MESOP NEWS CULTURE : DIE SYRISCHE HOCHZEIT – WIE EINE FBI AGENTIN SICH IN DENIS CUSPERT VERLIEBTE –

Von Alexander Haneke – :    Es klang nach einem Husarenstück der Spionagearbeit. Dem FBI sei es gelungen, eine Agentin in das engste Umfeld eines ranghohen Mitglieds der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) nach Syrien einzuschleusen. Die Frau habe es geschafft, den Dschihadisten zu verführen und nach islamischem Ritus zu heiraten. Das berichtete im Februar 2015 die Zeitung „Bild am Sonntag” unter Berufung auf „deutsche und amerikanische Sicherheitskreise”. Die Agentin habe wichtige Informationen aus dem Innenleben des IS geliefert und sei später wieder aus Syrien geflohen. Der ranghohe IS-Mann, den sie ausgeforscht habe, war aus deutscher Sicht nicht irgendwer: Es handelte sich um den früheren Rapper Denis Cuspert alias Deso Dogg aus Berlin, den die deutschen Verfassungsschutzbehörden als führenden deutschsprachigen Propagandisten des IS bezeichnen.

Doch die Geschichte, die die Sicherheitsbehörden mit einem sehr eigenen Dreh als geglückte Liebesfalle an die Presse lancierten, hatte offenbar einen für die amerikanischen Ermittler deutlich unrühmlicheren Hintergrund. In dem Bericht der „Bild am Sonntag” klang bereits an, dass deutsche Quellen vermuteten, die Agentin habe sich tatsächlich in Cuspert verliebt. Nun berichtete der Fernsehsender CNN unter Berufung auf Prozessakten eines Washingtoner Bezirksgerichts, dass diese als FBI-Mitarbeiterin im Jahr 2014 auf eigene Faust nach Syrien gereist sei, um Cuspert zu heiraten. Und das nicht etwa, um als Spionin den Dschihadisten und die Führungsstrukturen, der Terrormiliz auszuforschen, sondern um ihn vor der Überwachung zu warnen.

Cuspert, der als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers in Berlin aufwuchs, hatte einst unter dem Namen Deso Dogg als Gangsterrapper einigen Erfolg. Schon damals war er als Frauenheld bekannt; er soll mindestens drei Kinder mit drei verschiedenen Frauen haben. 2010 geriet er in den Dunstkreis des salafistischen Predigers Pierre Vogel und bekannte sich fortan zum fundamentalistischen Islam. Cuspert wurde bald von den Sicherheitsbehörden beobachtet, konnte sich aber 2012 erst nach Ägypten und schließlich nach Syrien absetzen. Von dort sang er fortan als „Abu Talha al Almani” über das Internet Hymnen auf den Dschihad. Ein Propagandavideo des IS, das 2014 verbreitet wurde, zeigt ihn bei der Erschießung eines Gefangenen. Mehrmals wurde der Tod Cusperts gemeldet, zuletzt berichtete das amerikanische Vereinigungsministerium im Oktober 2015, er sei bei einem Luftangriff nahe Raqqa ums Leben gekommen. Doch im vergangenen Sommer 2016 teilte der Berliner Verfassungsschutz mit, dass Cusperts Tod nicht bestätigt werden könne. Auch die Amerikaner erklärten kurz darauf, Cuspert habe den Angriff offenbar überlebt.

Die FBI-Mitarbeiterin, die in der heutigen Tschechischen Republik geboren wurde, wuchs dem Bericht nach in Deutschland auf und zog in die Vereinigten Staaten, nachdem sie einen amerikanischen Soldaten geheiratet hatte. Sie studierte Geschichte und wurde 2011 vom FBI als Linguistin angestellt. Eine Position, für die sie eine strenge Sicherheitsüberprüfung durchlaufen musste. Anschließend erhielt sie Zugang zu geheimen Informationen. Wegen ihrer Deutschkenntnisse wurde sie im Januar 2014 auf Cuspert angesetzt. Sie fand verschiedene von Cuspert genutzte Profile in sozialen Netzwerken und Telefonnummern. Heimlich nahm sie offenbar über einen weiteren Account Kontakt zu ihm auf. Zu dieser Zeit, im Frühjahr 2014, verbreitete der IS ein Video, in dem Cuspert dem IS-Führer Abu Bakr al Bagdadi Gefolgschaft schwor. Anfang Juni teilte die Agentin ihrem Arbeitgeber, dem sie jede Auslands-reise anzeigen musste, mit, sie wolle ihre Familie in Deutschland besuchen. Doch sie flog nicht nach München, sondern nach Istanbul. Von dort ging es nach Gaziantep nahe der syrischen Grenze, wo sie Cuspert laut den Gerichtsakten kontaktierte, der ihr die Schleusung über die Grenze organisierte und sie dann nach islamischem Ritus heiratete.

Sehr bald schrieb sie jedoch in einer E-Mail an eine namentlich nicht genannte Person in den Vereinigten Staaten, dass sie nicht mehr gewusst habe, was sie tun sollte, und Mist gebaut habe. Wann genau ihr Arbeitgeber von ihrer Reise erfuhr, geht aus den zitierten Gerichtsakten nicht hervor. Erst Anfang August 2014 wurde sie zur Fahndung ausgeschrieben. Etwa um diese Zeit gelang es der Frau, aus dem IS-Umfeld und dem Bürgerkriegsland zu fliehen. Sie kehrte nach Amerika zurück, wo sie am 8. August 2014 festgenommen wurde. Das Verfahren wurde wegen der Gefährdung von Personen und Ermittlungen geheim geführt. Die Erkenntnisse, die die Frau in Syrien erlangt hatte, könnten aber sehr aufschlussreich gewesen sein. Jedenfalls wurde sie noch 2014 zu einer vergleichsweise milden Strafe von zwei Jahren Haft verurteilt. Kurze Zeit später wurde Cuspert sowohl von den Vereinten Nationen als auch von den Amerikanern auf deren Terrorlisten gesetzt. Das FBI teilte CNN nach Bekanntwerden der wahren Hintergründe der Syrien-Reise ihrer Mitarbeiterin immerhin mit, es seien „verschiedene Schritte” unternommen worden, um Sicherheitslücken zu erkennen und zu reduzieren”.

FAZ 4 Mai 2017 – Seite 3

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