Wie in Berlin die Zeit nach Assad geplant wird
DIE WELT 20.8.2012 – Vertreter der syrischen Opposition arbeiten an Plänen für ein neues Syrien. Die geheimen Gespräche zum “Day After” liefen über Monate in Berlin. Für die Zeit nach Assad ist mit Chaos zu rechnen. Die syrische Opposition hat mit Unterstützung Deutschlands und der USA in Berlin sechs Monate lang die Zeit nach einem möglichen Sturz von Präsident Baschar al-Assad vorbereitet. “Wenn Assad stürzt, stehen wir nicht mit leeren Händen da”, sagte der Exilsyrer Ferhad Ahma über das Projekt “The Day After”.
Der Berliner Grünen-Politiker, der seit 1996 in Deutschland lebt und seit 2010 wegen seines Engagements in der Opposition auf der syrischen Fahndungsliste steht, beteiligte sich an den Verhandlungen bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die aus Sicherheitsgründen lange geheim gehalten wurden. Dabei wurden in sechs Bereichen die Grundlagen für die Zeit nach Assad erarbeitet, darunter die Reform des syrischen Sicherheitsapparats, der Prozess der nationalen Aussöhnung und die Entwicklung einer neuen Verfassung.
“Die Versöhnung wird kein einfacher Prozess, nach Assad ist mit Chaos zu rechnen”, sagte Ahma. “Aber die Erfahrung aus anderen arabischen Ländern gibt uns Hoffnung, dass das auch in Syrien gelingen kann.” Es sei wichtig gewesen, jetzt mit den Plänen zu beginnen und nicht erst nach Assad. “Sollten wir daran scheitern, dann wird das Land auseinanderfallen. Wenn wir aber Erfolg damit haben, wird Syrien ein gutes Beispiel für die gesamte Region sein.”
Ein Fahrplan als “gesamtsyrisches Projekt”
Mit dem Projekt “wollen wir niemandem etwas vorschreiben, keiner Oppositionsgruppe”, sagte der 37-jährige syrische Kurde. Da alle syrischen Gruppen – die verschiedenen Ethnien und Religionen, Strömungen der Opposition sowie Männer und Frauen – bei den Beratungen vertreten gewesen seien, sei es ein “gesamtsyrisches Projekt”. Der oppositionelle Syrische Nationalrat, in dem Ahma Mitglied ist, will die Ergebnisse am 28. August veröffentlichen und dann als Fahrplan übernehmen.
“Syrien ist ein Land, in dem 50 Jahre lang keine aktive Politik zugelassen wurde”, sagte Ahma. “Die Politik in der Gesellschaft selbst war ja fast ausgestorben.” Daher sei es bei den Gesprächen in Berlin eine große Herausforderung gewesen, überhaupt “einen politischen Dialog innerhalb der syrischen Opposition zu führen mit dem Ziel, letztendlich zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen”.
Bevor bei “The Day After” Detailfragen geklärt werden konnten, sei es zunächst um die zentrale Feststellung gegangen, dass “das Regime ein Unrechtsregime” sei und “etwas geschehen muss”. Nach Assad sollten “alle Syrer, egal welcher religiöser und ethnischer Herkunft am politischen Prozess teilhaben”, sagte Ahma.
Unterstützung für die syrische Opposition
“Es muss Schluss sein mit dem Ein-Parteien-System und der Diktatur – all das muss in der neuen Verfassung geregelt werden”, sagte der Exilsyrer. Um den Weg dorthin zu ebnen, wolle sich die Opposition an anderen arabischen Länder orientieren. Ziel sei eine “Mischung der Erfahrungen” in der Region.
Die Gruppe aus bis zu 50 Oppositionellen wurde außer von der SWP auch vom United States Institute of Peace (USIP) unterstützt, logistische Unterstützung kam Ahma zufolge vom Auswärtigen Amt und dem US-Außenministerium.