MESOP CULTURE PORTRAIT: THE MOST TALENTED Mr. SOROS !

Er korrumpiert manchmal nicht nur, er kontrolliert auch Korruption – als Mehrheitssponsor von “Tranparency  International“

Investor George Soros – Der Milliardär und seine Mission

von Anja Jardine 12.5.2017,  (SCHLAGLICHTER)

Als Spekulant bewundert und verachtet, als Philanthrop verehrt und bekämpft. George Soros polarisiert die Menschen. Er hat es zu Reichtum und Einfluss gebracht; Regierungschefs empfangen ihn wie ihresgleichen. Doch sein größter Lebenswunsch wird unerfüllt bleiben.

Selbst was sein Auftreten anbelangt, scheiden sich die Geister: Er sei gerissen und clever, hart, kompliziert und unbeherrscht, kalt wie ein Fisch, sagen die einen. Überaus höflich, fast scheu, selten missmutig, charmant und nachdenklich, sagen die anderen. George Soros spricht Englisch mit leicht ungarischem Akzent, ist klein und robust gebaut, legt Wert auf gute Kleidung und trägt das wellige Haar kurz. Er wirke intellektuell wie ein Professor, athletisch wie ein Bademeister, heißt es. Heute, mit 87 Jahren, ist Soros von all dem etwas weniger, aber noch immer hellwach und geistig rege. Zu rege, finden manche.

 Soros hilft 60 NGOs

Zurzeit ist es sein Geburtsland Ungarn, das ihn als Feind identifiziert hat. Noch 1994 wurde ihm der Verdienstorden der Ungarischen Republik an die Brust geheftet, weil er für den Aufbau einer Zivilgesellschaft Jahr für Jahr Millionen spendete. Dieser Tage nun lässt Ministerpräsident Viktor Orban nichts unversucht, um Soros und seine Dollars loszuwerden. Immerhin 60 Nichtregierungsorganisationen werden von dem Milliardär unterstützt, darunter Transparency International – jene Organisation, die in Orbans Umfeld Fälle von unrechtmässiger Bereicherung aufgedeckt hat.

Den NGO wird das Leben seit geraumer Zeit schwergemacht, und nun hat die Regierung eine weitere Keimzelle oppositionellen Gedankenguts ins Visier genommen: Die von Soros gegründete renommierte Central European University in Budapest soll mithilfe eines neuen Hochschulgesetzes geschlossen werden.

Ungarns höchste Strafe

2008 gab es Spannungen aus einem anderen Grund: Ein Unternehmen der Soros Fund Management hatte mit 390’000 geliehenen Aktien auf Kursverluste der einstigen Landessparkasse OTP spekuliert und damit deren Aktien in den Keller geschickt. Die ungarische Finanzaufsicht verhängte die grösste Strafe ihrer Geschichte: 1,8 Milliarden Euro. Soros entschuldigte sich und erklärte, persönlich nicht in den Deal involviert gewesen zu sein; ganz im Gegenteil fordere er wegen solcher Vorfälle eine strengere Regulierung der Finanzmärkte.

So ist Soros. Kapitalismuskritiker und Börsenspekulant der Extraklasse. Ausnahmslos jedes Finanzinstrument hat er skrupellos eingesetzt und es laut «Forbes»-Liste 2016 zu einem Vermögen von 25 Milliarden US-Dollar gebracht. Sein Quantum Funds ist legendär. Die streng geheime Investmentpartnerschaft Superreicher, die zu sehr hohen Risiken bereit sind, um noch reicher zu werden, hat von der Gründung 1969 bis zur Umstrukturierung 2000 eine Jahresrendite von durchschnittlich 32 Prozent eingefahren. 1993 übertraf Soros’ Jahressalär die Bruttosozialprodukte von 42 Uno-Nationen, wie das Magazin «Financial World» damals feststellte.

in Jahr zuvor war Soros weltweit bekannt geworden als «der Mann, der die Bank von England knackte». Er hatte im grossen Stil gegen das britische Pfund gewettet, was die britische Regierung dazu zwang, aus dem Europäischen Währungssystem auszusteigen. Soros verdiente in jener Nacht eine Milliarde Dollar. Ein schlechtes Gewissen habe er deswegen nie gehabt, sagte er in diversen Interviews, «genauso wäre es auch gekommen, wenn ich nie geboren worden wäre. Das Pfund war überbewertet.»

Verwirrende Persönlichkeit

Nicht nur Soros’ Talent zum Geldmachen, auch seine Bereitschaft, es zu verschenken, verlangt nach Superlativen. Allein in Russland spendete er Ende der neunziger Jahre das Fünffache dessen, was die US-Regierung an Zuwendungen gewährte. Seine «Open Society Foundations» engagiert sich heute in über hundert Ländern für Pluralismus, Meinungsfreiheit und Bildung; 13 Milliarden US-Dollar sind seit 1979 in Tausende Projekte geflossen. «Staatsmann ohne Staat» nannte ihn der mazedonische Staatspräsident. Soros engagiert sich gegen den Golfkrieg und investiert in die Rüstungsindustrie. Man wird aus dem Milliardär nicht schlau. Das kann er gut verstehen. Er selbst habe es als die grösste Herausforderung seines Lebens empfunden, schreibt er in «Soros über Soros», die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit unter einen Hut zu bringen. «Doch heute fühle ich mich aus einem Guss.»

Geboren 1930 in Budapest als der jüngere von zwei Söhnen jüdischer Eltern, die mit ihrem Judentum nicht viel am Hut hatten, hadert er selbst lange mit seiner Religion. Sein Vater war ein Rechtsanwalt mit Hang zum Müssiggang, ein leidenschaftlicher Esperanto-Schriftsteller und Kaffeehauslöwe. Die Mutter eher der duldsame Typ. In der Schule ist George mittelmässig, aber sportlich und ein Raufbold – in der Erinnerung seiner Freunde ein normales Kind. Die Selbstwahrnehmung des Jungen jedoch war schon damals eine andere: Als Kind habe er «messianische Anwandlungen» gehabt, offenbart Soros 1987 in «Die Alchemie der Finanzen», das verstörende Gefühl, mit einem höheren Auftrag geboren worden zu sein.

Überhaupt habe er begonnen, intensiv über das Leben nachzudenken, kaum dass er sich seiner Existenz bewusst gewesen sei. Und mit Erschütterung festgestellt, dass es dem Menschen unmöglich war, sich selbst objektiv zu betrachten. «Was man denkt, ist Teil dessen, worüber man nachdenkt.» Entsprechend sei unser Blick auf alles in der Welt immer fehlerhaft und verzerrt. Diese Erkenntnis, also das Wissen um die unserem Denken inhärente Unzulänglichkeit, so schreibt Soros, sei das Fundament all seines Wirkens.

Weltkrieg als Abenteuer

Als er 14 ist, marschieren die Nazis in Ungarn ein; 565’000 ungarische Juden werden deportiert und ermordet. Sein Vater hatte bereits den Ersten Weltkrieg durchlitten und war entschlossen, auch den Zweiten zu überleben. Er lief zu Hochform auf. Mit gefälschten Pässen, Mut und Geschick lotste er seine Familie von Versteck zu Versteck in Kellern und Dachböden. «Es ist eine wichtige und paradoxe Tatsache», schreibt Soros, «dass das Jahr 1944 das glücklichste in meinem Leben war.» Ein einziges grosses Abenteuer. Voller Lektionen fürs Leben.

Über Gehorsam zum Beispiel. Die Aufgabe, Deportationsbescheide zu überbringen, übertrug man perfiderweise Kindern. Soros war eines davon. Sein Vater gab ihm den Rat, jeden Empfänger explizit darauf hinzuweisen, worum es sich bei diesem Papier handelte. George staunte, wie viele dem Bescheid dennoch gehorsam folgten. Oder über Risiken. «Es lohnt sich, Risiken einzugehen. Aber man darf nie aufs Ganze gehen» – Mass und Intuition als Lebenskunst. Und noch etwas sollte sich in dieser Zeit klar ausprägen: «Nichts schärft den Verstand so wie die Gefahr. Sie stimuliert mich. Das ist ein essenzieller Teil meiner Geisteskraft.»

Als den Nazis nach dem Krieg die Kommunisten folgten, floh Soros nach London. Er war 17 Jahre alt, auf sich gestellt und mittellos. Er hielt sich mit Hilfsjobs über Wasser und studierte an der London School of Economics Wirtschaft. Zu seiner Überraschung ging die klassische Wirtschaftslehre von rational agierenden und mit einem vollkommenen Wissen ausgestatteten Protagonisten aus. Soros hielt das für Humbug, damals schon. Seiner Ansicht nach basierte die Entscheidung, zu kaufen oder zu verkaufen, vor allem auf den subjektiven Einschätzungen und Erwartungen der Marktteilnehmer.

Mit Popper für die Freiheit

Sehr viel mehr Eindruck als die Ökonomen machte auf ihn der Philosoph Karl Popper, den er sich als Tutor wählte und der damals gerade das Buch «Die offene Gesellschaft und ihre Feinde» veröffentlicht hatte. Soros wusste nur zu gut, wovon Popper sprach; er hatte bereits zwei Diktaturen erlebt. In London fühlte er sich das erste Mal frei. Mit Poppers Werk fand er sein intellektuelles Rüstzeug – nicht zuletzt für sein Mäzenatentum.

Nach einer kurzen Zeit bei einem Finanzinstitut in der Londoner City verschlug es Soros nach New York in ein kleines Brokerunternehmen. Er kam auf die Idee, mit europäischen Aktien zu handeln, erstellte Studien über das Aktienportfolio deutscher Banken und die Verflechtungen deutscher Versicherungen. Da der Blick über den Atlantik in den fünfziger Jahren unüblich war, erlangte Soros schnell Expertenstatus als Analyst für ausländische Wertpapiere. Mit grossem Erfolg – bis John F. Kennedy die Zinsausgleichsteuer einführte, was den Handel fast zum Erliegen brachte.

Tagsüber arbeitete Soros für die Privatbank Arnhold & S. Bleichroeder, abends schrieb er an seiner Abhandlung «Die Bürde des Bewusstseins».

Soros wandte sich wieder der Philosophie zu. Tagsüber arbeitete er für die Privatbank Arnhold & S. Bleichroeder, abends schrieb er an seiner Abhandlung «Die Bürde des Bewusstseins». In ihm brannte der Wunsch, «ein Werk zu schreiben, das so lange gelesen wird, wie die menschliche Zivilisation besteht». Doch leider habe er sich oft schon am nächsten Tag keinen Reim mehr auf das machen können, was er am Vortag geschrieben hatte, berichtet Soros später. Das schmerzte ihn umso mehr, als er auf den Finanzmärkten täglich seine Grundannahme, nämlich dass die subjektive Wahrnehmung für alles verantwortlich sei, bestätigt fand. Soros überredete seinen Chef, ein paar Offshore-Fonds zu gründen. Einer davon war ein Hedge-Fonds.

Der Double First Eagle Fund war so strukturiert, dass Soros Aktien und Anleihen als Sicherheit nutzen konnte, um beliebige Finanzinstrumente – darunter Aktien, Anleihen oder Devisen – kaufen zu können. Das heisst, er spekulierte mit Geld, das ihm nicht gehörte. Eines seiner Lieblingsspielzeuge waren Leerverkäufe, die schon damals einen zweifelhaften Ruf genossen, weil sie auf den Niedergang einer Aktie oder einer Währung setzten und diesen im Zweifel auch beschleunigen konnten. Das Management-Team hatte Anspruch auf 20 Prozent der Profite. Als Startkapital verwendete Soros sein eigenes Geld: 250 000 Dollar. Es lief blendend. Nach vier Jahren machte er sich zusammen mit seinem Juniorpartner Jim Rogers selbständig und mietete ein kleines Büro nahe dem Central Park, fern der Wall Street.

Soros’ Interesse galt der Makroökonomie. Er hatte seine Antennen darauf ausgerichtet, wie internationale gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Faktoren das Schicksal einer Branche oder Aktiengruppe über einen längeren Zeitraum beeinflussten. Er versuchte herauszufinden, was der Markt – also die Summe aller Investoren – dachte. Witterte er irgendwo ein Gefälle zwischen den Einschätzungen der Marktteilnehmer und der Realität, kam seine Stunde. Soros führte ein Tagebuch, in dem er die Gedankengänge, die zu seinen Investment-Entscheidungen geführt hatten, akribisch notierte, und entwickelte eine Theorie, die er «Reflexivität» nannte. Sie besagte, dass die Voreingenommenheit der Marktteilnehmer nicht nur die Aktienkurse beeinflusse, sondern auch die sogenannten Fundamentaldaten. Bei instabilen Lagen, so seine These, konnte die Reflexivität zu Boom-Bust-Zyklen führen – High Noon für einen Investor wie ihn.

Qualvolle und lange Sitzungen

Für Soros schien das Spekulieren ein physischer Akt zu sein. Rückenschmerzen signalisierten ihm, wenn mit seinem Portfolio etwas nicht stimmte. Er nahm sich selbst unablässig ins Kreuzverhör. Ein Mitarbeiter erinnerte sich später an qualvolle Nachbesprechungen, die bis spät in die Nacht dauerten. «Lass uns unsere Vermutungen noch einmal durchgehen. Warum hast du so und nicht anders gehandelt? Vergleiche deine Erwartungen mit den Ereignissen.» Endlos. Viele Investoren hätten versucht, so zu sein wie Soros, sagte dieser Mitarbeiter. «Aber man musste erkennen, dass man selbst einfach nicht das Zeug dazu hatte.»

Die Menschen, die Soros’ Bücher kaufen, wollen immer nur eins wissen: wie man reich wird.

Nach zehn Jahren war der Quantum Fonds 100 Millionen wert, und Soros stand kurz vor dem Zusammenbruch. Seine erste Ehe ging in die Brüche, auch die Partnerschaft mit Rogers endete, das Geldverdienen machte ihn nicht glücklich, vielmehr habe er sich wie von seinem Fonds versklavt gefühlt, schreibt Soros. Die ständige Anspannung, die Angst vor dem Verlieren, die Unfähigkeit, den Erfolg zu geniessen, all das Selbstquälerische erkannte er als «elendes Leben». Da war er 49 Jahre alt, besass 25 Millionen und fand, das sei genug. Er gab die Leitung seines Fonds offiziell ab, was ihn nicht davon abhielt, weiterhin aus dem Off mitzumischen, und begann, sein Ideal von der offenen Gesellschaft zunächst in Osteuropa wahr zu machen – lange vor Einsetzen des Tauwetters im Osten.

Seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Denken, ist er weiter nachgegangen; in neun Büchern hat er seine Theorien über das Leben verfeinert. Doch die Menschen, die sie kaufen, wollen immer nur eins wissen: wie man reich wird. Die Welt hat ihn als Philosophen nicht erkannt. – Das ist sie wieder, diese verdammte Lücke zwischen Wahrnehmung und Realität.

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