JÖRG ARMBRUSTER : “Westen sollte militärisch eingreifen”
MESOP : ….. „wer hätte das von Armbruster erwartet ? „
Interview: Der Journalist Jörg Armbruster (ARD) über die Zukunft von Syrien / Am 7. April Vortrag in Löhne
Löhne. Jörg Armbruster war viele Jahre ARD-Fernsehkorrespondent im Nahen Osten. Er berichtete über den Umsturz in Ägypten ebenso wie über den Bürgerkrieg in Syrien. Am Montag, 7. April, hält Armbruster bei der VHS-Löhne einen Vortrag unter dem Titel “Die Zerstörung Syriens” und das Versagen des Westens.
Sie wurden Karfreitag 2013 durch einen Scharfschützen in der syrischen Stadt Aleppo schwer verletzt. Wie geht es Ihnen heute?
ARMBRUSTER: Gut. Ich hatte jetzt gerade eine kleine Nachoperation. Die Hand hat sich besser entwickelt, als die Ärzte anfangs gehofft hatten. Ich kann die Hand bewegen, auch wenn gewisse Behinderungen bleiben werden. Ich kann mich da aber nicht beklagen.
Was macht den Reiz des Nahen Ostens für Sie aus, trotz aller Probleme, die es dort gibt?
ARMBRUSTER: Das ist eine sehr exotische Weltregion, die uns dennoch sehr nahe ist. Wir glauben sehr viel über sie zu wissen. In Wirklichkeit wissen wir aber gar nicht so viel über sie. Und das darzustellen und zu vermitteln macht den Reiz aus. Dazu kommt, dass ich die Menschen, die dort leben sehr mag. Sie sind sehr herzlich, offen und zugewandt.
Ihr Buch beschäftigt sich mit der Situation in Syrien. Auch die Krim-Krise hat die Lage in Syrien in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund gedrängt. Wie ist dort die aktuelle Lage?
ARMBRUSTER: Für die Oppositionellen ist die Situation verzweifelt. Das liegt zum einen daran, dass Präsident Assad im vergangenen Jahr sehr stark geworden ist durch die Aufrüstung durch Russland. Dazu kommt die Unterstützung durch den Iran und den Eingriff von ein paar Tausend pro-iranischen Hisbollah-Kämpfern in die Kämpfe. Das macht Assad für die Opposition im Augenblick unbesiegbar.
Wie schätzen Sie die Lage der Opposition in Syrien ein? Die scheint nicht unproblematisch zu sein.
ARMBRUSTER: Die Zerstrittenheit der Opposition ist ein Drama für sich. Die Oppositionellen bekämpfen sich gegenseitig. Die Freie Syrische Armee zum Beispiel, die noch zu den liberalsten Kräften gehört, ist ganz an den Rand gedrängt. Sie versucht, sich in der Türkei neu aufzustellen. Ich fürchte, dass der Krieg noch sehr lange weiter gehen wird ohne eine wirklichen Sieger.
Hat sich der Westen zu früh gegen Assad positioniert? ARMBRUSTER: Der Westen hat sich überhaupt nicht gegen Assad positioniert. Er hat nichts dafür getan, dass Assad gestürzt wird. Der Westen hat die damals noch gemäßigte Opposition so gut wie nicht unterstützt. Im vergangenen Jahr hat er nicht eingegriffen, weil dann die Al-Qaida-Islamisten wohl auch von der Unterstützung profitiert hätten.
Jörg Armbruster war bis Ende 2012 langjähriger Studioleiter in Kairo und Korrespondent der ARD für den Nahen und Mittleren Osten. Einige Jahre moderierte er den ARD-Weltspiegel.
Im Oktober 2013 wurde Armbruster der “Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien” verliehen, ebenfalls Ende Oktober erhielt er den renommierten “Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis”.
Für verschiedene Medien arbeitet der Journalist weiterhin an politischen Analysen über die Entwicklungen im Nahen Osten. 2011 erschien von ihm “Der arabische Frühling. Als die islamische Jugend begann, die Welt zu verändern”. Im Oktober 2013 die Veröffentlichung “Brennpunkt Nahost. Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens”.
Jörg Armbruster wird am kommenden Montag, 7. April, um 20 Uhr in der Werretalhalle zu diesem Thema eine Vortrag halten. Karten sind im Vorverkauf bei der Volkshochschule Löhne erhältlich unter Tel. (0 57 32) 10 05 88. (indi)
Wie hat die Vernichtung der Chemiewaffen die Situation verändert?
ARMBRUSTER: Dadurch, dass sich der Westen darauf eingelassen hat, hat Assad sehr viel Zeit gewonnen.
Vor der Entscheidung, die Chemiewaffen zu vernichten, hatte sich auch eine militärische Drohkulisse von Teilen des Westens gegen Assad aufgebaut. Nach der Entscheidung war davon nicht mehr die Rede.
ARMBRUSTER: Das stimmt. Ich glaube nicht nur, dass US-Präsident Obama, sondern auch die anderen westlichen Regierungen, ganz froh waren, dass sie jetzt begründen können, warum sie sich in Syrien nicht weiter engagieren. Jetzt wird argumentiert, dass man den Zerstörungsprozess der Chemiewaffen nicht unterbrechen will. Dazu kommt, dass die Krim-Krise den Westen viel mehr beschäftigt. Das arbeitet Assad in die Hände.
Assad wird jetzt in Ruhe gelassen?
ARMBRUSTER: Ja. Er wird in Ruhe gelassen. Und die konventionellen Waffen, die er braucht, die liefert ihm Russland.
Welchen Fehler werfen Sie dem Westen vor?
ARMBRUSTER: Dass er es nicht geschafft hat, sich mit Russland zu einigen, als es noch möglich war.
Wie ist der Ausweg aus diesem Dilemma?
ARMBRUSTER: Ich sehe überhaupt keinen Ausweg. Keine der beteiligten Mächte hat ein Interesse daran, dass dieser Krieg beendet wird. Damit meine ich Saudi Arabien auf der Rebellenseite und den Iran auf der Seite von Assad. Beide Staaten wollen ihre Einflusssphären erhalten.
Müssen wir in Syrien Verhältnisse wie im Irak befürchten, wo von Frieden keine Rede sein kann und es regelmäßig Anschläge mit vielen Toten gibt?
ARMBRUSTER: Ich würde einen Schritt weitergehen, wir müssen eine Situation fürchten wie in Somalia. Es droht auch in Syrien ein völlig gescheiterter Staat: Aufgeteilt in Emirate von Al-Qaida oder anderen Islamisten im Norden. Dann ein Kanton, der Assad gehört, von Damaskus bis Lathakia.
Wäre es besser gewesen wenn Assad weiter als Diktator geherrscht hätte?
ARMBRUSTER: Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Leute wollten Assad nicht mehr. Assad hat auf friedliche Proteste mit Gewalt geantwortet. Dann haben von außen Länder eingegriffen, die ganz andere Interessen haben, als Syrien als einen Staat mit mehr politischer Beteiligung zu sehen. Saudi Arabien und der Iran sahen da ihre Chancen. Wenn das nicht passiert wäre, dann wäre es vielleicht anders gekommen.
Was erwarten Sie vom Westen?
ARMBRUSTER: Trotz alledem sollte er über ein militärisches Eingreifen oder Flugverbotszonen nachdenken. Welche Optionen gibt es über die militärischen Möglichkeiten hinaus?
ARMBRUSTER: Darüber hinaus könnte er eine große humanitäre Offensive starten und die hungernden Menschen aus der Luft mit Nahrung versorgen. Damit müsste auch Russland einverstanden sein.
Wie reagieren die Zuschauer auf das Thema?
ARMBRUSTER: Ich bin immer wieder erstaunt, wie stark sich die Menschen dafür interessieren. Sie hören zu und stellen kluge Fragen. In Löhne bin ich gespannt, ob sich noch so viele Menschen für Syrien interessieren, weil die Krim eine Menge Aufmerksamkeit abgelenkt hat. http://www.nw-news.de/owl/kreis_herford/kreis_herford/10900433_Westen_sollte_militaerisch_eingreifen.html