MESOP WENDUNGEN : MARCUS PRETZELL (AfD) „UNSERE ZUKUNFT IST ISRAEL!“

PILGERFAHRT DER RECHTSPOPULISTEN NACH ISRAEL / EUROPAS NATIONALISTISCHE PARTEIEN UND TEILE DES ISRAELISCHEN LIKUDS NÄHERN SICH – ÜBER TRUMP & DEN ISLAM

Von Jochen Stahnke – FAZ  14 Febr 2017

JERUSALEM, 13. Februar. Auf einmal fing Marcus Pretzell auf dem Treffen der europäischen Rechtspopulisten in Koblenz an, von Israel zu sprechen. Wir haben ein Problem mit dem politischen Islam, in Deutschland, in Europa”, rief der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende Ende Januar in den Saal. „Es gibt ein Land, was schon Jahrzehnte längere Erfahrungen in dieser Frage hat — Israel ist unsere Zukunft, meine Damen und Herren!” Von Israel könne man lernen, wie man mit dem Islam umzugehen habe. Wie dieser Umgang aussehe, beschrieb Pretzell nicht. So schnell, wie er auf Israel gekommen war, so schnell wandte er sich wieder einem anderen Thema zu.

Mit ihrer demonstrativen Nähe zur gegenwärtigen israelischen Regierung versuchen sich viele rechtspopulistische Parteien in Europa gegen Antisemitismusvorwürfe koscher zu machen. Dazu gehören Reisen in das Land. Die populistischen Pilgerfahrer kommen regelmäßig:

Vor einem Jahr besuchte Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs, Israel auf Einladung eines Knesset-Abgeordneten des  Likuds. Ebenfalls 2016 reiste die AfD-Vorsitzende Frauke Petry zweimal in das Land und traf sich inoffiziell mit Vertretern des Likuds. Vor zwei Wochen besuchte der Generalsekretär des französischen Front National, Nicolas Bay, Israel. Er traf sich in Jerusalem mit dem Vorsitzenden der Likud-Jugendorganisation, David Shain, und anschließend mit Gesundheitsminister Yaakov Litzman. Fotos dieser Treffen und von seinem Besuch im Holocaustmuseum Yad Vashem verbreitete Bay auf Twitter. Der Likud-Jugendchef Shain und Gesundheitsminister Litzman teilten anschließend mit, von der Parteizugehörigkeit Bays erst nach dem Treffen mit ihm erfahren zu haben. Ende Januar schließlich besuchte der AfD-Pressesprecher Christian Lüth Israel — eine reine „Urlaubsreise”, auf die er wegen eines günstigen Flugpreises von neunzig Euro gekommen sei, sagte er dieser Zeitung.

Die größte israelische Regierungspartei Likud erwidert die Annäherungsversuche der Rechtspopulisten zögerlich und inoffiziell, aber stetig. Denn noch ein anderer Aspekt prägt das Verhältnis, und dieser trifft auf zunehmende Gegenseitigkeit. „Beim Likud gibt es einige, die sehr ähnlich denken wie Trump und ihre rechtsextremen europäischen Freunde”, sagt Shimon Shiffer, Leitartikler der Zeitung „Jediot Ahronot”. Vor allem handele es sich um’ die gemeinsame Skepsis gegenüber Muslimen und die Ablehnung des Islams, wie er mehrheitlich angeblich praktiziert wird. Das verbreite ein wachsender Teil der jüngeren Likud-Generation mittlerweile offen. „Vor zehn Jahren wären solche Treffen europäischer Rechtsextremer mit dem Likud undenkbar gewesen, ein absolutes Tabu”, sagt Shiffer. Heute fänden so regelmäßig Treffen statt, dass diese kaum noch Schlagzeilen bringen.

„Ich habe vor dem neuen rechten Flügel in Europa keine große Angst”, sagt ein Likud-Mann in der Knesset, der sich mit Frauke Petry in Israel getroffen hat und mit der AfD-Vorsitzenden in Telefonkontakt steht. „Die Welt dreht sich nach rechts, das finden wir gut — deshalb wäre es dumm, nicht mit den Rechten zu sprechen.” Der Likud-Mann sagt, es sei Zeit für einen „frischen Start”. „Wenn wir mit Holocaustleugnern wie (dem Palästinenserpräsidenten) Mahmud Abbas sprechen können, dann können wir das auch mit den Rechten in Europa.”

In einem Raum neben dem Sitzungssaal des israelischen Parlaments legt er seine Sicht dar: „Islamophobie akzeptiere ich, ich kann sie gut verstehen.” Die Mehrzahl der Muslime sowohl in Europa als auch in Israel vertrete Wertvorstellungen, die nicht kompatibel seien mit jenen des Westens. „Wenn es um die Sicherheit der eigenen Gesellschaft geht, dann kann man keine Risiken eingehen und Muslime aufnehmen”, sagt er. „Zuvor muss es so etwas wie eine Entnazifizierung im Islam gegeben haben.” Was Deutschland mit der Aufnahme von mehr als einer Million vorwiegend muslimischen Flüchtlingen getan habe, sei vollkommen naiv gewesen. Glücklicherweise sei die Zeit des grenzenlosen Europas vorüber, Europa besinne sich wieder auf die Nation. „Dass diese AfD-Frau (gemeint ist Beatrix von Storch) auf Flüchtlinge schießen lassen wollte — ich verstehe, wie sie es gemeint hat, es ist ein absolut berechtigtes Argument, die eigenen Grenzen um jeden Preis schützen zu wollen”, sagt der Likud-Mann. „Christen und Juden haben die Geschichte Europas geprägt und machen Europa aus — sorry, die Muslime gehören nicht dazu.”

Für die Antisemitismusforscherin Manuela Consonni von der Hebräischen Universität Jerusalem sind solche Äußerungen Alarmsignale. „Die jüngere politische Klasse der Rechten in Israel trägt die Last der Geschichte nicht mehr”, sagt die Professorin. Es gebe eine Blindheit gegenüber der eigenen Vergangenheit. Nur so sei die vermeintliche Überschneidung der eigenen Positionen mit denen der nationalistischen europäischen Parteien zu erklären. Sie folge dem Prinzip: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.” Dies sei sehr kurzsichtig: „Die Dämonisierung der  Muslime nährt auf lange Sicht die gleiche Grundursache wie den Antisemitismus —die Einteilung von Menschen nach Religion und Rasse allein aufgrund von Vorurteilen. Das Bedürfnis nach Reinheit und Homogenität, um uns gegen einen inneren Feind zu verteidigen, füttert eine gefährliche Hybris, die uns in die gewalttätigste und dunkelste Periode der Geschichte zurückführt.” Leider höre die israelische Regierung zunehmend auf die Radikalen im eigenen Lager, so die Antisemitismusforscherin. „Was heute in Amerika, in Europa, auch in Israel gesagt wird, das war vor wenigen Jahren undenkbar.”

Wenn es nach Eli Hazan geht, dann be-stimmen die Ultrarechten nicht die offizielle Linie in Israels größter Regierungspartei. Hazan ist der Direktor des Likuds für auswärtige Beziehungen. „Wir sind eine demokratische Partei, jeder im Likud kann jeden treffen und mit jedem telefonieren”, sagt er. „Aber über offizielle Treffen entscheide ich.” Israels Außenministerium hat eine schwarze Liste mit Personen, denen keinerlei offizielle Empfänge der Regierung zu gewähren seien. Darin stehen auch die meisten bekannten europäischen Rechtspopulisten. Im Likud gibt es eine solche Liste zwar nicht, sagt Hazan. Frauke Petry etwa versuche fortwährend, ein offizielles Treffen mit dem Likud zu erhalten. Trotzdem bekomme sie keines.

Der Präsident des Likud-Parteigerichts dagegen steht Europas Rechtspopulisten offener gegenüber. „Es gibt keinen logischen Grund, warum diese Parteien auf einer schwarzen Liste stehen”, sagte Michael Kleiner kürzlich dem „Jewish News Service”. Kleiner soll Vertreter der FPÖ und des Front National nach Israel eingeladen haben. Er sagte: „Diese Parteien sollten mindestens so wie andere europäische Parteien behandelt werden, mit denen wir Kontakt haben, eingeschlossen linke Parteien, die propalästinensisch und anti-israelisch sind.” Israels Präsident Reuven Rivlin indes, ebenfalls Likud-Mitglied, verurteilte das Treffen von Likud-Abgeordneten mit dem FPÖ-Chef Strache im vergangenen Jahr. Er sei „erstaunt über die offensichtliche Erosion unserer nationalen Ehre angesichts einer verrückten Union arglistiger Stimmen auf der extremen Rechten in Teilen von Europa”, sagte Israels Präsident, nachdem er von den Treffen erfahren hatte.

„Wir im Likud fühlen uns Merkels CDU nahe”, sagt Eli Hazan. „Und wEnn die CDU uns vor der AfD warnt, dann hören wir darauf.” Vergeblich habe der Likud im Herbst versucht, sich mit der Europäischen Volkspartei im Europaparlament zu assoziieren. Doch diese zog eine Zusammenarbeit mit der liberaleren israelischen Kadima-Partei vor. Der Likud schloss sich als Regionalpartner schließlich dem konservativen AKRE-Verbund an. Hazan sagt, der Likud habe seit seiner Gründung 1973 schon immer auf zwei Säulen geruht: „Auf der einen Seite die Nationalen, auf der anderen die Liberaleren.”

Für den Journalisten Shimon Shiffer haben die Radikalen mittlerweile den Likud übernommen. „Das ist eine Invasion gewesen, sie haben die Partei verändert.” Früher habe der Likud bürgerliche Interessen verfolgt und auch Vertreter gehabt, die einen Ausgleich mit den Palästinensern anstrebten. „Heute ist der Likud kaum mehr als eine nationalistische Siedlerpartei mit einem Parteichef Benjamin Netanjahu, der den israelischen Donald Trump spielt und immer wieder gegen Muslime gehetzt hat.” Selbst beim Antisemitismus habe die. Partei ihre Empfindlichkeit verloren, sagt Shiffer: „Der neue Präsident der Vereinigten Staaten erwähnt in einer offiziellen Erklärung zum Holocaust-Gedenktag den Massenmord an den Juden nicht —und unser Ministerpräsident Netanjahu zeigt sich kein bisschen irritiert.”

Dies lässt der Likud-Mann in der Knes-set nicht gelten. Jeder verdiene seine Chance, sagt er. „Aber beim Antisemitismus schauen wir ganz genau hin.” Die Rede des Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke etwa, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande” nannte, sei ein „guter Test” für die Partei gewesen. „Und sie hat versagt.” Kurz danach habe er Frauke Petry angerufen. „Petry sagte mir, ihr gefielen Höckes Worte auch nicht.” Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell haben Israel im vergangenen Jahr laut Petry aus einem „rein privaten Grund” besucht. „Wir haben uns mit denen getroffen”, berichtet der Likud-Mann. „Frauke Petry wirkte auf mich nicht intelligent, so als wüsste sie nicht, wohin sie eigentlich gehen will, welche Richtung ihre Partei nehmen soll. Sie will Freundin mit allen in ihrer Partei sein.” Er ziehe die Politik eines Heinz-Christian Strache vor, der die FPÖ von Antisemiten weitgehend befreit habe. Auch bevorzuge er die Positionen eines Geert Wilders. Der Niederländer, der selbst in Israel gelebt hat, wisse genau, was von Muslimen zu halten sei. Am Wochenende nannte Wilders den Islam „noch gefährlicher als den Nationalsozialismus”.

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