Kommentar : Härte gegen den Sultan / Dreht den Geldhahn zu / Keine Zollunion

MESOP NEWS KOMMENTAR ZUM TAGE : DANK AN HOLGER STELTZNER (FAZ)  

  1. Sept 2017 – FAZ – Die Türkei entfernt sich mit Riesenschritten von Europa. Wer immer noch an „Wandel durch Annäherung“ glaubt, muss naiv oder blind sein. Brüssel darf sich nicht länger wegducken.

Wie lange will Brüssel eigentlich noch an der Illusion festhalten, die Türkei könne der EU beitreten? Wer immer noch an einen „Wandel durch Annäherung“ glaubt, muss naiv oder blind sein. Tatsächlich entfernt sich die Türkei mit Riesenschritten von Europa, wie der EU-Kommissionspräsident Juncker gerade selbst festgestellt hat. Was sind die Konsequenzen dieser Entwicklung?

Wie es scheint, sammelt das Regime des türkischen Sultans Erdogan deutsche Geiseln als menschliches Tauschmaterial. Kurz nachdem ein neues Dekret Erdogan die Vollmacht verleiht, ausländische Häftlinge in türkischen Gefängnissen gegen türkische Gefangene im Ausland auszutauschen, wurden wieder willkürlich Deutsche in der Türkei verhaftet. Erdogans Drohung ist ernst: „Wenn sie bei der Auslieferung nicht behilflich sind, dann sollten sie wissen, dass sie die Bürger, die uns in die Hände fallen, von uns auch nicht bekommen können.“ Da das Regime so gut wie jeden zum Putschisten oder Terroristen erklären kann, ist auch jeder gefährdet, der privat oder geschäftlich in die Türkei reist, in einem türkischen Flughafen umsteigt oder in ein Flugzeug von Turkish Airlines einsteigt.

Die Zollunion darf nicht vertieft werden

Die Langmut, mit der Bundeskanzlerin Merkel (CDU) bislang auf die Radikalisierung des türkischen Regimes reagiert, ist bewundernswert, wird aber zunehmend fragwürdig. Müsste Berlin seine Staatsbürger nicht längst vor Reisen in die Türkei warnen? Noch immer kommt ein Drittel der Türkei-Urlauber aus der EU. Aber es braucht mehr. Nötig ist eine Eskalationsleiter bis hinauf zu Sanktionen, die dort wirkt, wo es auch dem Autokraten weh tut, beim Geld. Zwei Drittel der Direktinvestitionen der Türkei stammen aus Europa, 40 Prozent des Außenhandels wickelt das Land mit der EU ab. Die „Heranführungshilfe“ an die EU in Höhe von mehr als 4 Milliarden darf nicht ausbezahlt werden.

Deutschland sollte für Exporte auch keine Hermes-Bürgschaften mehr übernehmen. Warum erhält die Türkei überhaupt Entwicklungshilfe? Auch die Kredite der europäischen Entwicklungsbanken müssen weiter schrumpfen. Selbstverständlich darf die Zollunion mit der Türkei nicht vertieft werden. Da die Zollunion für die Türkei heute schon fast wie der EU-Binnenmarkt wirkt, muss man vielmehr über den Rückbau reden.

Vor allem aber darf sich Brüssel nicht länger wegducken. Das ist nicht bloß ein deutsch-türkischer Konflikt. Die EU muss endlich Entschlossenheit zeigen, will sie außenpolitisch ernst genommen werden. www.mesop.de