ULRICH SCHACHT / DER GHOSTWRITER Wie viel Richard-Rorty- Kritik am linksliberalen Establishment steckt in Donald Trumps Inauguralrede?

MESOP CULTURE : RECHTE WIE LINKE GLEICHSCHALTUNGSLUST / ÜBER DIE UNFÄHIGKEIT DER KULTURLINKEN

Jede Herrschaftsorthodoxie »fortschrittlichen« Charakters erklärt sich die von ihr kontrollierte Welt, ihre Territorien, Institutionen, Produktionsweisen, Kommunikationstechniken, Medien, Militär und Polizeioperationen, nicht nur herrschaftslogisch als besonders zivilisiert. Sie verklärt sie notwendig auch im Sinne einer Legitimitätsaura höherer Wertigkeit, wonach das Endziel der geschichtlichen Bewegung, als deren kongeniale Ausdrucksgestalt sie umfassend Geltung beansprucht, der jeweiligen Gegenwart dieser Herrschaft einen überhistorischen Sinn verleiht. Dieser macht sie schon jetzt, im Hier und Heute, unkündbar durch die Geschichte selbst und deshalb auch unkündbar durch jede mögliche alternative Wählermehrheit, die das eigene Gesellschafts-, d. h. Macht-Bild, infrage stellt. Herrschaftsorthodoxien dieser Art sind ihrem Selbstverständnis nach nicht temporär gültige Politikalternativen innerhalb in demokratischen Verfahren alternierender Gesellschaftsvarianten, sondern genuine Verbündete eines universellen Prozesses.

Ihnen kann sich nur der verweigern oder in den Weg stellen — wahlweise als Konservativer, Reaktionär oder gleich Faschist etikettiert —, dem die Geschichte als transitorischer Ort des zoon politikon zuerst und zuletzt Kreislauf in kosmischem Makro wie Mikro-Kontext ist, nicht aber unaufhaltsame moralorganisatorische Progressionskurve in die paradiesische Dignität endgültig gerechter Neu-Ordnung des weltgeschichtlichen Hin und Her, die sich, nach quantensprungartigem Bruch mit aller Vergangenheit, fortan aus sich selbst speist: ein materialistisches Erlösungs-Perpetuum-Mobile, das natürliche Gesellschaftsgeschichte in eine denaturierte Gesellschaftsfinalität verwandelt, den soziologischen Bios aus dem Traum des Utopischen befreit, indem er ihn erreicht und damit den einzig möglichen Glücksort für alle, die im soziologischen Bios zeitgleich, das heißt totalitär, erfasst werden.

Moral und Mathematik sind jetzt eins, Ökonomie ist Theologie, Repression Pädagogik, Propaganda Ästhetik, Gut und Böse aufgehoben im strukturellen Heil des ewigen Kollektivs Gleicher: gleich Schöner, gleich Reicher, gleich Gesunder, Gleichgeschlechtlicher, Gleichfarbiger, gleich Intelligenter. Das Menschengeschlecht von nun an ein physisch-moralisches Ganzkörperereignis nie gekannter Qualität und Erscheinung. Von Thomas Morus bis Leo Trotzki reicht die Ahnenkette dieses, frei nach Eric Voegelin, intellektuellen Spiels mit grausamen Folgen, das der jakobinische Literat Trotzki, nachdem er, zusammen mit Lenin und Stalin, an die mörderische Alltags-Praxis des hemmungslos betriebenen Bürgerkrieges ging, für das 20. Jahrhundert und darüber hinaus paradigmatisch ins zielvisionäre Wort goss:

»Der Mensch wird endlich daran gehen, sich selbst zu harmonisieren. Er wird es sich zur Aufgabe machen, der Bewegung seiner eigenen Organe — bei der Arbeit, beim Gehen oder im Spiel — höchste Klarheit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und damit Schönheit zu verleihen. Er wird den Willen verspüren, die halbbewussten und später auch die unterbewussten Prozesse im eigenen Organismus: Atmung, Blutkreislauf, Verdauung und Befruchtung zu meistern [..1 Das Leben, selbst das rein physiologische, wird zu einem kollektivexperimentellen werden. Das Menschengeschlecht, der erstarrte homo sapiens, wird erneut radikal umgearbeitet und — unter seinen eigenen Händen — zum Objekt kompliziertester Methoden der künstlichen Auslese und des psychophysischen Trainings werden. Das liegt vollkommen auf der Linie seiner Entwicklung.«

Am Ende dieser 1924 erstmals erschienenen Programmvision aus dem »Reich des totalitären Kitsches« (Milan Kundera) sieht Trotzki im dann herrschenden Welt(sowjet)staat einen ebenso religions- wie familienfreien »durchschnittliche [n] Menschentyp« erscheinen, der sich »bis zum Niveau des Aristoteles, Goethe und Marx« erheben werde, über »dieser Gebirgskette« aber würden »neue Gipfel aufragen«.

Wer nun jedoch glaubt, Trotzkis Text, im Prinzip eine expressionistische Paraphrase der entsprechenden Passagen im Manifest der Kommunistischen Partei aus dem Jahr 1848, sei im vorigen Jahrhundert hinreichend falsifiziert als Maximalbarbarei in humanistischem Gewande und mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Weltsystems ein für allemal erledigt, täuscht sich auf ebenso naive wie gefährliche Weise, gibt es doch seitdem die Fortsetzung des Projekts in anderer, nicht mehr klassenkommunistisch, sondern globalliberal drapierter Gestalt, die das alte Zusammenspiel von links und profitradikaler Destruktionsleidenschaft zum Zwecke totaler Herrschaft bis ins Gottgleiche mit neuen Begriffen und Technologien vorantreibt:

»Die Bourgeoisie«, hieß es bei Marx und Engels in besagtem Manifest und theorietrunkener Mittäterschaft, »hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.« Denn »wo sie zur Herrschaft gekommen« sei, habe sie »kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen, als die gefühllose >bare< Zahlung«. Sie habe »die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt.« Auch habe sie »alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet«.

Sie habe »den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt«. Dem »Familienverhältnis« sei der »rührend sentimentale Schleier abgerissen und es auf ein Geldverhältnis zurückgeführt worden«, »das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen« und so ein bedeutender Teil der Bevölkerung »dem Idiotismus des Land] entrissen«: »Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die  Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse also sämtliche gesellschaftliche Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren […] Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktion den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden.«

Am Ende der berühmten analytischen Orgie des Phänomens Bourgeoisie und ihrer revolutionären Kraft steht »eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz“. Um daraus jedoch den proletarischen Weltstaat werden zu lassen, braucht es nur noch die inneren, gesetzmässigen Widersprüche des Vorgangs und in Folge die proletarische Revolution, die, via Diktatur des Proletariats, in die klassenlose Gesellschaft und damit in das ewige Reich der Freiheit mündet, wo dann jene Zukunftsvision Realität wird, wie sie Trotzki, weitaus detailfreudiger als die Gründungsväter seines politischen Aberglaubens, entfaltet.

Doch Trotzkis Entwurf, der eher einer Schreckensparodie auf den alttestamentarischen Paradiesmythos gleicht als einem seriösen Gedankenspiel über die Zukunft der Menschheit, ist inzwischen wieder so etwas wie eine von reanimierten Allmachtsphantasien inspirierte geschichtspolitische Blaupause, entwickelt in den Milliardärsbüros des Silicon Valley an der Westküste der USA, und das deutsche Wochenmagazin Der Spiegel, das in Nr. 10 vom 28. 2. 2015 mit der Titelgeschichte: »Die Weltregierung. Wie das Silicon Valley unsere Zukunft steuert auf die amerikanische Frankensteinkolonie  und seine herrschaftsbesessenen Auguren aufmerksam machte. Zu sehen auf dem Titelblatt, in einer bedrohlich bläulich-magischen Aura, sind die zu dieser Zeit führenden Köpfe von Uber, Apple, Google, Yahoo und Facebook. Zu Wort kommen Figuren wie der Chefingenieur von Google, Ray Kurzweil, der deutsche Informatiker Sebastian Thrun und der Pay-Pal-Mitbegründer Peter Thiel.

Sie geben phantastische Sätze zum Besten, verstehen sie aber zugleich als ernstzunehmende Absichtserklärungen, wie Sebastian Thrun: »Wer sagt, dass wir nicht tausend Jahre leben können, dass Autos nicht fliegen können?«

Peter Thiel: »Wir befinden uns in einem Wettrennen auf Leben und Tod zwischen Politik und Technologie.« Das Schicksal der Welt könne »am Ende von einer Person abhängen, die eine Maschinerie der Freiheit baut, um die Welt für den Kapitalismus zu retten«.

Oder Ray Kurzweil: »Der technologische Wandel wird so schnell sein, dass das menschliche Leben unwiderrufbar verwandelt wird.« Kurzweil meint damit keinen natürlichen, sondern einen technologisch forcierten Fortschrittsprozess, der dafür sorgt, »dass die Menschheit mit einem Knall in die nächste Zivilisationsstufe katapultiert wird«. »Vor sechs Jahren«, schreibt der Reporter, habe »Kurzweil zusammen mit einer Handvoll Partnern und einer Finanzspritze von Google die Singularity University gegründet, die Managern und Gründern beibringen soll, nicht mehr linear zu denken. Das Ziel, das die Teilnehmer der mehrmonatigen Kurse eingebläut bekommen: ein Unternehmen zu bauen, das innerhalb von zehn Jahren eine Milliarde Menschen erreicht. Die Frage, die sich alle stellen sollen: Wie kann ich etwas mit Einfluss auf die ganze Menschheit tun?«

Was sich hier hinter dem Paravent technologischer Innovationsphantasien zum Guten des Menschen verbirgt, ist immer auch die alte radikale Fortschrittsgläubigkeit der Linken einschließlich ihrer liberal camouflierten Variante, die die Natur aufheben und den ethische Grenzen setzenden, absoluten Normativ-Grund Gott ein für allemal ausschalten will. Technischer und linker Totalitarismus sind siamesische Zwillinge. Monströse Doppelgestalt, wird sie, mit finanz- und statusprofitlicher Leidenschaft, angebetet von den herrschenden technologischen, intellektuellen und politischen Eliten-Orthodoxien Westeuropas und der USA wie eine überirdische Schönheit, in deren Aura man selbst zu scheinen beginnt. In Deutschland heißt das Projekt noch bescheiden »Die Gute Gesellschaft. Soziale und demokratische Politik im 21. Jahrhundert«. In einem Sammelband mit diesem Titel, der 2013 bei Suhrkamp erschien, geht es um die Frage, »wie man Fortschritte auf dem Weg zum Guten messen kann«, finden sich Beiträge, deren Überschriften schon im Kern die ungebrochene politische Gleichschaltungslust ihrer Verfasser preisgeben: »Die Gute Gesellschaft braucht die Gute Sprache«, »Das Prinzip des größtmöglichen Glücks: Ein neuer Leitfaden für die Gute Gesellschaft«, »Die Gute Gesellschaft oder der gute Staat?«

Doch die »heutige linke Mode, in die fernere Zukunft und auf einen Weltstaat zu blicken, ist so nutzlos wie der Glaube an Marxens Geschichtsphilosophie, für den sie ein Ersatz geworden ist«. Wer sagt das, aus welchem Anlass und in welchem Zusammenhang?

Niemand anderer als Richard Rorty (19312007), einer der bedeutendsten amerikanischen Philosophen, in seinen 1997 an der Harvard University gehaltenen Massey-Vorlesungen zur Geschichte der amerikanischen Zivilisation, die zwei Jahre später unter dem Titel Stolz auf unser Land. Die amerikanische Linke und der Patriotismus (Suhrkamp) auf Deutsch erschienen. Aber Rortys Ausführungen sind nicht einfach nur eine ideengeschichtliche Reflexion unter Berücksichtigung amerikanischer Umstände. Sie sind mit jeder Zeile eine fast vernichtende Kritik ebenjenes linksliberalen amerikanischen Establishments und seiner Vertreter in Kultur, Universitäten, Verwaltungsbürokratien, Parlamenten und Regierungen, die sich parteipolitisch vor allem den Demokraten zuordnen.

Diese »kulturelle Linke«, so Rorty, sei »zu der Ansicht gekommen, wir müßten unser Land in ein theoretisches Bezugssystem, in eine ganz große quasikosmologische Perspektive hineinstellen«. Diese kulturelle Linke scheine »oft überzeugt, daß der Nationalstaat überlebt sei und es deshalb keinen Sinn habe, die nationale Politik wiederzubeleben«. Dabei werde »leider übersehen, daß die Regierung unseres Nationalstaats auf absehbare Zukunft die einzige Instanz sein« werde, »die den Grad des Egoismus und Sadismus, unter dem Amerikaner zu leiden« hätten, »wirklich beeinflussen« könne. Denn für all jene, »denen durch die Globalisierung die Verelendung« drohe, sei es »kein Trost, zu hören, der Nationalstaat spiele keine Rolle mehr und man müsse sich einen Ersatz dafür ausdenken. Die kosmopolitischen Superreichen« jedenfalls hielten »keinen für nötig, und sie« würden »wahrscheinlich die Oberhand behalten«. In Amerika werde »jetzt das Bürgertum proletarisiert, und das dürfte zu einer populistischen Revolte von unten führen«. Denn die »Globalisierung führt zu einer Weltwirtschaft, in der jeder Versuch eines Landes, die Verelendung seiner Arbeiter zu verhindern, nur zu Arbeitslosigkeit führt.

Diese Weltwirtschaft wird bald in den Händen einer kosmopolitischen Oberschicht liegen, die sich ebensowenig mit irgendwelchen Arbeitern in irgendeinem Land verbunden fühlt wie die amerikanischen Großkapitalisten des Jahres 1900 mit den Einwanderern, die in ihren Unternehmen arbeiteten. […] Dieser beängstigende wirtschaftliche Kosmopolitismus« bringe allerdings nebenbei einen »begrüßenswerten kulturellen Kosmopolitismus mit sich. Ganze Kompanien energischer junger Unternehmer« füllten »die Erste Klasse der interkontinentalen Düsenflugzeuge, während die hinteren Plätze mit beleibten Professoren wie mir beladen sind, die zu interdisziplinären Tagungen an schönen Orten ausschwärmen. Doch dieser neuentstandene kulturelle Kosmopolitismus« sei »auf das reichste Viertel der Amerikaner beschränkt«, und dieser »neue wirtschaftliche Kosmopolitismus« lasse »eine Zukunft ahnen, in der der Lebensstandard der übrigen drei Viertel ständig« sinke.

Vor diesem Hintergrund riskiert Rorty eine eindeutige Prognose: »Wenn die Bildung erblicher Kasten unbehindert« weitergehe »und der Globalisierungsdruck solche Kasten nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in den anderen alten Demokratien« erzeuge, lande man »in einer Orwellschen Welt«: Vielleicht gebe es dort »keinen übernationalen Großen Bruder und keine offizielle Ideologie wie Ingsoc. Aber es wird eine Parallele zur >inneren Partei< geben — nämlich die internationalen, kosmopolitischen Superreichen. Sie werden alle wichtigen Entscheidungen treffen. Die Parallele zu Orwells >äußerer Partei< sind dann die gut ausgebildeten und gut gestellten kosmopolitischen Fachleute« — Leute wie er, Rorty, und seine Zuhörer. »Die Vorstellung einer solchen Welt« lege »zwei Reaktionen der Linken nahe«: die Milderung der Ungleichheit zwischen den Nationen durch Teilung des Reichtums des Nordens mit dem Süden und Öffnung der Grenzen. Dies sei die Reaktion der akademischen Linken, »die immer schon international« gesonnen gewesen wäre. Die zweite liege den Mitgliedern der Gewerkschaften nahe, und den Unterbeschäftigten, »die am anfälligsten für rechte populistische Bewegungen« seien, hätten »die Gewerkschaftsmitglieder in den Vereinigten Staaten« doch »dabei zusehen« müssen, »wie ein Betrieb nach dem anderen geschlossen — und nach Slowenien, Thailand oder Mexiko verlegt wurde« und es deshalb »kein Wunder« sei, »wenn für sie das Ergebnis des internationalen Freihandels aussehe: »Wohlstand für Manager und Aktionäre, Ver serung des Lebensstandards für Arbeiter in den Enty lungsländern und starke Verschlechterung für die amerikanischen Arbeiter«.

Deshalb wäre es ebenfalls »kein Wunder, wenn in ihren Augen die amerikanische Intelligenz auf der Seite der Manager und Aktionäre stünde — mit den gleichen Klasseninteressen. Denn wir Intellektuellen, zumeist Hochschulleute, sind mindestens kurzfristig vor den Auswirkungen der Globalisierung gut geschützt. Und noch schlimmer: Wir scheinen oft stärker an den Arbeitern der Entwicklungsländer als am Schicksal unserer eigenen Mitbürger interessiert zu sein.« »An diesem Punkt«, so Rorty im Anschluss an die Hauptthese von Edward Luttwaks  Buch The Endangered American Dream, werde »es einen Bruch geben« und würden die »ärmeren Wähler zu dem Schluß kommen, daß das System versagt habe, und einen starken Mann wählen, der ihnen verspricht, daß unter ihm die feinen Bürokraten, raffinierten Anwälte, überbezahlten Anlageberater und postmodernistischen Professoren n mehr das Sagen haben werden«.

Warum, fragte Rorty deshalb im Jahre 1997 ebenso ahnungs- wie vorwurfsvoll, im Blick die amerikanische Linke innerhalb und außerhalb der Partei der Demokraten, »warum haben nur Rechte wie Buchanan zu den Arbeitern über die Folgen der Globalisierung gesprochen? Warum konnte die Linke die wachsende Empörung der neuerlich Verarmten nicht kanalisieren?« Um sich die Antwort, die fast einem politischen Todesurteil gleichkommt, selbst zu geben: »Da niemand das Vorhandensein der, wie ich es nenne, kulturellen Linken bezweifelt, läuft das auf das Eingeständnis hinaus, daß die Linke unfähig ist, sich in die nationale Politik einzuschalten Es ist keine Linke, von der man verlangen kann, sich mit den Folgen der Globalisierung auseinanderzusetzen.« Rorty eröffnet diesen unfähigen Linken eine letzte Chance, sich zu wandeln, und macht zwei Vorschläge. Der eine lautet auf vorläufige Einstellung ihres »Theoretisierens« und Aufgebens ihrer » philosophischen Pose«, der andere zielt auf eine Mobilisierung der »Überreste unseres Stolzes als Amerikaner«.

Resumee

Am 20. Januar 2017 wurde vor dem Kapitol in Washington ein Mann namens Donald Trump als 45. Präsident Vereinigten Staaten vereidigt, der diese Vorschläge Richard Rortys in seiner Inaugurationsrede exakt umgesetzt hat: ohne jegliche philosophische Pose, aber mit aller rhetorischen Mobilisierungskraft, was die Überreste des »Stolzes als Amerikaner« betrifft, als hätte Rorty ihm, Donald Trump, dem republikanischen Sieger über das eigene wie das demokratische Establishment der Barack Obama und Hillary Clinton diese Rede persönlich geschrieben:

»Wir, die Bürger Amerikas, haben uns in einer großen nationalen Kraftanstrengung zusammengeschlossen, um unser Land wiederaufzubauen und seine Verheißung für alle Menschen. […] Zu lange hat eine kleine Gruppe die Vorteile der Regierung genossen, während das Volk die Kosten zu tragen hatte. Washington florierte, aber das Volk hatte keinen Anteil an diesem Reichtum. Politikern ging es immer besser, aber die Arbeitsplätze verschwanden und die Fabriken schlossen. Das Establishment schützte sich selbst, aber nicht die Bürger dieses Landes. Ihre Siege waren nicht eure Siege. Ihre Triumphe waren nicht eure Triumphe. Und während sie in der Hauptstadt der Nation feierten, hatten die bedrängten Familien überall in unserem Land wenig zu feiern. All das ändert sich von genau diesem Moment an und genau von diesem Ort aus, denn dieser Moment ist Ihr Moment, er gehört Ihnen. [..1 Der 20. Januar 2017 wird in Erinnerung bleiben als Tag, an dem das Volk wieder der Herrscher dieser Nation wurde. Die vergessenen Männer und Frauen dieses Landes werden nicht länger vergessen sein. Jeder hört Ihnen jetzt zu. […] Im Zentrum dieser Bewegung steht die entscheidende Überzeugung, dass eine Nation existiert, um ihren Bürgern zu dienen. […] Aber für zu viele unserer Bürger existiert eine andere Realität. Mütter und Kinder, gefangen in Armut in unseren Innenstädten, verrostete Fabriken, wie Grabsteine über die Landschaft unserer Nation verstreut. Ein Erziehungssystem, voller Geld, das aber unsere jungen und schönen Schüler ohne Wissen zurücklässt.

über viele Jahrzehnte haben wir ausländische Volkswirtschaften bereichert, auf Kosten der amerikanischen Wirtschaft, haben die Armeen anderer Länder finanziert, während wir die Verarmung unseres Militärs zugelassen haben. Wir haben andere Länder reich gemacht, während der Wohlstand, die Stärke und das Selbstvertrauen unseres Landes am Horizont verschwunden sind. Unsere Fabriken schlossen eine nach der anderen und verließen unsere Gestade, ohne einen einzigen Gedanken an die Millionen und Millionen von amerikanischen Arbeitern, die zurückblieben. […] Ab diesem Tag wird eine neue Vision unser Land bestimmen. Von diesem Tag an heißt es Amerika zuerst, Amerika zuerst. Jede Entscheidung über den Handel, über Steuern, über Einwanderung,über die Außenpolitik wird so getroffen, dass sie amerikanischen Arbeitern und amerikanischen Familien nützt. Wir müssen unsere Grenzen schützen vor der Verwüstung durch andere Länder, die unsere Produkte nachmachen, unsere Unternehmen stehlen und unsere Arbeitsplätze vernichten. [..1 Wir werden unsere Jobs zurückholen. Wir werden unsere Grenzen zurückholen. Wir werden unseren Reichtum zurückholen. Und wir werden unsere Träume zurückholen. Wir werden neue Straßen und Autobahnen bauen und Brücken und Flughäfen und Tunnel und Eisenbahnen durch unsere ganze wunderbare Nation. Wir werden unser Volk aus der Wohlfahrt herausholen und zurück in die Arbeit. um unser Land mit amerikanischen Händen und amerikanischer Arbeit wiederaufzubauen. Wir werden zwei einfachen Regeln folgen: Amerikanisch kaufen, amerikanisch einstellen. Wir werden freundschaftliches Entgegenkommen bei den anderen Ländern der Welt suchen, aber wir werden das tun in dem Bewusstsein, dass es das Recht aller Nationen

ist, ihr Interesse voranzustellen. Wir wollen unsere Lebensweise niemandem aufzwingen, sondern sie leuchten lassen als Beispiel. […] Wenn man sein Herz dem Patriotismus öffnet, bleibt kein Raum für Vorurteile.«

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