MESOPOTAMIA NEWS : DIE ANTIRASSISTISCHE GESELLSCHAFT DER OBEREN LIBERALEN
Luxuriöses Apartment für Schwerreiche im Untergrundkomplex von Vivos in Deutschland. – Ab ins Ferienhaus oder gleich in den Luxus-Bunker – wohin Superreiche vor Corona fliehen
Superreiche weltweit nutzen ihre Möglichkeiten, sich und ihre Familien privilegiert in Schutz zu bringen. Für die normale Bevölkerung interessieren sie sich wenig – was oft zu Spannungen führt. In der Schweiz ist jedoch keine Bunkermentalität in Sicht.
Manuela Nyffenegger 22.04.2020, 15.17 Uhr NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
Eingesperrt in einer kleinen Wohnung, im Spagat zwischen Home Office und Home Schooling, mit schlaflosen Nächten wegen existenziellen Problemen durch die Coronavirus-Pandemie? Dies ist momentan der Alltag von Tausenden, ja Millionen Menschen weltweit. Für viele Superreiche ist die Realität jedoch eine ganz andere. Sie fliehen per Auto oder mit ihren Privatflugzeugen aus den Städten in ihre Feriendomizile auf dem Land – eine Million Pariser etwa sind zum Unmut der lokalen Bevölkerung in die französischen Atlantikinseln eingefallen. Andere Schwerreiche igeln sich sogar in privaten Bunkern auf der ganzen Welt ein. Das Geschäft mit den krisensicheren Schutzbauten boomt derzeit.
Mit Privatjet und Beatmungsgerät ins Ferienhaus
In den USA, wo die Kluft zwischen den Superreichen und den Tieflohn-Arbeitern schon vor der Pandemie riesig war, ist der Graben noch grösser geworden. Dies zeigt sich etwa in der Gegend mitten in der wilden Natur des Teton County im Gliedstaat Wyoming. Dank extrem tiefen Steuern hat die Region viele Begüterte angezogen – die einen leben hier ganzjährig, andere haben ein Ferienhaus gekauft. Gerade erlebt die Region um die Hauptstadt Jackson eine Invasion dieser Ferienhausbesitzer. Sie flüchten laut der «New York Times» vor der Pandemie aus New York und Kalifornien und fliegen scharenweise in ihren Privatjets ein.
Nicht lustig findet dies die ständige Bevölkerung. Ende März noch hatte der Gesundheitsverantwortliche des Countys dringend an die Ferienhausbesitzer appelliert, an ihren Wohnorten zu bleiben und nicht anzureisen – vergeblich. Wie man denn die offiziellen Anweisungen zum Social Distancing einhalten solle, wenn der Flughafen rappelvoll mit Menschen sei, fragt nun ein Flughafenmitarbeiter. Es sei beschämend, wie Leute den Ernst der Lage ignorierten. Und wie sollten sich die lokalen Arbeitnehmer, meist mit tiefen Einkommen, schützen? Sie, die in normalen Zeiten die vermögenden Gäste gerne bedienen und beliefern, haben derzeit Angst und stehen vor der Frage: Job und Krankenversicherung verlieren oder die Gesundheit riskieren? Auch fragen sie sich laut dem Bürgermeister von Jackson beunruhigt, ob die Betten im einzigen Spital des County im Ernstfall von den reichen Feriengästen belegt würden. Die Sorge ist nicht unbegründet, denn Superreiche zeigen oft wenig Sensibilität gegenüber der Bevölkerung. So stiess eine Anfrage eines Schwerreichen beim lokalen Arzt auf grosses Unverständnis. Der Gast war samt einem eigenen Beatmungsgerät eingeflogen und wollte nun, dass der Fachmann das Gerät auf Funktionstüchtigkeit überprüfe. Der Arzt hat konsterniert abgelehnt.
Superreiche haben jedoch noch ganz andere Möglichkeiten, sich vor der Pandemie zu schützen. Gerade erleben Anbieter von Bunkerbauten einen Boom, etwa die amerikanischen Firmen Rising S oder Vivos, die weltweit solche Schutzbauten errichten. Es gab zwar schon vor der Pandemie eine Nachfrage nach Bunkern – wegen Gefahren wie Kometeneinschlag, Atomkrieg, Bomben, Hurrikanen, Erdbeben, sozialen Unruhen oder Weltuntergangsängsten. Als 2017 immer mehr Menschen einen Krieg zwischen den USA und Nordkorea befürchteten, zog die Nachfrage laut Gary Lynch, Chef von Rising S, bereits an. Jetzt seien die Anfragen weiter gestiegen. Vor allem Bunker in Neuseeland, weit weg vom Rest der Welt, seien begehrt. Seine Kunden stammten meist aus dem Silicon Valley oder aus New York und seien fast durchwegs Konservative.
Rising S
Das Unternehmen aus Texas verkauft zum Wohnen ausgebaute Container, die tief in die Erde eingelassen werden und über Luftfilter gegen Viren geschützt sind. Das Angebot reicht von einem knapp 9 m2 kleinen Basismodell mit Einzelbett, Küche und Toilette für 39 000 Dollar bis zum Luxusangebot mit dem treffenden Namen Aristocat für mehr als 8 Millionen Dollar. Dafür erhält der Käufer einen ganzen Untergrund-Komplex mit 50 Schlafgelegenheiten, grossen Wohnräumen, Küche, Badezimmern sowie Sauna, Swimming Pool, Fitnesscenter und vielem mehr. Doch auch wer begehrte und rare medizinische Ausrüstung wie Schutzmasken benötigt und genügend Geld locker macht, wird laut Angaben auf der Webseite gerne bedient.
Die Firma Vivos, ein zweiter amerikanischer Anbieter von Schutzbauten, hat sich auf Netzwerke von Bunkern spezialisiert. Eine solche Bunker-Gemeinschaft liegt im Gliedstaat South Dakota und umfasst auf einer Fläche, die fast jener Manhattans entspricht, 575 Bunker. Die ehemalige Militärbasis am Fuss der Black Hills ist gut eingerichtet. So verspricht Vivos, jeder Bunker könne bequem zehn bis 24 Personen aufnehmen samt allen Vorräten, die es für ein Jahr Leben im Untergrund brauche.
Vivos XPoint, das Bunkernetzwerk in South Dakota, umfasst 575 einzelne Bunker.
Vivos
Auch Vivos operiert weltweit. In Deutschland hat die Firma in der Nähe von Jena mit Vivos Europa One ein luxuriöses Untergrundnetzwerk von 23 000 m2 Quadratmetern mit eigenem Anschluss an die Deutsche Bahn realisiert. Entlang von insgesamt fünf Kilometern Tunnel sind fünf Meter breite und gut vier Meter hohe Ausbuchtungen in den Fels gehauen worden, die 34 superreiche Familien beherbergen können. Etwa in einer Wohneinheit, die auf 465 m2 nicht nur die Wohnfläche, sondern auch Swimming Pool, Kino, Sauna und Spielzimmer umfasst – alles privat natürlich. Über die Preise erhält man nur als Mitglied von Vivos und nur auf Anfrage Auskunft. Einen Hinweis auf die Grössenordnung vermittelt die Webseite: Sie spricht von der «ultimativen Lebensversicherung für hochvermögende Familien». Wer wegen einer Krise anreise, soll vor dem Lockdown kommen und mit dem Privatjet auf dem nahen Flugplatz landen. Von dort werde er dann mit Vivos-Helikoptern zum Bunker geflogen.
Keine Nachfrage nach Bunkern in der Schweiz
Und in der Schweiz? Vergraben sich die vermögenden Schweizer etwa in alten Armee-Bunkern? Stehen sie beim Bundesamt für Rüstung (armasuisse) deswegen Schlange? Nein, es gebe keine gesteigerte Nachfrage nach alten Militärbunkern, erklärt armasuisse-Sprecher Kaj-Gunnar Sievert auf Anfrage der NZZ. Diese würden generell nicht zu Wohnzwecken verkauft, denn sie müssten gemäss der geltenden Bau- und Zonenordnungen der Kantone und Gemeinden genutzt werden. Diese sehen für Objekte ausserhalb der Wohnzone keine solche Nutzung vor.