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LORENZ JÄGER : LEVINAS DEKONSTRUIERT VERTRAUTE RÄUME

(Lorenz Jäger, langjähriger Chef des Ressorts Geisteswissenschaften der FAZ)

Die Dinge liegen auf der Hand, wenn man sieht, von wie weit her sie kommen. Die letzte handschriftliche Bot­schaft Martin Heideggers vom 24. Mai 1976, zwei Tage vor seinem Tod, ging an den Theologen Bernhard Wette, dem Heideggers Heimatstadt Messkirch die Ehrenbürger-würde verlieh. Sie endet mit den Worten: »Denn es bedarf der Besinnung, ob und wie im Zeitalter der technisierten gleichförmigen Weltzivilisation noch Heimat sein kann.«

Das war damals Sorge, heute ist es Angst. Sie wird uns nicht mehr verlassen. Darf man nach dem Willen fragen, der es vorbereitet hat? Emmanuel Levinas, der noch vor 1933 in Freiburg Husserl und Heidegger gehört hatte, schrieb nach Juri Gagarins erstem Weltraumflug 1961 einige Gedanken nieder, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen.

Die Heimat an sich ist das Falsche, fast schon das Verbrechen selbst: »Das Eingepflanztsein in eine Landschaft, die Verbundenheit mit dem Ort, ohne den das Universum bedeutungslos würde und kaum existierte — eben dies ist die Spaltung der Menschheit in Einheimische und Fremde.«

Das Lokalkolorit der sesshaften Kultur gilt es abzustreifen, mitsamt allen Partikularismen, denn man müsste, sagt Levinas, »unterentwickelt sein, um sie als Daseinsgründe zu beanspruchen und in ihrem Namen um einen Platz in der moderne Welt zu kämpfen«.

Das ist die Botschaft von Gagarin Weltraumflug: »Was vielleicht mehr als alles andere zählt ist die Tatsache, den Ort verlassen zu haben. Eine Stunde hat ein Mensch außerhalb jedes Horizonts existiert — alles um ihn herum war Himmel, oder genauer, alles war geometrischer Raum. Ein Mensch existiert im Absoluten des homogenen Raums.« (Emmanuel Levinas, »Heidegge Gagarin et nous«, in: Information juive, Heft 131, Juni—Juli 1961. Aus dem Französischen übersetzt von Ev Moldenhauer, zitiert nach http://botschaftenausdemgehaeu blogspot.de/2014/03/heidegger-gagarin-und-wir.htm

Hier spricht der Wahnsinn, der heute die höchst Anerkennung genießt.

  • Zitat Levinas aus „Jewish Christian Relations“: Obwohl Levinas selbst nicht nach Israel übersiedelte, war er ein glühender Verfechter der Rückkehr des jüdischen Volkes nach Israel und sah darin eine fantastische Chance zur Regeneration jüdischen Denkens und Glaubens.

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