THEO VAN GOGH WATCH : NEGATIV-LEISTUNG WIRD HOCHBELOHNT / DEUTSCHLAND 2023
Trotz Verspätung und Ausfällen : Bahn-Vorstände erhalten 5 Millionen Euro Bonuszahlungen
- Aktualisiert am 11.12.2023-10:26 FAZ
Die Vorstände der Deutschen Bahn erhalten einem Bericht zufolge üppige Boni in Höhe von insgesamt 5 Millionen Euro für 2022. Einige Ziele wie Pünktlichkeit wurden deutlich verfehlt, andere habe man aber dafür übertroffen.
Die Deutsche Bahn (DB) kann ihren Vorständen einem Medienbericht zufolge bald Bonuszahlungen für das Jahr 2022 in Höhe von insgesamt fast fünf Millionen Euro auszahlen. NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten am Montag, sie hätten das langjährige Berechnungsmodell des Konzerns für die Boni einsehen können. Bereiche, in denen Ziele verfehlt worden seien, können demnach offenbar mit anderen Bereichen, in denen Ziele übertroffen werden, verrechnet werden. So seien hohe Boni trotz Verfehlung der Ziele für Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit möglich.
Die Zahlung der Boni für das Jahr 2022 war dem Bericht zufolge ausgesetzt, weil die DB die Strompreisbremse als staatliche Unterstützung nutzte. Die Preisbremse läuft Ende des Jahres aus; die Boni könnten daher ab Januar 2024 gezahlt werden, berichteten NDR, WDR und „Süddeutsche“. Die Boni kommen zum Grundgehalt von insgesamt rund vier Millionen Euro für die im Jahr 2022 neun Vorstandsmitglieder dazu. Laut Konzernbericht erhalten sie insgesamt rund neun Millionen Euro.
Laut Bericht übertraf die Bahn die eigenen Ziele im Bereich „Frauen in Führung und Mitarbeitenden-Zufriedenheit“ 2022 geringfügig. Der Bonus für diesen Bereich sei aber offenbar deutlich erhöht worden, auf einen Wert von 175 Prozent, heißt es weiter. Die damals neun Konzernvorstände sollen demnach allein für dieses Ziel rund 1,6 Millionen Euro erhalten.
Aufsichtsrat entscheidet über Bonus-System bei der Bahn
Auch beim Thema CO₂-Einsparung habe die Bahn ihr selbstgestecktes Ziel den Unterlagen zufolge übererfüllt, und zwar um zwei Prozentpunkte, berichtete das Recherchebündnis. Dafür solle etwa der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz knapp 440.000 Euro an Bonuszahlungen erhalten.
Über das Bonus-System bei der Bahn entscheidet der Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Bundesregierung und der Gewerkschaften sitzen. Das System soll dem Bericht zufolge im kommenden Jahr umgestellt werden. Bahn-Vorstände hätten dann einen höheren Anteil ihres Gehalts als Fix-Gehalt, der Anteil der Boni solle sinken. Die Bahn erklärte gegenüber dem Recherchebündnis, zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats äußere sich das Unternehmen nicht.
Im Konzernbericht für 2022 heißt es, die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder bestehe aus einer fixen Grundvergütung, einer erfolgsabhängigen Jahrestantieme und einem langfristigen Bonusprogramm mit mehrjähriger Bemessungsgrundlage. Im Fokus dieser langfristigen Anreize stünden „langfristige verkehrs- und klimapolitische Ziele sowie die nachhaltige Bonität und Rentabilität des DB-Konzerns“. Planlaufzeit sind jeweils vier Jahre.
Weniger Boni bei Bahn-Chaos
Schon vor Monaten hatte es öffentliche Kritik daran gegeben, dass der Bahnvorstand wegen der guten Geschäftszahlen von Schenker hohe Boni bekommen hat, obwohl die Pünktlichkeitsquote von 65 Prozent im vergangenen Jahr deutlich unterhalb der Zielmarke lag. Manager der Deutschen Bahn sollen es künftig stärker als bisher zu spüren bekommen, wenn Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit so schlecht sind wie derzeit. Im September hatte es daher einen Vorschlag zur umfassenden Reform der Vorstandsvergütung gegeben, über den die F.A.Z. berichtete. Neben einer Neustrukturierung von fixen und variablen Bestandteilen waren darin auch erstmals „Dämpfungsfaktoren“ für die Boni vorgesehen, die in so einer Situation zu deutlichen Gehaltseinbußen von bis zu 25 Prozent führen könnten.
Konkret bedeutet das: Verfehlt die Deutsche Bahn ihre Ziele in drei von sechs Kategorien, beeinflusst das auch den Bonus für die Bereiche, in denen die Ziele erreicht oder sogar übererfüllt wurden. Auch das gibt es bei der Bahn. Die Boni werden dann um die Hälfte gekürzt, insgesamt reduziert dies das mögliche Gehalt um 25 Prozent.
Zu den fünf schon bestehenden Kategorien kommt noch eine neue hinzu: die Nachhaltigkeit. Die bekommt im Konzern auch insgesamt ein stärkeres Gewicht, denn derzeit ist eine Umstrukturierung der Bahn im vollen Gange: Zum 1. Januar sollen das Schienennetz und die Bahnhöfe zu einer „gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft“ verschmolzen werden, die künftig nicht nur gewinnorientiert arbeiten soll, sondern sich vor allem an den Bedürfnissen der Kunden und des Klimaschutzes ausrichten soll.