MESOP MIDEAST WATCH: Die nachhaltige Katastrophe für Syrien ist Assad

Der syrische Diktator Baschar al-Assad versucht mit allen Mitteln, das schreckliche Erdbeben auszunutzen, um die Isolation seines Regimes zu beenden. Yoni Ben Menachem  JEWISH NEWS SYNDICATE  15-2-23

Nach dem schweren Erdbeben, das vergangene Woche die Türkei und Syrien erschütterte, haben der syrische Präsident Baschar al-Assad und seine Frau Asma nicht nur ihre Medienpräsenz verringert, sondern verschwanden vollständig von der Bühne, obwohl Asma Assad die humanitären Organisationen in Syrien kontrolliert. Erst vier Tage nach der Katastrophe besuchten sie nach immer lauter werdender Kritik die von dem Beben betroffene Stadt Aleppo und trafen mit Verletzten in örtlichen Krankenhäusern zusammen.

Zugleich verzichtete der syrische Präsident darauf, den Notstand auszurufen oder das Land zum Katastrophengebiet zu erklären; ja, er erklärte nicht einmal einen nationalen Trauertag für die Tausenden getöteten Syrer. Es scheint, dass Assad, unter dem während des Bürgerkriegs Hunderttausende sunnitische Muslime ihr Leben ließen, auch von den geschätzten viertausend Erdbebenopfern nicht groß erschüttert wurde. Stattdessen versucht er, die internationale Aufmerksamkeit auszunutzen, um die Aufhebung der westlichen Sanktionen zu erreichen.

Wie der amerikanische Außenminister Antony Blinken mitteilte, hätten mehrere westliche Länder ihre Unterstützung angeboten, die Syrien jedoch abgelehnt habe. Assads Regierung stellte die Bedingung, dass jegliche Hilfe für die Bevölkerung über die Regierung laufen müsse, und zwar auch für Erdbebenopfer in jenen Gebieten, die nicht unter der Kontrolle des Regimes stehen. Am 10. Februar berichtete die Deutsche Welle, Assad habe »überraschend« zugestimmt, dass die Hilfe auch in Regionen fließt, die nicht unter staatlicher Kontrolle stehen, also in von Rebellen kontrollierte und kurdische Gebiete.

Die Regierung Biden reagierte darauf jedoch sehr vorsichtig, indem sie darauf besteht, die Hilfe direkt an die Bedürftigen in Syrien zu schicken und nicht über das korrupte Regime von Baschar al-Assad.

Diebstahl von Hilfsgütern

Einwohner Syriens berichten, dass ausländische Hilfsgüter aus arabischen und europäischen Ländern an den Flughäfen von Regierungsagenten entwendet und in einigen Fällen an Straßenecken verkauft werden. Unter dem Twitter-Hashtag #Assad_Loots_Aid wurde von Stapeln von Grundnahrungsmitteln mit der Aufschrift »nicht zum Weiterverkauf« oder von Fleisch, das von den Vereinigten Arabischen Emiraten gespendet wurde, berichtet, die auf der Straße verkauft wurden, weit weg von den durch das Erdbeben verwüsteten Gebieten.

Offizielle syrische Medien hingegen beschuldigten die internationale Gemeinschaft, die rechtmäßige syrische Regierung mittels der gegen das Regime verhängten Sanktionen an der Hilfeleistung für die Erdbebenopfer zu hindern. Syrische Prominente und Künstler starteten in den sozialen Medien eine Kampagne, in der sie die Aufhebung der Sanktionen fordern; eine altbekannte Taktik des Regimes, die es schon während des Höhepunkts der Corona-Pandemie angewendet hatte.

Assad ist auf der Suche nach internationaler Legitimität und behauptet, die amerikanischen und europäischen Sanktionen lähmten das Regime und hinderten es daran, die Opfer der Katastrophe wirksam zu versorgen. Dabei erließ das amerikanische Finanzministerium am 10. Februar eine sechsmonatige Ausnahmeregelung für Sanktionen, um die Bereitstellung von humanitärer Hilfe für Syrien zu erleichtern.

Vor dem Erdbeben lebten laut UN-Berichten 90 Prozent der Syrer unterhalb der Armutsgrenze und waren auf wirtschaftliche, medizinische und humanitäre Hilfe angewiesen. Rund 12,4 Millionen Menschen, etwa 60 Prozent der Bevölkerung, litten unter Ernährungsunsicherheit, die durch die Getreideknappheit aufgrund des Kriegs in der Ukraine noch verschlimmert wurde.

Die größte Gefahr für Syrien

Um die Sanktionen zu umgehen, hat das syrische Regime auf die wirtschaftliche Alternative eines groß angelegten Schmuggels und Drogenhandels, insbesondere mit der Droge Captagon, zurückgegriffen. General Maher al-Assad, der Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division der Armee, gilt als der größte Drogenhändler in Syrien. Captagon ist inzwischen der größte Exportartikel des Landes.

Zugleich leben die Syrer in schrecklicher Armut und leiden unter großem Medikamentenmangel. Etwa vier Millionen Menschen sind auf Hilfsgüter angewiesen, die nicht in das Erdbebengebiet gelangen können, weil die Zugangswege aufgrund von Schäden oder politischer Verbohrtheit geschlossen sind.

Einige muslimische Länder wie Ägypten, der Libanon, Jordanien und der Iran sowie europäische Staaten haben bereits Hilfsgüter nach Syrien geschickt, wobei unklar ist, ob sie die Bedürftigen erreichen werden, da das syrische Regime die am stärksten vom Erdbeben betroffenen Gouvernements Idlib und Aleppo nicht kontrolliert.

Das Erdbeben hat gezeigt, wie isoliert die Regierung sowohl aus arabischer als auch aus internationaler Sicht ist, während Präsident Assad verzweifelt versucht, die schreckliche Katastrophe für sich zu nutzen, nachdem er während des Bürgerkriegs etwa fünf Millionen syrische Bürger vertrieben hat.

Die Vereinigten Staaten und die Länder der Europäischen Union tun alles, was sie können, damit die Hilfe die Bedürftigen erreicht, aber Assad und sein korruptes Regime um ihn herum kontrollieren das Land, was eine der größten Tragödien des syrischen Volkes ist. So schlimm das Erbeben auch war, das mehrere tausend Menschenleben gefordert hat, die weitaus größere Gefahr für die Bürger Syriens ist die Fortsetzung der Herrschaft von Baschar al-Assad.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate.