MESOP NEWS REPORT : IDENTITÄRES ISRAEL ! / “JUDENTUM ALS WERT AN SICH“! / ABSCHIEBUNG VON FLÜCHTLINGEN – AYELET SHAKED – Die Stimme der AfD in Israel

  • „DIE PREUSSEN KLEINASIENS“ (AXEL SPRINGER) –

Kopf hoch, Zionisten ! – Die israelische Justizministerin greift die Richterschaft an / Von Jochen Stahnke

TEL AVIV, 30. August. Ayelet Shaked spricht stets so kühl, klar und kalkuliert, dass sie seit langem den Spitznamen „Computer” trägt. Israels Justizministerin hat sich öffentlich noch nie zu großen Emotionen hinreißen lassen, hebt selten überhaupt die Stimme, und so gehört das, was sie am Montagabend sagte, zu ihrer langfristigen Strategie. „Der Zionismus wird nicht weiter seinen Kopf beugen vor einem universalen System der individuellen Rechte”, sagte Shaked auf einer Veranstaltung der israelischen Anwaltskammer in Tel Aviv. Sie griff das Justizwesen scharf an. Israels Verfassungsrichter würden wie in einem Traum operieren und ein „utopisches universelles Weltbild” umsetzen, welches „Individualrechte bis zu einem extremen Grad schützt und aufhört, am Kampf um das Überleben Israels mitzuwirken”, so die Justizministerin.

Jüngster Auslöser ihrer Kritik war eine Entscheidung des Obersten Gerichts, nach der Asylbewerber zwar generell in die Vertragsstaaten Ruanda und Uganda abgeschoben, jedoch nicht mehr als zwei Monate lang inhaftiert werden dürfen, sollten sie sich einer Abschiebung in diese Staaten verweigern. Shaked warf den obersten Richtern vor, die jüdische Mehrheit in Israel und die israelische Demographie nicht ausreichend zu berücksichtigen und „als Wert an sich zu begreifen”. Seit langem sind ad die Richter ein Dorn im Auge, die immer wieder Gesetzesvorhaben der Regierung für verfassungswidrig erklärten und mehrheitlich liberale Ansätze vertreten, die wiederum einer Mehrheit des israelischen Wählerwillens nicht entsprechen. Wiederholt hat die Präsidentin des Verfassungsgerichts Shaked vorgeworfen, die Zusammensetzung der Richter am Obersten Gericht zu beeinflussen.

Shaked treibt den Umbau der israelischen Gesetzgebung hin zu einer nationalen und kollektivistischen Versicherung des jüdischen Volkes voran. Sie bedient sich dabei keiner billigen Provokationen wie ihre Parteigenossen, wedelt nicht mit der israelischen Flagge auf palästinensischem Boden oder betet auf Grund, der auch Muslimen heilig ist. Die mittlerweile prominenteste Politikerin der nationalreligiösen Siedlerpartei ist selbst nicht einmal religiös und lebt auch nicht in einer Siedlung, sondern im weltoffenen Tel Aviv. Dort bezeichnete sie jetzt ein kürzlich vom israelischen Parlament in erster Lesung angenommenes neues Grundgesetz, das Israel als den „Nationalstaat des jüdischen Volkes” definiert, als eine „moralische und politische Revolution”.

Der vom regierenden Likud eingebrachte und auch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unterstützte Gesetzentwurf lässt ausschließlich für Juden ein „Recht auf nationale Selbstbestimmung” gelten und stuft den Status des Arabischen von einer offiziellen zu einer Sprache mit speziellem Status herunter. In Israel leben mehr als zwanzig Prozent Nichtjuden, vor allem Palästinenser mit israelischem Pass, Beduinen und Christen. Shaked sagte nun, in Galiläa, wo besonders viele palästinensischstämmige Israelis leben, müsse die Zahl der Juden erhöht werden. Einige Anwälte unterbrachen die Rede der Justizministerin. Sie riefen, Shaked sei es zu verdanken, dass in Israel nun Apartheid existiere. Die Justizministerin erwiderte ruhig, ihre Gegner „glauben, dass ein Grundgesetz, das unsere nationalen und zionistischen Werte hervorhebt, uns weniger demokratisch machen würde — ich hingegen sehe die von der Knesset anerkannten Individualrechte als absolute Wahrheit an, und ich sehe außerdem unsere nationalen und zionistischen Werte als absolute Wahrheit an”.

Die Gegner eines befürchteten volksgemeinschaftlich-nationalistischen Umbaus Israels argumentieren, dass das eingebrachte neue Grundgesetz der israelischen Unabhängigkeitserklärung direkt widerspricht. Das Gründungsdokument verbrieft den Wert der Gleichheit als höchstes Ziel bei dem gleichzeitigen Aufbau Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes. Die frühere Außenministerin, Justizministerin und Vorsitzende der Hatnua-Partei Tzipi Livni nannte das neue Gesetz einen »Totenschein unserer Unabhängigkeitserklärung”. Sie warnte vor einer Aushöhlung der Demokratie. Am Dienstag erwiderte Livni auf Shakeds Äußerung, dass sich der Zionismus nicht den Menschenrechten beuge: „Er hebt seinen Kopf stolz in die Höhe, weil der Schutz der Menschenrechte die Essenz des Judentums und Teil der israelischen Werte als jüdischer und demokratischer Staat ist.” Der frühere Justizminister Jossi Beilin zeigte sich fassungslos über Shaked. Es sei undenkbar, dass eine amtierende israelische Justizministerin so sprechen könne, sagte Beilin im Radio. „Im Endeffekt sagte sie: ,Wenn auf der einen Seite Zionismus ist und auf der anderen die Menschenrechte, dann vergiss die Menschenrechte.'”

Shaked ist keine Juristin, sondern Informatikerin. Gleichwohl legte sie vergangenes Jahr in einem umfassenden Manifest ihre Auffassung des israelischen Rechtsstaates dar, in dem ihrer Ansicht nach von den „nationalistischen Elementen in den biblischen Geschichten” nach der Staatsgründung lediglich „folkloristischer Gebrauch” gemacht worden sei. In ihrem Papier macht Shaked einen Gegensatz zwischen dem Jüdischen und dem Europäischen auf: Israel sei als neue Kreation, als westliches Modell in die Levante importiert worden, dessen Grundlage in der Schriften Platons, Mills, Hobbes’ und ( Rousseaus liege. „Nach dieser verfehlten Einstellung erhielten wir die Tora auf dem Berg Sinai — und den demokratischen Staat aus Europa”, schreibt Shaked. Es sei an der Zeit, den jüdischen Charakter auch ins Grundgesetz zu weben. Je jüdischer der Staat, desto demokratisch werde er.

www.mesop.de –  FAZ 31 August 2017