisten und Modernisten durch die ganze Welt geht.

 

Die radikale Linke trägt Scheuklappen und macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Die Folge ist, dass man sich mit bigotten, sexistischen, antisemitischen Leuten zusammentut. Schauen Sie sich doch den französischen Komiker Dieudonné an. Dem ist es gelungen, Antisemiten aller Couleur zu vereinen. Im Antisemitismus und im Hass auf die Demokratie ist sich diese hybride Truppe einig.

 

WELT: Michel Houellebecq beschrieb in seinem Roman „Unterwerfung“ die Sorbonne als muslimische Universität. Wer unterrichten will, muss konvertieren. Hat die Realität die Fiktion bereits eingeholt?

 

Fourest: Ganz ehrlich? Natürlich teile ich Houellebecqs verbitterte Misogynie nicht, aber die Figur des Professors, der fasziniert ist vom religiösen Fundamentalismus und diesem sein Denken unterwirft, sehe ich bei vielen realen Professoren. Wir erleben gerade eine intellektuelle Kapitulation.

 

WELT: Bereits seit 2013 gibt es den „World Hijab Day“, an dem Frauen den Hidschab tragen und sich in Bescheidenheit üben sollen. Seltsamerweise wird dieser Tag von Studentenvereinigungen renommierter Hochschulen wie Sciences Po unterstützt. Wie erklären Sie sich das?

 

Fourest: Tja, linke Studentenvereinigungen wie UNEF unterstützen diesen Aktionstag. Ausgerechnet diejenigen, die ständig cultural appropriation schreien, finden nichts dabei, den Hidschab zu tragen. Und dann erklären sie uns auch noch, dass die Frau züchtig zu sein hat.

 

WELT: Wieder einmal wird Unterwerfung propagiert. Frauen sollen sich in Demut üben und Vergewaltiger, sofern sie nicht weiß sind, am besten nicht anzeigen?

 

Fourest: Na ja, Frauen, die den Schleier tragen, sagen, sie unterwerfen sich Gott, nicht dem Mann. Ich möchte aber auch nur einen einzigen einen Mann sehen, der den Schleier trägt! Sobald Männer anfangen Schleier zu tragen, habe ich selbstverständlich nichts mehr gegen den Schleier einzuwenden.

 

WELT: Wie erklären Sie sich diesen Verrat an feministischen Errungenschaften?

 

Fourest: Das ist ein Irrweg der intersektionalen Feministinnen. Der geht so weit, dass die Vergewaltigungsopfer des Islamwissenschaftlers und Predigers Tariq Ramadan von ihnen Stich gelassen werden. Einen Albtraum durchleben diese Frauen! Im Namen der Intersektionalität fordert man, dass der Kampf gegen Sexismus dem Kampf gegen Rassismus geopfert wird.

 

WELT: Je mehr Terrain die Religion gewinnt, desto mehr Unterwerfung. Naht ein masochistisches Zeitalter?

Fourest: Nein, nein, das sehe ich nicht so. Nicht die Religionen, sondern die Fundamentalisten haben Bündnispartner gefunden. Seit den Attentaten aber wittern wir die Gefährdungen des Laizismus.

Man entwickelt einen Sinn dafür.

Der Kampf ist noch lange nicht verloren!