MESOP MIDEAST WATCH : USA erhält Kontrolle über S-400 von der Türkei – im Austausch für F-35-Kampfjets
Stand:01.09.2024, Von: Erkan Pehlivan– FRANKURTER RUNDSCHAU
Mit dem Erwerb des russischen S-400-Flugabwehrsystems hat die Türkei Probleme verursacht. Nun strebt Ankara an, sie loszuwerden. Doch das ist nicht so leicht.
Ankara – Die Türkei will ihr russisches Flugabwehrsystem S-400 loswerden. Nach einem Bericht der Cumhuriyet habe Ankara der US-Regierung einen Vorschlag diesbezüglich gemacht: „Lasst uns die S-400 in die Kisten einpacken und ihr bekommt die Kontrolle darüber“, sei die Offerte an Washington, schreibt das Blatt. Als Gegenleistung wolle die Türkei mehrere F-35 aus den USA. „Ein hochrangiger Beamter der US-Botschaft in Ankara, der von Cumhuriyet kontaktiert wurde, dementierte die Behauptungen nicht und sagte: Der Ball liegt jetzt im Feld der Türkei“, schreibt die Cumhuriyet weiter. Der Kauf des S-400 Luftabwehrsystems hatte mit den USA zu einer Krise geführt. 2018 verhängten die USA Sanktionen gegen die Türkei und suspendierten Ankara vom F-35-Programm. Das Land war zuvor an der Entwicklung des Kampfjets dabei gewesen.
Russland mit Kontrolle von türkischen S-400 nicht einverstanden
Moskau hätte allerdings Probleme damit, wenn die S-400 in Lagerhäusern in der Türkei verpackt sind und dort von den USA kontrolliert würden, glaubt der Moskauer Politikwissenschaftler Dr. Kerim Has im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA. „Ich halte es für unmöglich, dass die Türkei die Kontrolle der S-400 Systeme an die USA abgibt. Das würde Russland sehr verärgern. Schließlich ist auch die Türkei von Russland abhängig. Ankara bezieht einen großen Anteil ihres Erdgases aus Russland“.
Darf Türkei S-400 an Indien weiterverkaufen?
Doch hier könnte es eine für beide Seiten gesichtswahrende Alternative geben. „Auf der anderen Seite gäbe es da eine Zwischenlösung. „Russland verkauft ohnehin an Indien S-400 Systeme. Die Türkei könnte mit Zustimmung Russlands ihre S-400 Systeme an Indien verkaufen und so ihr Geld zurückbekommen. Zudem würden dann beide Seiten ihr Gesicht wahren können“, so Has. Dem Wissenschaftler zufolge hat Russland wegen des Ukraine-Krieges selber Bedarf an S-400 Systemen und bräuchte daher nicht zusätzliche System an Indien liefern.
Ankara dementiert Bericht über S-400 nicht
Auch der Sicherheitsexperte Özge Kilinc sieht es ähnlich. „Ich halte es für schwierig, dass die Türkei das S-400 System unter die Kontrolle der USA abgibt. Das wäre vermutlich auch ein Vertragsbruch, denn dort steht, wer die Raketen nutzen darf – und die USA ist es nicht“, so Kilinc im Gespräch mit unserer Redaktion. Allerdings weist Kilinc daraufhin, dass die Meldung von Cumhuriyet von der türkischen Regierung bislang nicht dementiert wurde.
USA nicht einverstanden über „Pseudo-Kontrolle“
Doch auch die USA dürften mit einer Kontrolle der Lagerhallen in der Türkei nicht einverstanden sein, in denen die S-400-Systeme gelagert seien. „Die USA wollen keine realitätsferne Pseude-Kontrolle über einen Hangar, wo die S400 Systeme deponiert sind, weil das keine dauerhafte Garantie wäre, nach dem die Türkei doch die F-35 Kampfjets kaufen darf“, sagt Kilinc. Die USA haben ein taktisches Interesse daran, dass die beiden gegenseitigen Systeme, F-35 und S-400, in gleicher Hand, auf gleichem Boden nicht verfügbar sind“.
Die Lage bleibt daher kompliziert. „Die Türkei hat sich mit der Anschaffung des S-400 Systems keinen Gefallen getan. Sie darf es nicht nutzen, zurückgeben und ihr Geld zurückbekommen geht auch nicht. Auch an Dritte darf es die S-400 Raketen nicht verkaufen – es sei denn, Russland gibt seine Zustimmung“, so Kilinc.
Türkische Luftwaffe braucht dringend Modernisierung
Die türkische Luftwaffe gilt als veraltet. Nach dem Rauswurf aus dem F-35-Programm haben die USA der Türkei jahrelang den Verkauf von modernen F-16 verweigert. Erst nach der Zustimmung der Türkei für den Beitritt von Finnland und Schweden in die Nato hat Washington grünes Licht zum Kauf von F-16 gegeben. Dennoch, das Nachbarland Griechenland bekommt F-35-Kampfjets sowie sowie moderne französische Kampfjets vom Typ Rafale, die den F-16 überlegen sind. Dadurch hat es gegenüber der Türkei einen deutlichen Vorteil in der Luft. Auch Serbien hat heute einen Deal mit Frankreich abgeschlossen und bekommt ebenfalls Rafale-Kampfflugzeuge. (erpe)