Das unvergessliche Brexit-Eigentor der Ursula von der Leyen

MESOPOTAMIA NEWS : „Brüssel will, dass Briten sterben, damit Europäer leben können“

Das unvergessliche Brexit-Eigentor der Ursula von der Leyen

Stand: 30.01.2021 |  – Von Stefanie Bolzen Korrespondentin  DIE WELT – Die EU-Staaten besprechen ihr gemeinsames Vorgehen in der Corona-Krise. Dabei geht es um mögliche Grenzschließungen, EU-Impfpässe und Maßnahmen, um eine Ausbreitung der britischen Corona-Mutation zu verhindern. Das Krisenmanagement der EU-Kommissionschefin verursacht erste Kollateralschäden. Die Deutsche untergräbt mit ihrem Vorgehen die Glaubwürdigkeit der Union.

Es kommt selten vor, dass die EU-Kommission sehr spät am Abend Mitteilungen herausgibt. Katastrophen, Kriege, Krisen können Brüssel auch nachts zum Handeln zwingen. Ein am Freitagabend von der Behörde mitgeteilter Beschluss geht jedoch nicht auf externe Faktoren zurück. Er ist vielmehr der Versuch, einen durch Ursula von der Leyens Corona-Management verursachten Kollateralschaden zu korrigieren.

Denn dieser ist gravierend, für seine Korrektur ist es ohnehin zu spät. Die anglophile EU-Kommissionschefin, der gute Beziehungen zum Vereinigten Königreich nach dem Brexit so sehr am Herzen liegen, hat genau jene massiv untergraben in ihrem zunehmend verzweifelten Versuch, von eigenen Fehlern abzulenken. Und sie hat die Glaubwürdigkeit der EU selbst beschädigt, weil sie die jahrelang gepredigte Bedeutung einer offenen Grenze in Nordirland im Handstreich ad acta legte.

Was ist passiert? Am Freitagnachmittag hatte Brüssel eine Verordnung vorgestellt, mit welcher der Export von Impfstoffen streng überwacht und potenziell sogar gestoppt werden soll. Hintergrund sind die schleppenden Lieferungen von Vakzinen an die EU-Mitglieder. Von der Leyen sieht die Schuld dafür bei Pharmafirmen wie AstraZeneca, die angeblich ihren vertraglichen Zusagen nicht nachkommen und es an Transparenz mangeln lassen.

 

Großbritannien

Eine lange Liste von Ländern ist von der Maßnahme ausgenommen, alle Nachbarländer der EU, nur eines nicht: das Vereinigte Königreich, das bekanntlich sein Impfprogramm hervorragend meistert, weil es Vakzine im eigenen Land entwickelt und produziert und frühzeitig Lieferverträge abschloss.

Aber Brüssel ging noch weiter. Es zog eine Schutzklausel im sogenannten Nordirland-Protokoll, das den komplexen Status des britischen Territoriums auf der irischen Insel nach dem Brexit regelt. Faktisch ordnete von der Leyen damit die Schließung der Grenze zwischen der irischen Republik und dem britischen Norden an, weil potenziell „europäische“ Impfstoffe ungehindert ihren Weg ins Vereinigte Königreich finden könnten.

Eine absurde Entscheidung, weil Nordirland ohnehin vom britischen Impfprogramm versorgt wird. Noch viel absurder war diese Übersprungshandlung aber, weil die EU-Kommission noch vor wenigen Monaten Zeter und Mordio schrie, als Boris Johnson durch eine Gesetzesvorlage das Nordirland-Protokoll infrage gestellt hatte. Auf ihrem hohen moralischen Ross freuten sich die Europäer, den britischen Premier in die Enge zu treiben, noch dazu mithilfe des kurz darauf gewählten US-Präsidenten Joe Biden, dem wegen seiner irischen Wurzeln der Frieden in Nordirland ein kostbares Gut ist.

„Brüssel will, dass Briten sterben, damit Europäer leben können“

Genau das hatten auch die Europäer jahrelang für sich in Anspruch genommen und die Reihen um Irland geschlossen, das vom Brexit hart getroffen ist und um dessen Stabilität wegen der Grenzfrage gefürchtet wurde. Von der Leyen aber scheint das in ihrer Corona-Panik völlig vergessen zu haben. Die irische Regierung wurde nicht einmal über die von Brüssel eilig erlassenen Exportkontrollen konsultiert.

Ein Aufschrei ging durchs Königreich über den „unglaublich feindseligen Akt“, wie Nordirlands Regierungschefin Foster es formulierte. Auch der Protest in Irland und in ihrer eigenen Behörde zwang die Deutsche zum Einlenken. Sie kassierte das Auslösen der Schutzklausel im Schatten der Nacht wieder.

Von der Leyens Brexit-Eigentor aber werden die Hardliner im Königreich nicht vergessen und als willkommene Vorlage nutzen, wenn sich ein Torpedieren der Brexit-Abkommen innenpolitisch auszahlt. Derweil müssen sich die Proeuropäer auf der Insel zunehmend fragen, ob der Abschied von Brüssel vielleicht doch nicht so schlecht war.