MESOP NEWS „BERLIN WILL DIGITALEN RAUM DER UNFREIHEIT“ / HERRSCHAFT SICHERT SICH AB / DIE DEBATTENPOLIZEI – Von Hendrik Wieduwilt (FAZ)

Heiko Maas (Der 1. Feministische Minister Deutschland) & Frau Schwesig wollen kontrollierte Sprache als Neusprech / Der GROSSE BRUDER  ist heute die GROSSE SCHWESTER

Endlich, die Zahlen sind schlecht: Facebook löscht zu wenig strafbare Beiträge, das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung zu Jahresbeginn, und darauf hat der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nur gewartet: Er präsentierte in Berlin einen Gesetzentwurf, mit dem er sozialen Netzwerken neue Berichts, Organisationsund Löschpflichten auferlegen will — mit der Androhung von Bußgeldern in Millionenhöhe. Der Staat schwingt also die große Keule.

Facebook ist 13 Jahre alt, jünger als die allermeisten seiner Nutzer. Davon gibt es inzwischen knapp 30 Millionen in Deutschland, auf der Welt sogar mehr als eine Milliarde. Für viele Menschen ist Facebook ein relevanter Kommunikationsraum. Alle Schichten sind dort aktiv.

Nun soll das Netzwerk vierteljährlich Angaben über sein Beschwerdemanagement machen, welche Anstrengungen es gegen Beleidigung, Volksverhetzung und andere strafbare Äußerungen unternimmt, die Anzahl der Beschwerden, die personelle Ausstattung der Beschwerdestellen, wie kompetent die einzelnen Angestellten sind, wie oft, warum und wie schnell gelöscht wurde. Den Bericht muss das Unternehmen auf die eigene Homepage stellen (und sich für seine Tätigkeit schämen, aber das steht so nicht wörtlich im Entwurf).

„Offensichtlich” rechtswidrige Inhalte müssen künftig in 24 Stunden gelöscht werden, nicht „offensichtlich rechtswidrige” in 7 Tagen. Aber was ist „nicht offensichtlich” rechtswidrig?

Hier öffnet sich ein weites Feld für Interpretationen und Eingriffe jeder Art. Schon das zeigt: Die Absichten dieses Gesetzes reichen deutlich weiter. Ausführlich nimmt der Entwurf auf die „Debattenkultur” und einen veränderten „gesellschaftlichen Diskurs” Bezug. Die Rolle der Debattenpolizei kennt das Grundgesetz aber aus guten Gründen nicht. Dem Justizminister geht es um viel mehr als Rechtsdurchsetzung, was man schon daran sieht, dass der staatliche Löschbefehl auch Fälle betrifft, in denen ein Staatsanwalt in der realen Welt überhaupt nicht tätig würde. Derzeit muss das Opfer einer Beleidigung nämlich die Strafverfolgung ausdrücklich beantragen. Der Rechtsgedanke: Das Volk verhält sich nun einmal bisweilen grob, da muss die Staatsgewalt nicht in jedem Fall von sich aus einschreiten. Künftig ist das anders: „Idiot” wird gesperrt oder gelöscht, sonst droht Facebook ein Bußgeld. Das angeblich rechtsfreie Internet wird dann strenger als das Leben.

Maas verlässt sich wohl drauf, dass die Öffentlichkeit unterschätzt, wie kompliziert die Abgrenzungen strafbarer und legaler Äußerungen sind. Im Äußerungsrecht ist kaum ein Fall „offensichtlich”. Schon das unaufgeforderte Duzen ist ein Grenzfall — ja, es  kann beleidigend sein, aber ein Gericht soll es Dieter Bohlen einmal gestattet haben, mit dem Argument, daß der POP-Musiker nun einmal jeden duze, ohne böse Absicht.

Solche Differenzierungen soll Facebook nun in Tagesfrist leisten, etwa 500 000 Mal im Jahr.

Die Konsequenz: Facebook wird im eigenen Interesse großzügig löschen, vor allem im Grenzbereich. Schon jetzt sind gerade Satiriker betroffen, sowie Menschen, die sich mit strafbaren Inhalten auseinandersetzen. Algorithmen und Angestellte differenzieren da wenig und machen Fehler. Aufgrund der hohen Fallzahl entsteht ein großer blinder Fleck. Und es droht Missbrauch: Manche Nutzer werden versuchen, Debatten durch gezielte Meldungen von Beiträgen zu beeinflussen. Der Effekt multipliziert sich, denn Facebook muss sogar Kopien der inkriminierten Inhalte löschen und soll durch einen „Filter” die nochmalige Eingabe verhindern. Eine Debatte wie beim Erdogan-Gedicht von Jan Böhmermann wird es daher gar nicht erst geben. Der beschwerliche, aber rechtsstaatliche Weg über die Gerichte erübrigt sich dann im digitalen Raum der Unfreiheit.

Um dem Vorwurf der Privatisierung des Rechts zu entgehen, sieht das Gesetz einen neuen Mechanismus vor. Es schafft eine Art Bundesmedienaufsicht in Gestalt des Bundesamts für Justiz. Diese Maas unterstellte Behörde in Bonn hat eigentlich nichts mit Medien zu tun. Sie soll aber künftig entscheiden, ob ein Inhalt gegen einen der unter dem diffusen Begriff „Hasskriminalität” zusammengefassten Straftatbestände wie Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung verstößt. Damit übernimmt sie Aufgaben, die mit denen der Landesmedienanstalten vergleichbar sind. Derlei ist den Ländern zugewiesen —zentralen Einfluss auf Medien sieht das Grundgesetz aus historischen Gründen nicht vor. Streitfälle in Bußgeldverfahren soll das Amtsgericht Bonn entscheiden. Soll künftig allen Ernstes eine von Maas beaufsichtigte Behörde und ein Amtsgericht darüber entscheiden, was auf Facebook gesagt werden darf? Man kann in dem Gesetz auch ein Misstrauensvotum gegen die Justiz sehen, die durchaus gegen Hassrede auf Facebook vorgehen kann — wenn man sie lässt.

Kritisch sieht das Gesetz die politisch bemerkenswerte Riege aus FDP, Linkspartei und AfD, aber auch „Reporter ohne Grenzen”. Grüne und Union und SPD überschlagen sich hingegen mit noch brachialeren Vorschlägen gegen das verhaßte Netzwerk aus Amerika.

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FAZ 17 März 2017