MESOP NEWS : WILL TRUMP FIRE BRETT McGURK ? – Erdogan trifft Trump Punkt, Komma, Schlußstrich?

Erdogans Verhältnis zu Barack Obama war am Ende zerrüttet. Vor seinem Besuch im Weißen Haus stellt der türkische Präsident nun umso höhere Forderungen an Donald Trump. Das spricht nicht für seinen Realitätssinn.

16.05.2017, von Michael Martens – FAZ  – Mitunter wirkt es so, als sei der türkische Präsidentenpalast mit seinen angeblich tausend Räumen die größte Echokammer der Welt. Eine gewisse Echolastigkeit dürfte zwar jedem Regierungssitz zu eigen sein, doch im Palast zu Ankara wirkt sie inzwischen überdurchschnittlich stark ausgeprägt: Hier scheinen die Bewohner nur noch sich selbst zu hören. So ließe sich auch ein Kommentar von Ilnur Cevik erklären, einem der außenpolitischen Berater des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Cevik hat dieser Tage Bemerkenswertes zur ersten persönlichen Begegnung seines Chefs mit Donald Trump an diesem Dienstagabend kundgetan.

Seit dessen Regierung in der vergangenen Woche mitteilte, dass sie die Volksschutzeinheiten (YPG) der syrischen Kurden künftig auch mit schweren Waffen ausrüsten werde, hat diese Ankündigung fast alle anderen außenpolitischen Themen in Ankara verdrängt.

Unter anderen Umständen hätte vor der Begegnung Trumps mit Erdogan im Weißen Haus womöglich Ankaras Forderung nach einer Auslieferung des im amerikanischen Exil lebenden Türken Fethullah Gülen im Mittelpunkt gestanden. Schließlich bezeichnet die Regierung Erdogan den „radikalen Prediger“ oder „Terrorführer“ Gülen, der pünktlich zu Erdogans Ankunft in den Vereinigten Staaten einen Gastartikel in der „Washington Post“ veröffentlichen konnte, weiterhin als Drahtzieher des Putschversuchs vom Juli 2016 und verlangt seine Überstellung an die türkische Justiz. Doch verglichen mit der Angst vor mit amerikanischen Waffen ertüchtigten kurdischen Freischärlern in Syrien, wirkt die Causa Gülen aus türkischer Sicht wie eine Petitesse.

Realitätsverlust im Präsidentenpalast

Überraschend war die Vollzugsmeldung aus Washington nicht, denn im Norden Syriens sind die YPG seit langem die schlagkräftigsten Verbündeten der Amerikaner im Kampf gegen die multiethnische Terrortruppe des „Islamischen Staats“ (IS). Überraschend war aber die Lagebeurteilung des Präsidentenberaters Cevik. Während es allgemein hieß, Erdogan werde in Washington einen letzten verzweifelten Versuch unternehmen, Trump umzustimmen, und dafür werben, die amerikanische Unterstützung für die kurdischen IS-Bekämpfer einzustellen, stellte Cevik es umgekehrt dar: Trump stehe in Washington vor der „schweren Aufgabe“, Erdogan davon zu überzeugen, dass die amerikanische Entscheidung zur Unterstützung der Kurden eine gute Idee sei. Wie Trump Erdogan davon überzeugen könne, einem Einsatz kurdischer Truppen bei dem geplanten Feldzug gegen die vom IS gehaltene syrische Stadt Raqqa zuzustimmen, bleibe offen, schrieb Cevik in einer Kolumne.

Die Ansicht, dass der Oberbefehlshaber der mächtigsten Armee der Welt um Erdogan werben müsse und nicht dieser um den amerikanischen Präsidenten, sagt zwar viel über die Selbstsicht Ankaras aus, spricht aber nicht für den Realitätssinn im dortigen Palast – zumal nicht nur Washington, sondern auch Moskau die Kurden in Syrien unterstützt. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte bei seiner Teilnahme an Chinas Seidenstraßen-Gipfel in Peking die kurdischen Kämpfer in Syrien ausdrücklich gelobt und gesagt, Russland wolle weiterhin „Arbeitskontakte“ zu ihnen pflegen. Schließlich sei „der kurdische Faktor“ ein „realer Faktor“ in Syrien, so Putin, der anfügte, er sehe keinen Grund zur Sorge „für unsere türkischen Partner“.

Erdogan versuchte unterdessen, Trumps bekannte Abneigung gegen dessen Amtsvorgänger zu instrumentalisieren, und sagte, die Entscheidung zur direkten Bewaffnung der Kurden sei unter dem Einfluss jener Berater Trumps gefallen, die noch von Barack Obama ernannt worden waren. „Da sind (noch) Obamas Leute in niedrigeren Positionen. Er (Trump) betrachtet die Lage im Irak und in Syrien durch die Informationen, die er von ihnen erhält“, zitierten regierungsfreundliche türkische Journalisten Erdogans Analyse. Der Zorn in Ankara richtet sich vor allem gegen Brett McGurk, einen Mann, der keineswegs nur eine „niedrige Position“ einnimmt: Er ist der amerikanische Sondergesandte für die Anti-IS-Koalition. McGurk stammt noch aus der Obama-Zeit, übt seine Aufgabe aber bisher weiter aus. In Ankara gilt er als Kurdenfreund und damit in der Logik türkischer Nullsummenspiele automatisch als Türkenfeind.

Wo Ankara Recht hat

In einem Punkt ist die türkische Regierung freilich im Recht: Die Darstellung, dass die YPG der PKK, also der größten Terrororganisation der Kurden in der Türkei, ideologisch, organisatorisch und personell nahestehe, ist keine türkische Regierungspropaganda. Hafiz al Assad, der Vater des jetzigen syrischen Diktators, hatte die syrischen Kurden in den neunziger Jahren in ihrer Unterstützung für die PKK systematisch gefördert. Syriens Kurden durften sich der PKK anschließen und sollten das sogar. So sollten die politischen Bestrebungen der kurdischen Minderheit Syriens in die Türkei umgeleitet werden. In dieser Zeit begann eine enge Kooperation zwischen der PKK und den Kurden in Syrien.

Auf diese Kampferfahrungen und Kontakte griffen Syriens Kurden zurück, als im Zuge des partiellen Zerfalls des syrischen Staates eine lokale Autonomie für sie möglich wurde. Doch während die PKK nicht nur in der Türkei, sondern auch in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft und verboten ist, gilt das für ihre syrische Schwesterorganisation nicht. Sie wird in der EU und vor allem in Washington vielmehr als wichtige Hilfstruppe gegen den IS sowie als potentielle regionale Ordnungsmacht im Nordsyrien von morgen gesehen. Genau davor graut es Ankara. Hinzu kommen Befürchtungen des Militärs, sollten die Vereinigten Staaten auch panzerbrechende Waffen an die Kurden liefern, könnten diese früher oder später gegen die türkische Armee eingesetzt werden. Entweder von der PKK in Südostanatolien oder von der YPG in Syrien oder im Nordirak. Dies gilt besonders für den Fall, dass die türkische Armee deren Stellungen nicht nur aus der Luft angreifen, sondern einen Feldzug am Boden beginnen sollte.

Erdogan hat angekündigt, nach der schwierigen Zeit mit Obama sollten seine Gespräche mit Trump „kein Komma, sondern einen Punkt“ setzen. Womöglich folgt auf Punkt und Komma aber auch gleich der Schlussstrich unter die türkischen Erwartungen, mit Trump werde man türkische Ordnungsvorstellungen in Syrien leichter durchsetzen können als gegen Obama.  www.mesop.de