Dschihadisten in Syrien = Der nützliche Feind / Von Markus Bickel
MESOP : ASSAD BENUTZT DEN DSCHIHAD / KEIN DEUTSCHER ‚NAHOSTEXPERTE‘ PROTESTIERT
FAZ – 21-8-2014 – Vor etwa einem Jahr musste der syrische Diktator Baschar al Assad noch amerikanische Luftangriffe fürchten. Nun bringt er sich im Kampf gegen das Dschihadisten-Kalifat des „Islamischen Staates“ selbst als Partner des Westens ins Spiel. Der syrische Machthaber Baschar al Assad hat dieser Tage Grund zu feiern. Vor etwa einem Jahr musste er nach dem Giftgasangriff auf Vororte von Damaskus mit mehr als 1300 Toten noch amerikanische Luftangriffe fürchten.
Inzwischen sitzt er so fest im Sattel wie seit Beginn des Aufstands gegen sein Regime nicht mehr – und kann sich sogar dem Westen als Partner im Kampf gegen den Terror andienen. Im Kampf gegen die im syrischen Bürgerkrieg groß gewordene Dschihadistengruppe „Islamischer Staat“. „Syrien verurteilt die Angriffe auf den Irak und Kurdistan“, sagte sein Informationsminister Omran al Zobi am Dienstag und bot den Austausch von Informationen und humanitäre Unterstützung an. „Niemand kann den Terror allein bekämpfen“, sagte er.
Nachdem das Regime in Damaskus die Dschihadisten im eigenen Land lange gewähren ließ, haben die Truppen Assads in den vergangenen Wochen vermehrt Stellungen rund um das nordsyrische Raqqa angegriffen. Die Provinzhauptstadt wird seit Frühjahr 2013 von den Kämpfern des selbsternannten Kalifen Ibrahim alias Abu Bakr al Bagdadi kontrolliert und ist neben Mossul das wichtigste Zentrum von dessen Terrorstaat. Assads Informationsminister Zobi behauptete nun: Auch wenn kurdische Funktionäre das bestritten, die syrische Armee unterstütze die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in ihrem Kampf gegen den „Islamischen Staat“.
Schon seit dem Beginn des Syrien-Konflikts präsentiert Assad sich als Beschützer der Minderheiten gegen radikale Islamisten – und er verweist stets auf seine lange Erfahrung im Kampf gegen die islamistischen Terroristen. Dabei hatte der Krieg zwischen den Dschihadisten Bagdadis und anderen Rebellengruppen Assad nur wertvolle Zeit geschenkt. Während sich islamistische Milizen wie die Nusra-Front und die Islamische Front oder auch die Freie Syrische Armee im Frühjahr den Einheiten des „Islamischen Staates“ entgegenstellten, konnte der Machthaber seine eigenen Truppen sammeln.
Seither sind Assads Truppen auf dem Vormarsch, und als Alternative zum alawitischen Machthaber in Damaskus erscheint nicht mehr dessen Sturz wahrscheinlich zu sein, sondern eher ein Sieg des „Islamischen Staats“. In den vergangenen Tagen rückten Einheiten des Regimes ebenso wie die Dschihadisten näher an das Zentrum des der Stadt Aleppo heran, wo sich im August 2011 Oppositionelle dem Aufstand gegen Assad angeschlossen hatten. Drei Jahre später sind die freiheitlich gesinnten Regimegegner in der zerstörten Handelsstadt weitgehend zerschlagen – aufgerieben im Kampf an zwei Fronten: gegen das Regime und gegen den „Islamischer Staat“. Dessen Aufstieg zur stärksten militärischen Kraft im Rebellenlager hatte Assad zunächst befördert. Viele inhaftierte Dschihadisten entließ er im ersten Revolutionsjahr aus den Gefängnissen; sie schlossen sich den Hunderten islamistischen Milizen an, die mit der anfangs säkularen Freien Syrischen Armee wenig anfangen konnten. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, lautete lange die Devise in Damaskus. Stillschweigend ließ man die Dschihadisten in Landesteilen gewähren, in denen die Regierung längst die Kontrolle verloren hatte. Es heißt auch, dass das Regime über Mittelsmänner Treibstoff aus Bagdadis Kalifat beziehe.
Angesichts der Erfolge der Einheiten Bagdadis im Irak bringt sich Assad nun als Partner Europas und Amerikas im neuen Krieg gegen den Terror ins Spiel. In Damaskus dürfte man den Aufruf des französischen Präsidenten François Hollande genau zur Kenntnis genommen haben, der eine internationale Konferenz ankündigte, um Wege zur Bekämpfung des Islamischen Staats zu finden. Informationsminister Zobi hatte ja deutlich gemacht gesagt, dass die Expansion der Dschihadisten nur mit vereinten Kräften zu verhindern sei. Und dass Damaskus zu geheimdienstlicher und militärischer Kooperation bereit sei. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/dschihadisten-in-syrien-der-nuetzliche-feind-13108390.html