MESOP : PUTIN, ERDOGAN & NETANJAHU & US WENDEN SICH ASSAD ZU

Die Türkei wendet sich Asad zu

von Inga Rogg, Istanbul 14.7.2016, 06:00 Uhr – NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

Die türkische Regierung will auch in Syrien ein neues Kapitel aufschlagen, wie zuvor gegenüber Israel und Russland. Dabei geht es nicht zuletzt um die Kurden.

Erdogan möchte möglichst gute Beziehungen zu Damaskus

Auf echte Hilfe von den Amerikanern – von den Europäern ganz zu schweigen – können die syrischen Rebellen seit längerem nicht mehr zählen. Aber ein Verbündeter stand ihnen bisher unverbrüchlich zur Seite: die Türkei. Doch damit ist es jetzt wohl vorbei. Nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan das Land mit seinem aussenpolitischen Kurs zunehmend isoliert hatte, hat er jetzt die Weichen für einen radikalen Kurswechsel gestellt.

Ende Juni beendete Ankara die jahrelange Eiszeit mit Israel. Mit einer Entschuldigung gegenüber Russland für den Abschuss einer russischen Militärmaschine bereitete Erdogan gleichzeitig den Boden für eine Wiederannäherung an Moskau. Auch das angespannte Verhältnis mit Iran will Ankara kitten. In diese Serie reihte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim am Mittwoch auch den Irak und Syrien. «Wir haben unsere Beziehungen mit Russland und Israel normalisiert», sagte Yildirim. «Ich bin mir sicher, wir werden auch unsere Beziehungen mit Syrien normalisieren.»

Syrien sei der Dreh- und Angelpunkt, wenn Ankara das Verhältnis mit Russland und Iran verbessern wolle, sagt Özgür Ünlühisarcikli, Direktor des German Marshall Fund in Ankara. Yildirim begründete den Schritt mit dem Kampf gegen den Terror. Dieser könne nur gewonnen werden, wenn in Syrien und im Irak wieder Stabilität herrsche. Spätestens der Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen hat deutlich gemacht, wie gross die Gefahr des Islamischen Staats (IS) inzwischen auch in der Türkei ist. Frankreich hat aus Angst vor Anschlägen am Mittwoch seine diplomatischen Vertretungen in Ankara und Istanbul «bis auf weiteres» geschlossen. Als mindestens so grossen Feind wie den IS betrachtet die Regierung die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der sie im Südosten nicht Herr wird, derweil der PKK-Ableger in Syrien immer stärker wird.

«Die Türkei musste eine Wahl treffen: Entweder sie akzeptiert einen PKK-Ministaat in Syrien, oder sie arrangiert sich mit Asad», sagt Ünlühisarcikli. Im Kurden-Konflikt sieht auch Akin Ünver von der angesehen Kadir-Has-Universität einen Grund für die Neuausrichtung. «Die Regierung versucht sich von aussenpolitischen Zerwürfnissen zu entlasten, um sich auf die kurdische Frage zu Hause zu konzentrieren», sagt Ünver. Noch ist unklar, was dies für die Asad-Gegner bedeutet. Ünver geht davon aus, dass Ankara die Finanzierung einstellt. Dass Erdogan die Forderung nach Asads Ablösung ganz aufgibt, glaubt Ünlühisarcikli nicht. «Aber die Türkei nähert sich der russischen Position an.» Das würde bedeuten, dass Asad eine Übergangszeit an der Macht bleibt.  http://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/krieg-in-syrien-die-tuerkei-wendet-sich-asad-zu-ld.105640