MESOP : SCHWERWIEGENDE MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN VON PYD ( YPG) IN WEST KURDISTAN / SYRIEN
„Willkürliche Verhaftungen, Folter, die blutige Unterdrückung oppositioneller Versammlungen, nie aufgeklärte Morde, den Einsatz von Kindersoldaten.“
HUMAN RIGHTS WATCH : HINTER DEM SCHUTZWALL DER KURDEN / Ein Bericht zur Menschenrechtslage von Michael Martens
FAZ – ISTANBUL, 20. Juni. (…) – Die PYD übt seit 2012 in drei mehrheitlich kurdisch besiedelten, territorial nicht miteinander verbundenen Gebieten im Norden Syriens die Macht aus. Das Assad-Regime hat sich von hier zurückgezogen, nur in der Stadt Qamischli in Nordostsyrien kontrolliert Damaskus noch einige zentrale Punkte und teilt sich die Macht mit den Kurden. Die PYD gilt als syrischer Zweig der PKK, also der Terrororganisation der türkischen Kurden.
Der bewaffnete Arm der PYD sind die „Volksschutzeinheiten”, die mit den Truppen des syrischen Diktators Baschar al Assad eine Art Nichtangriffspakt geschlossen haben und stattdessen radikale Islamisten bekämpfen. Zudem stehen der PYD eigene Polizeitruppen, die Asayisch, zur Verfügung.
Die Asayisch gehen auch gewaltsam gegen oppositionelle Kurden vor, die der Linie der PYD nicht folgen. Ein dieser Tage veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch” (HRW) belegt ausführlich Menschenrechtsverletzungen im Herrschaftsraum der PYD:
willkürliche Verhaftungen, Folter, die blutige Unterdrückung oppositioneller Versammlungen, nie aufgeklärte Morde, den Einsatz von Kindersoldaten. Doch der Bericht dokumentiert auch, dass die kurdische Herrschaft in Nordsyrien nicht nur dunkle Seiten hat. Im Vergleich zu dem Isis-Terror und zum Assad-Regime erscheint sie in dem Bericht sogar als das eindeutig geringere Übel.
Die Menschen-rechtsverletzungen der PYD seien zwar „ernst”, jedoch „weitaus weniger entsetzlich und umfassend”. Die Islamisten und das Assad-Regime sind, so der unausgesprochene Tenor, per se verbrecherisch, während in den Kurdengebieten Hoffnung auf Besserung besteht, da Menschen-rechtsverletzungen dort zwar Begleiterscheinung, aber nicht Wesensmerkmal der PYD-Herrschaft seien.
Das zeigt sich zunächst einmal daran, dass die HRW-Mitarbeiter überhaupt Zugang zu den PYD-Gebieten bekamen. In Isis-Gebieten wären Menschrechtler entführt, in Assads Machtbereich verhaftet worden, in Nordsyrien konnten sie dagegen unangemeldet Gefängnisse besuchen, ohne Aufpasser mit Gefangenen sprechen und Treffen mit Oppositionellen abhalten. Lokale Menschenrechtler und Anwälte bestätigen, dass auch sie Zugang zu Gefangenen haben. Die Berichterstatter sprachen auf dem Territorium der kurdischen Regionalregierung im Irak, wo sich etwa 180 000 kurdische Flüchtlinge aus Syrien aufhalten, mit geflohenen Kurden. Im Herrschaftsraum der PYD in Syrien trafen sie oppositionelle Politiker, Anwälte, Menschenrechtler, Journalisten, Gefangene sowie die Machthaber.
dem in der Türkei inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan, Barzani hingegen pflegt recht gute Beziehungen zur türkischen Regierung in Ankara Zwar gibt es laut HRW „keine schlüssigen Beweise” für die Behauptung, die PYD stecke hinter dem Verschwinden von Oppositionellen in Nordsyrien, doch sei es auffällig, dass die Behörden nie ernsthafte Untersuchungen zur Aufklärung solcher Fälle eingeleitet haben. HRW stellt zudem fest, die in Nordsyrien installierten „Volksgerichte” seien voreingenommen, zumal große Konfusion darüber herrsche, ob noch syrisches Recht oder schon der „Sozialpakt” gelte, eine Art Verfassung, die von der PYD oktroyiert wurde.
HRW erwähnt aber auch Positives: Die Todesstrafe wurde in der neuen Verfassung abgeschafft, internationale Menschenrechtskonventionen werden dagegen ausdrücklich als deren integraler Bestandteil bezeichnet. Es gibt eine umfassende Frauenquote von „mindestens 40 Prozent” (zum Beispiel im zu wählenden Parlament), von der Scharia ist in der Verfassung nirgends die Rede. Beteuerungen eines Polizeisprechers, man bestrafe Polizisten bei Fehlverhalten, wurden zumindest in einem besonders schweren Fall beglaubigt: Hinterbliebene eines Folteropfers bestätigten, dass der Peiniger eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten habe. Insgesamt bezeichnet HRW die Haftbedingungen in den besichtigten Gefängnissen als „angemessen”. Kriegsgefangenenlager durfte HRW allerdings nicht inspizieren. Ob die Behauptung eines Sprechers der „Yolksschutzeinheiten”, gefangene Islamisten würden nach den Genfer Konventionen behandelt, zutreffend ist, lässt sich daher nicht beurteilen. Die Weigerung, auch nur die Standorte der Gefangenenlager anzugeben, macht zumindest stutzig.
Den Vorwurf, Kindersoldaten an Kontrollpunkten und als Boten einzusetzen, haben die Einheiten dagegen inzwischen eingestanden. Zu Beginn des Aufstands gegen Assad habe es sich nicht vermeiden lassen, auch minderjährige Freiwillige einzusetzen, doch sehe man ein, dass deren Einsatz „unakzeptabel” sei. Laut den neuen Einsatzrichtlinien müssen Kämpfer nun mindestens 18 Jahre alt sein. HRW traf aber noch im Januar 2014 Jungen und Mädchen an Kontrollpunkten an, die jünger waren – und stolz versicherten, sich freiwillig gemeldet zu haben.
FAZ 21. Juni 2014 – Seite 7