Wie spielt man Syrien? 4 Antworten eines Freiburger Teilnehmers der UN-Simulation “National Model United Nations”

IN DER GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS GILT DIE SIMULATION DES ‚ALS OB‘ ALS REAL PRESENCE

Studierende der Uni Freiburg schlüpfen in die Rolle von Delegierten der Vereinten Nationen. Sie simulieren dabei deren Gremien, Resolutionen und Weltpolitik. Die Freiburger Studierenden haben sich dabei einen ‘Bad Boy’ der Weltpolitik herausgesucht: Syrien. Wie man politische Positionen eines Staats simuliert, der bei (fast) keinem Land beliebt ist:

fudder: Hendrik Jandel, als einer von insgesamt 16 Studierenden der Universität Freiburg nimmst du im März am Planspiel ‘National Model United Nations’ in New York teil. Dort werdet ihr die Republik Syrien vertreten. Wie bereitet man sich darauf vor, einen ‘Bad Boy’ der Weltpolitik zu spielen?

Im letzten Oktober gingen für uns die Vorbereitungen los. Jetzt sind wir mittendrin. Wir beschäftigen uns mit den Vereinten Nationen und “unserem” Land, Syrien. Dafür haben wir Vorträge zur Geschichte, der Struktur und der Arbeitsweise internationaler Politik und speziell der UN auseinander gesetzt haben. Gleichzeitig arbeiten wir uns in die Repräsentation eines Landes bei den Vereinten Nationen ein, wobei der Rolle Syriens ein besonderes Augenmerk gilt.

Als nächstes schreiben wir ein ‘Position Paper’, in dem wir die Standpunkte Syriens beschreiben, und wir haben ein Treffen mit dem ARD-Korrespondenten Jörg Armbruster. Wir haben gelernt, wie die UN aufgebaut ist, was ihre Schwierigkeiten sind, und wir haben die Geschichte Syriens und ihre Kultur vorbereitet. Wir müssen innen- und außenpolitisch Bescheid wissen, müssen die Beziehungen zu den angrenzenden Ländern kennen; ich wusste einiges noch aus der Schule und aus den Nachrichten, aber nicht, wie sich zum Beispiel die Bevölkerungsgruppen unterscheiden und nicht im Detail, warum es zu Konflikten kommt.

Wie verhält man sich als guter Delegierter bei der Simulation in New York?

Drei Themen haben wir aus New York vorgegeben bekommen. In New York bei der Simultation wird dann zunächst abgestimmt, über welches Thema wir reden wollen, und dann arbeiten wir Resolutionen aus. Immer zwei Studierende werden in einem UN-Gremium sitzen. Ich sitze im Gremium ‘United Nations Development Programme’ und beschäftige mich vor allem mit internationalen Handelsbeziehungen. Andere sind beim ‘Human Rights Council’ dabei oder bei der ‘Commission on the Status of Women’.

In Hamburg haben wir eine kleinere, europaweiten Simulation mitgemacht und dabei die ‘Rules of Procedure’ gelernt. Das sind Floskeln, die während einer Sitzung unbedingt eingehalten werden müssen. Da sind viele englische Begriffe dabei, die ich vorher gar nicht kannte. Wer zum Beispiel als Delegierter spricht, darf nie in der ersten Person von sich sprechen. Ein Delegierter spricht nur von seinem Land oder von sich in der dritten Person. Das war zunächst befremdlich, aber ich vertrete nicht mich selbst, sondern mein Land. Mir wurde klar: So diskutieren alle auf einer Ebene.

Wie vertritt man, als deutsche Studierende einen Staat, der gegen Menschenrechte verstößt?

Wenn man eine Resolution durchbringen möchte, muss man so argumentieren, dass die Leute auf einen eingehen. Als Republik Syrien ist das besonders schwer. Man ist erstmal der Feind von allen, und keiner will mit einem zusammen arbeiten. Es ist dann wichtig, dass man weiß, wie man Gemeinsamkeiten darstellen kann. Wir lernen zum Beispiel, welche Länder zu einem Bündnis bereit sind. Das können dann zum Beispiel der Iran, China oder Russland sein.

Wir verfolgen die Protokolle aus den tatsächlichen Sitzungen der UN und stellen fest, dass es vorkommt, dass es in den Gremien auch Länder zusammenarbeiten, die weltpolitisch sehr unterschiedlich sind. China zum Beispiel ist oft neutral, dann kann man mit ihnen kann man auch zusammen arbeiten. Wenn es um landwirtschaftliche Themen in den Gremien geht, finden auch schon mal Argentinen mit der USA zusammen.

Wie hat sich deine Sicht auf die Republik Syrien verändert?

Es ist schwierig, an aktuelle, politische Information zu kommen, die stimmt. Man liest ja einiges in den Zeitungen, aber wir wissen auch nicht mehr, als der normale Leser. Wir hatten Besuch des Politikwissenschaftlers Hans, der jedes Wintersemester in Beirut doziert, und haben ihm von unseren Kenntnissen erzählt. Er sagte: Das liest man zwar, aber das sei nicht ganz das Wahre. In den Medien hört man oft: Das Assad-Regime ist das Schlechte, und die Opposition ist das Gute. Ich habe gelernt, dass die Problematik nicht schwarz-weiß ist, sondern dass die Geschichte Syriens und die Frage, warum das Regime an der Macht ist, nicht einfach zu erklären ist. Ich habe verstanden, dass es nicht so ist, dass sobald das Assad-Regime weg ist, alle Probleme gelöst sind. Es kommen viele weitere Probleme auf Syrien zu.

Zur Person

Der VWL-Student Hendrik Jandel wird als einer von insgesamt 16 Studierenden der Universität Freiburg am Planspiel ‘National Model United Nations’ in New York teilnehmen. Der 21-Jährige bereitet sich derzeit auf die Reise im März vor. Studierende aus den Fachbereichen

Politikwissenschaft, Jura, Philosophie, Islamwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Chemie werden mit dabei sein. Sie vertreten die Arabischen Republik Syrien bei den Vereinten Nationen