TIGRIS ZENTRUM FÜR SOZIALFORSCHUNG – DIYARBAKIR / MEHMET KAYA : ERDOGAN REFORMEN ÜBERWIEGEND POSITIV !

Mehmet Kaya, Vorsitzender des Tigris Instituts für Sozialforschung in Diyarbakir – Der Sozialforscher Kaya aus Diyarbakir sieht Erdogans Reformen überwiegend positiv:

Viele Kurden in der Türkei befürchteten, dass ihre hohen Erwartungen an Reformen durch das “Demokratiesierungspaket” der türkischen Regierung nicht ausreichend erfüllt werden können, meint Mehmet Kaya, Vorsitzender des Tigris-Zentrums für Sozialforschung in Diyarbakir. Das Paket sei trotzdem sehr wichtig – damit der Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und den Kurden fortgesetzt wird, gibt Kaya zu bedenken.

Obwohl er die Skepsis der Kurden nachvollziehen könne, sieht er es positiv: Er betont, dass die Fortschritte der Regierung in der Kurdenfrage in den letzten zehn Jahren durchaus Anerkennung verdienen.

Enttäuschung bei den Aleviten

Auch die Aleviten, die sich im Gegensatz zu den Sunniten als benachteiligte und vernachlässigte islamische Gemeinschaft in der Türkei sehen, sollen vom angekündigten “Demokratiesierungspaket” in der Türkei profitieren. Es wird erwartet, dass die Regierung den alevitischen Glaubenshäusern den Status eines ‘Glaubens- und Kulturzentrums’ verleihen wird. Dies bedeutet beispielsweise, dass der Staat die alevitischen Glaubenshäuser (Cemevi) von den Abgaben für Wasser und Strom befreien könnte und alevitische Geistliche, die sogennanten Dedes, ein staatliches Gehalt beziehen würden.

16 alevitische Organisationen aus der Türkei, Europa, Nordamerika und Australien haben der türkischen Regierung in einer offiziellen Stellungnahme vorgeworfen, dass sie das Alevitentum wie eine Sekte betrachte – trotz des geplanten “Demokratisierungspakets”. Dies käme dadurch zum Ausdruck, dass die alevitischen Glaubenshäuser als “Tekke” bezeichnet werden: Das sei der türkische Begriff für Versammlungshäuser von Sekten .

“Betroffene wurden nicht angehört”

Hüseyin Mat, Vorsitzender der ‘Alevitischen Gemeinde Deutschland’, zweifelt außerdem an der Ehrlichkeit der Demokratisierungspläne der türkischen Regierung. Die Regierung habe während des gesamten Prozesses keine Vertreter der betroffenen Gemeinschaften angehört, kritisiert er. “Weder Organisationen, die die Interessen der Aleviten vertreten, noch die Organisationen anderer Minderheiten, wie zum Beispiel der Kurden, wurden über das geplante Paket informiert.”

Ein staatlicher Lohn für alevitische Geistliche reiche nicht aus: Wichtig sei die vollständige Anerkennung und Gleichberechtigung des Alevitentums und aller anderen Glaubensgemeinschaften in der Türkei, so Hüseyin Mat. Auch İzzettin Doğan, Vorsitzender der in der Türkei ansässigen alevitischen Organisation Cem Vakfı, verlangt von der konservativ-islamischen AKP-Regierung, die sunnitisch geprägt ist, dass die alevitischen Geistlichen die gleichen Rechte erhalten wie Imame. Außerdem lege er großen Wert darauf, dass an Schulen in der Türkei auch alevitischer Religionsunterricht erteilt wird.

http://www.dw.de/kurden-und-aleviten-zweifeln-an-erdogans-reformpaket/a-17117336