MESOPOTAMIA NEWS SITTENBILD: WO + WIE HADSCHI MESUT ÖZIL SCHON LÄNGST GESIEGT HAT WÄHREND SICH DEUTSCHE SEELE SEINETWEGEN NOCH QUÄLT

EIN LETZTES WORT ZUR CAUSA ÖZIL

  • „Das alles mag wirken wie reiner Klamauk, folgt aber einer kühl kalkulierten Strategie der Köpfe hinter der Marke Özil: der Bruch mit Deutschland und die Hinwendung zur für ihn wichtigeren Zielgruppe, den Muslimen in aller Welt“ – Özils zweit-erfolgreichster Tweet aller Zeiten (gleich hinter dem Foto als glücklicher WM-Sieger) zeigt ihn als Gläubigen im weißen Gewand in Mekka. Das Bild erzielte 5o Millionen Clicks.” –  Von Bettina Weiguny

 Dass Özil es in diese Liga geschafft hat, liegt erwiesenermaßen nicht an den Deutschen. Hierzulande lagen seine Sympathiewerte stets unter denen von Thomas Müller, Philipp Lahm oder Manuel Neuer. Özil als Marke funktioniert dafür global.  Dem Gastarbeiterkind folgen Türken und Muslime auf der ganzen Welt. Der Kicker sei derzeit der wohl berühmteste muslimische Sportler überhaupt, berichtet ein ehemaliger Berater, „mehr als die Hälfte seiner Fans sind Muslime”.

Markentechnisch waren seine Stationen bei den Erstliga-Clubs in Spanien und England geschickt gewählt. Wer wie Thomas Müller sein Leben lang in München spielt, wird dort womöglich zur Legende, baut sich aber keine globale Fan Basis auf. Mesut Özil dagegen hat sich ganz Europa, den englischsprachigen Raum, Lateinamerika sowie Asien erschlossen.

 Seine beiden Clubs – zunächst Real Madrid, dann Arsenal London,  sind sehr beliebt in Asien und im arabischen Raum. In China, so heißt es, gilt Ozil als Sexsymbol, „dank seiner Augen”.

Für die Fans postet Özil Bilder aus dem Trainingslager, Geburtstagsgrüße an die Spielerkollegen, ein Selfie aus dem Urlaub mit seiner großen Liebe, Amine Gülse, einer Schwedin mit türkischen Wurzeln.

 Und immer wieder taucht Balboa auf, sein Hund. Denn Hunde, das weiß jeder PR-Experte, gehen immer. Nun ist eine Marke ein komplexes Konstrukt, und die wenigsten Fußballer verstehen etwas von den Feinheiten der Markenführung: Das ist ein gefundenes Fressen für Berater aller Art. Hinter jedem großen Sportler steht ein Stab von Managern, von Social-Media-Experten und sonstigen Helferlein.

Jede einzelne Wort- oder Bildmeldung im Internet verfolgt nur ein Ziel: Mesut Özil ist kein geborener Weltstar. Weder von seiner Herkunft, als Sohn türkischer Einwanderer aus Gelsenkirchen. Noch vom Naturell her. Eher linkisch wirkt er, scheu und schnell eingeschnappt. Sprachtalent und Witz gehen ihm ab. Aber er kann kicken. Das ist seine Rettung. Mit 18 schafft er es in die deutsche Nationalmannschaft. Später nach Real Madrid. 2013 nach Arsenal.

 Er spielt international oben mit, verdient Millionen. Berühmt aber machen ihn die sozialen Medien: Der Mann ist noch mehr Marke als Fußballer. Über die Kanäle Facebook, Twitter und Instagram folgen ihm 7o Millionen Menschen. Viel mehr als allen anderen deutschen Nationalspielern. Das erklärt die weltweite Aufregung um die Erdogan-Bilder und Özils Rückzug aus der deutschen Nationalmannschaft.

 Für den Marktwert eines Sportlers übersetzt sich die Zahl der Follower im Netz direkt in Geld. „Früher bemaß sich der Wert eines Fußballers vor allem nach seiner Leistung auf dem Platz”, erläutert Marken-Experte Sebastian Kurczynski vom Forschungsunternehmen Nielsen Sports. „Heute sind Markenimage und Vermarktungsmöglichkeiten ähnlich wichtig.”

Der englische Club Arsenal holte Özil seinerzeit nicht nur wegen seiner genialen Pässe, sondern auch, weil sich die Stories um Ozil herum über Facebook & Co. zehnmal besser verkaufen als die anderer Spieler. Das zahlt sich für Arsenals Trikot-Verkauf aus und auch den Spieler selbst. Wer sich im Netz beweist, erhält die besten Werbeverträge. So hat Özil als einziger Fußballer einen lukrativen Einzelvertrag mit Daimler.  

Zudem lässt der Sportartikelhersteller Adidas ihm Millionen zukommen, damit er die Schuhe mit den drei Streifen in die Kamera hält. Ein Bild von Özils Stollen, und schon strömen Jungs auf der ganzen Welt in die Läden. Solche Begehrlichkeiten vermag nur eine Handvoll Spieler zu wecken. Cristiano Ronaldo an erster Stelle, mit 32o Millionen Fans, gefolgt von Neymar und Messi (knapp 200 Millionen Anhänger). Dann kommen schon der Kolumbianer James Rodriguez, der Spanier Iniesta und eben Özil. Der nächste Deutsche, der in den Rankings auftaucht, ist Toni Kroos, mit halb so vielen Fans wie Özil. den Ruhm der Marke zu mehren.  

Darum postet Ozil auf Englisch, gelegentlich auch auf Deutsch oder Türkisch. Er schickt ein Video mit einem Neujahrsgruß auf Chinesisch an seine Fans im Reich der Mitte und wünscht den Indern ein schönes Lichterfest, einer der bedeutendsten Feiertage der Hindus. Der Mix muss stimmen. So funktioniert die globale Ökonomie. Über Jahre hat Özil sein Profil nach diesen Gesetzmäßigkeiten aufgebaut, besser: aufbauen lassen. 

Das Internet ist wie geschaffen für Özil, dem der öffentliche Auftritt überhaupt nicht liegt. „Sobald du eine Frage stellst, verfällt er in Schockstarre und stottert rum”, meckern Journalisten, die ihn interviewt haben. Auf Facebook und Twitter aber planen PR-Profis alles detailliert. Kein Post eines Fußballers geht ungeprüft in die Welt. Niemand äußert sich unbedacht. Ohne Beratung. Jedes Wort muss sitzen.

Nur will das Netz unentwegt mit Neuigkeiten gefüttert werden. Die Fans

Die Follower der Fußballstars wollen Tag für Tag unterhalten werden, die Werbepartner ihre Produkte sehen. Kein Sportler aber hat Zeit und Lust, ständig Selfies von sich zu schießen. Also werden die Bilder vorproduziert, drei, vier Stunden am Stück: Der Sportler fläzt sich auf der Couch, posiert mal draußen, mal drinnen, mal mit der Freundin oder mit Kumpels im Club. Dann hat er erst mal wieder Ruhe, während seine Fans glauben, ihrem Idol in Echtzeit zu folgen, wenn ihnen das Ganze in kleinen Häppchen serviert wird. Die Fans dauerhaft bei Laune zu halten ist freilich schwierig. Wer nie einen Hit landet, den straft Facebook irgendwann ab, dessen Tweets versenden sich im Nichts. Das nette Selfie aus der Kabine reicht nicht. Nach drei Tagen mit Fotos vom Training langweilen sich die Fans. Ein spannenderes Drehbuch muss her.

 

Manche Tweets, gerade die lustigen, angeblich spontanen, sind Monate im Voraus geplant. So wie ein Scharmützel, das sich Ozil mit der Polizei auf Twitter lieferte. Als Arsenal voriges Jahr überraschend ein Spiel gegen Stoke City verlor, ging ein Tweet der örtlichen Polizei um die Welt, die auf Twitter witzelte: „Looläng for a missing person, surname Ozil. Have you seen him?” Ozil, der schlecht gespielt hatte, ärgerte sich über den Gag der Polizei. Für das Rückspiel bereitete sein Team deshalb eine Retourkutsche vor. Arsenal habe sich die geraubten drei Punkte zurückgeholt, schrieb er in einem Tweet direkt nach dem Sieg. Die Polizei sei dabei keine Hilfe gewesen, man habe die Sache selbst in die Hand nehmen müssen. Auch diesen Tweet sahen Millionen.

 

Das alles mag wirken wie reiner Klamauk, folgt aber einer kühl kalkulierten Strategie der Köpfe hinter der Marke Özil: der Bruch mit Deutschland und die Hinwendung zur für ihn wichtigeren Zielgruppe, den Muslimen in aller Welt, für die er dadurch erst recht zum Helden wird. „Sie reißen alle Brücken nach Deutschland ab, lassen Mesut hierzulande den Märtyrertod sterben”, berichten Leute aus dem Umfeld des Fußballers, das Urteil trifft sich mit dem der Marketingexperten, für die sich somit eins zum anderen fügt: Özils Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan.

 Seine Attacken gegen den DFB, der Rassismus-Vorwurf gegen die Deutschen im Allgemeinen und gegen Fußball-Funktionär Reinhard Grindel im Speziellen. Auch die Seitenhiebe gegen den langjährigen Sponsor Daimler passen in dieses Raster. Sicher ist: Wer 70 Millionen Follower hat, weiß, was er da tut. 

Nur: Ist es wirklich Özil, der hier spricht? Der Spieler war sicherlich verletzt und enttäuscht; von sich, der Mannschaft, der ganzen verkorksten WM. Der Ton seiner Abrechnung aber passt zu Özils Manager Erkut Sögüt, der dabei ist, die Marke Ozil international neu auszurichten. Sögüt, ein Deutschtürke aus Hannover, hat Jura studiert, dann in Osnabrück promoviert. Er lebt seit einigen Jahren in London, betreibt dort eine Kanzlei und eine Sportler-Agentur (Family and Football).

 

Neben Ozil betreut er die Nationalspieler Gündogan und Mustafi. Die Vermarktung der Sportler ist ein großes deutschtürkisches Familien-Business. Mutlu Ozil wirkt daran mit, der Bruder von Mesut. Ebenso ein Cousin von Mustafi und ein Onkel von Gündogan. Zudem werkeln lauter Freunde von Ozil aus Gelsenkirchener Bolzplatz-Zeiten mit. Früher war Özils Vater der Strippenzieher hinter der Marke, doch die zwei haben sich vor Jahren überworfen.

Seither ist Erkut Sögüt der Kopf der Truppe, ihr Denker und Visionär. Er hat schon vor anderthalb Jahren in britischen Medien den Rassismus der Deutschen beklagt. „Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe mich aber nicht als Teil gesehen”, sagte er da mals. Er habe sich nie assimiliert. „Polen machen das, andere auch. Nicht aber wir Türken – wir können das nicht, weil unsere Kultur und Religion anders sind.” 

In Özils Tweet heißt es nun fast wortgleich: Er sei in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe sich aber nie als Teil gefühlt. Seine Freunde Miroslav Klose und Lukas Podolski seien nie als Deutsch-Polen angesehen worden. „Also warum bin ich ein Deutschtürke? Wegen der Türkei? Weil ich ein Muslim bin?” 

Der Tweet signalisiert allen: Özil braucht Deutschland nicht mehr, weder den DFB noch Werbepartner wie Daimler oder Adidas. Zwar stehen die Konzerne weiterhin hinter ihm, Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht keinen Grund, die Zusammenarbeit zu beenden, zumal sie nächstes Jahr eh ausläuft. Riskant ist die Markenstrategie trotzdem. So ist Vodafone bereits abgerückt, obschon der Werbeclip mit Özil und Hund Balboa schon produziert war. „Mit der Kampagne hätten wir in der massiven Diskussion im Netz nicht mehr durchdringen können”, erklärt der Konzern. Vodafone hat kein Interesse, in eine politische Debatte verwickelt zu werden. 

In der muslimischen Welt strahlt die Marke Mesut Özil hell wie nie. In seinem Haus in London hat der Fußballer eigens ein Zimmer orientalisch einrichten lassen. Dort lässt er sich am liebsten ablichten. Angeblich will er sich eine Moschee in seinem Garten bauen. Özils zweit-erfolgreichster Tweet aller Zeiten (gleich hinter dem Foto als glücklicher WM-Sieger) zeigt ihn als Gläubigen im weißen Gewand in Mekka. Das Bild erzielte 5o Millionen Clicks. Dahin zielt offenbar die Marke Özil. Seine Freundin Amine Gülse ist längst ein Star in der Türkei; als frühere Miss Turkey, Serien-Schauspielerin und Model. Die beiden werden die Beckhams des Orients, lautet die Prognose aus der Szene: Was juckt dann noch ein Herr Grindel?

FAS/FAZ 29 Juli 2018 – www.mesop.de