Türkei – Stehen die Verhandlungen mit der PKK auf der Kippe? / Wer veröffentlichte geheime Gespräche mit APO?

Turkishpress – 28Feb2013 – Der türkischen Tageszeitung MILLIYET wurden die Inhalte des Gespräches in Imrali zugespielt. Die Sprengkraft des Inhalts könnte die Verhandlungen mit Abdullah Öcalan und der PKK negativ beeinflussen.

In der Tageszeitung MILLIYET wurde heute der Inhalt der vertraulichen Gespräche zwischen dem Terrochef der PKK, Abdullah Öcalan, den nationalistisch-kurdischen Abgeordneten Pervin Buldan (BDP), Sırrı Süreyya Önder (BDP) und Altan Tan (BDP) sowie zwei Beobachtern des türkischen Geheimdienstes MIT veröffentlicht. Die vom MILLIYET-Journalisten Namık Durukan veröffentlichten Gesprächsaufzeichnung vom 23. Februar 2013, könnten die Verhandlungen mit der PKK beenden.

Die Nachricht der MILLIYET schlug in der Türkei wie eine Bombe ein. Im Präsidialamt liefen die Drähte heiß, das Kabinett kam kurzfristig zusammen, um mit Ministerpräsident Erdogan über die Lage zu sprechen. Im laufe des Tages griffen weitere Nachrichtenportale die Nachricht der MILLIYET auf, in dessen Folge Schuldzuweisungen und Komplotttheorien die Runde machten.

Währenddessen erklärten dem Präsidialamt nahe stehende Funktionäre, das durchsickern solch brisanter Inhalte sei ein Komplott, die vormals schon in Oslo 1 zum Bruch der Verhandlungen geführt hätte. Indirekt wurde dabei auch die nationalistisch-kurdische Partei BDP kritisiert. Es sei schon das zweite mal, dass die Gespräche zwischen der Regierung und der PKK sabotiert wurde, sagte die Quelle gegenüber der Nachricntenagentur IHA. Zum Nachmittag versammelte sich das Kabinett erneut im Justizministerium, um über ein mögliches Leck innerhalb der Regierung bzw. dem Geheimdienst MIT zu sprechen. Erst am späten Nachmittag versuchte die Regierung die Lage zu entschärfen. Über den Kultur- und Tourismusminister Celik ließ man erklären, dass der Inhalt zwar in Teilen richtig sei, die Gespräche  aber in Imrali stattgefunden hätten. Celik versuchte so die Sprengkraft der Aussagen Abdullah Öcalans zu entschärfen. Desweiteren sagte Celik, man schließe eine Fehlverhalten seitens der Regierung aus. Ausserdem wurde auch die MIT in Schutz genommen.

Laut der Nachricht der MILLIYET habe Abdullah Öcalan ein hartes politisches Vorgehen von den kurdischstämmigen Abgeordneten gefordert, um Erdogan dazu zu bewegen, die von ihm anvisierte Lösung anzunehmen – noch steht der genaue Fahrplan, die Öcalan vorstellen wollte, der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Andernfalls, so in dem Gesprächsverlauf, werde er (Abdullah Öcalan) sich komplett zurückziehen, was bedeute, er stehe dann für die Verhandlungen nicht mehr zur Verfügung und die BDP sowie PKK müssten ihn als “Tod” annehmen und auf eigene Initiative und selbstständig weiter agieren. Im Wortlaut sagte Öcalan, “wenn ihr versagt, stehe ich nicht mehr zur Verfügung”. Angedeutet wurde auch eine noch nie dagewesene Gewalt, um die Regierung dazu zu bewegen, die “Kurden” zu akzeptieren und eine “Revolution” in der Türkei durchzusetzen. Über Premier Erdogan erklärte Öcalan, er sei hinterlistig und habe so nach der Machtübernahme von Deniz Baykal (damaliger Vorsitzender der CHP) eine Politik etabliert, die er auch seiner Politik und Zurückhaltung in der Vergangenheit zu verdanken habe. Er (Premier Erdogan) habe zwar die Ergenekon aufgelöst, habe das Militär entmachtet, aber jetzt stehe er vor einer Bewährungsprobe, u.a. in Sinop, wo man ihn mit der Politik konfrontiert habe. Es gebe weiterhin Kreise, die diese Verhandlungen und die Umstruktrurierung des Landes zu verhindern versuchen würden. Ausserdem zeige Erdogan immer öfter dieselben Symptome wie die Vorgängerregierung. Erdogan kenne die Gefahren, die immer noch von einem “Tiefen Staat” kommen würden. Er (Öcalan) habe spätestens nach dem Versuch, den Geheimdienst MIT in Verruf zu bringen, erkannt, dass dies ein Angriff gegen Erdogan gewesen sei.

Unterdessen wird in den türkischen Medien die Vermutung geäussert, dass die Gesprächsaufzeichnungen bewusst aus Kreisen der BDP in Umlauf gebracht wurden, um die Türkei einerseits einem Streßtest zu unterziehen, andererseits den Puls der Regierung zu fühlen und so entsprechende politische Statements abzugeben sowie die Regierung unter Druck zu setzen.

1. Bei dem geheimen Treffen in Oslo im Mitte 2010 hatten der Leiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, sein Stellvertreter Afet Günes und die PKK-Anführer Mustafa Karasu, Sabit Ok und Zübeyr Aydar über Verhandlungen gesprochen.  

Die “Oslo-Gespräche”, wie sie später genannt wurden, wurde zunächst in PKK-nahen Nachrichtenagenturen veröffentlicht. Kurz darauf löschten anonyme Hacker die Aufnahmen auf den Internetseiten. Der Aufzeichnung zufolge soll das Gespräch das vierte dieser Art in Oslo gewesen sein. Die Veröffentlichung hatte dazu geführt, dass die türkische Regierung in Zugzwang kam und sich zu den geheimen Verhandlungen äussern musste. Im Anschluss daran wurden die Verhandlungen auf Eis gelegt, da die Opposition sich hintergangen fühlte und in der türkischen Gesellschaft erhebliche Kritik aufkam.