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Kritik der Vereinigten Staaten : Begeht China einen Genozid?

  • Von Friederike Böge, Peking FAZ  20.01.2021-17:31  – Uiguren in einem chinesischen Internierungslager im Jahr 2017 Bild: Human Rights Watch Umerziehungslager und Zwangssterilisationen: China geht hart gegen die ethnische Minderheit der Uiguren vor. Amerikas scheidender Außenminister spricht von einem Genozid. Was folgt daraus für Joe Biden?

Schon im vergangenen Sommer hatte die Regierung der Vereinigten Staaten erwogen, die Unterdrückung der Uiguren in China als „Genozid“ einzustufen. Präsident Donald Trump und seine Wirtschaftsberater aber äußerten Bedenken, wie es in amerikanischen Medien hieß.

Kurz vor dem Regierungswechsel teilte Außenminister Mike Pompeo aber dann mit, „nach sorgfältiger Überprüfung aller vorliegenden Fakten“ sei er zu dem Schluss gekommen, dass die Volksrepublik China „Genozid“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an Uiguren und anderen ethnischen und religiösen Minderheiten verübe. „Ich glaube, dass (. . .) wir Zeugen eines systematischen Versuchs des chinesischen Parteistaats sind, Uiguren zu zerstören.“ Zudem sprach Pompeo von „schlussendlicher Auslöschung“.

Wie reagiert die Biden-Administration darauf? Antony Blinken, designierter Außenminister, schloss sich Pompeos Einschätzung umgehend an. In einer Senatsanhörung sagte er, „das wäre auch meine Beurteilung“. Biden selbst hatte sich in dieser Frage früh festgelegt. Im August während des Wahlkampfs sagte sein Sprecher, es handle sich um „Genozid, und Joe Biden stellt sich in schärfster Form dagegen“.

Boykott der Olympischen Winterspiele?

Auch andere Regierungen dürften nach den Äußerungen Pompeos und seines Nachfolgers Blinken unter Druck geraten, sich zu dem Vorwurf des „Völkermords“ zu verhalten. Menschenrechtler verlangen dies schon seit längerem. Organisationen und Wissenschaftler, die sich der Erforschung und Verhinderung von Völkermorden verschrieben haben, hatten im September in einem offenen Brief die Einsetzung einer Untersuchungskommission durch den UN-Menschenrechtsrat gefordert. Jedoch dürfte es schwer werden, dort eine Mehrheit gegen China zu mobilisieren. Und selbst dann: Peking würde wohl kaum Ermittlern einen freien Zugang nach Xinjiang gewähren, also der Region, in der die ethnische Minderheit der Uiguren lebt. Einen Besuch der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte verhindert China Die chinesische Führung zeigt sich bislang weitgehend unbeeindruckt von der wachsenden Kritik an der Unterdrückung der Uiguren. Machthaber Xi Jinping bezeichnete das Vorgehen in Xinjiang vor wenigen Monaten als „absolut korrekt“ und als „Erfolg“. Die jüngsten Vorwürfe aus Washington nannte die dortige chinesische Botschaft „schlicht eine Lüge“.

Kritik aus dem Ausland ist China aber auch nicht egal. Das Land betreibt einen immensen Aufwand und mobilisiert international verbale Unterstützung für seine Xinjiang-Politik. Auch medial investiert das Land große Summen, um die Existenz seiner Umerziehungslager zu leugnen. China will unbedingt verhindern, dass der Genozid-Vorwurf den Boykottaufrufen gegen die Olympischen Winterspiele Aufwind geben könnte, die im kommenden Jahr in Peking und Umgebung stattfinden sollen.

Bemühungen von Menschenrechtlern und im Exil lebenden Uiguren, den Internationalen Strafgerichtshof zu Ermittlungen zu bewegen, blieben im vergangenen Jahr zunächst erfolglos. Chefanklägerin Fatou Bensouda erklärte das Gericht für nicht zuständig, da China kein Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ist.

In der relevanten UN-Konvention wird Völkermord als eine Handlung definiert, „die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Neben Tötungen fallen darunter auch „Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind“, „gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“ sowie „Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden“.

Geburtenrate sinkt um 60 Prozent

Pompeo verweist unter anderem auf „erzwungene Sterilisation“ und „die Trennung von Kindern von ihren Eltern“. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP gab es 2018 in Xinjiang fast achtmal so viele Sterilisationen wie im Rest des Landes. In Interviews berichteten uigurische Frauen der Nachrichtenagentur, dass sie zur Sterilisation gezwungen worden seien, andere sprachen von horrenden Geldbußen und der Internierung zur Strafe für „zu viele Kinder“. Solche Methoden sind nicht neu in China. Im Rahmen der Ein-Kind-Politik, die erst 2015 abgeschafft wurde, fielen zahllose Frauen in allen Teilen des Landes ihnen zum Opfer.

Die Zwangsmaßnahmen schlagen sich auch in der Geburtenrate nieder. In den mehrheitlich von Uiguren bewohnten Bezirken Hotan und Kaschgar sei sie zwischen 2015 und 2018 um mehr als 60 Prozent zurückgegangen, berichtete AP. Peking begründete das vor wenigen Tagen mit veränderten Einstellungen bei Frauen im Zuge von Verstädterung.