THEO VAN GOGH: POPULIST FREDRICH MERZ & DIE LETZTEN TAGE DER AMPEL
Zurückweisungen : Union bricht Migrationsgespräche mit Regierung ab
Von Mona Jaeger, Matthias Wyssuwa FAZ – 10.09.2024,
Die Vorschläge der Bundesregierung gehen der Opposition nicht weit genug. Zuvor hatte Innenministerin Faeser ein Modell vorgestellt, das bestehende Verfahren deutlich beschleunigen soll.
Nach zwei Stunden platzt die politische Bombe. Schluss, Aus, die Union will nicht weiter mit der Ampel-Regierung über Verschärfungen des Migrationsrechts verhandeln. „Für Scheinlösungen oder Trippelschritte stehen wir aber nicht zur Verfügung“, sagt Roman Poseck am Dienstagnachmittag, Hessens Innenminister von der CDU. Einen Schuldigen macht er auch gleich aus: „Nach wie vor geben die Grünen in entscheidenden Fragen den Ton an. Es ist schon bemerkenswert, dass Spitzenpolitiker der Grünen der Bundesinnenministerin über den ganzen Tag in die Parade fahren.“
Das weist eine der wichtigsten Grünen kurze Zeit später deutlich zurück. Die Union mag die Gespräche mit der Ampel gesprengt haben, die Ampel selbst präsentiert sich geeint. Im Bundesinnenministerium sitzen neben der Hauschefin Nancy Faeser von der SPD Justizminister Marco Buschmann von der FDP und Annalena Baerbock von den Grünen. Eigentlich waren auch Unionsvertreter zu der Pressekonferenz eingeladen gewesen. Aber die kamen nicht.
Grüne wollen nicht als Schuldige dastehen
„Das war ein sehr wichtiges Gespräch“, sagt Baerbock, deren Partei von der Union als Hauptschuldige des Scheiterns ausgemacht wurde. „Die Lage ist sehr ernst.“ Die Bundesregierung könne aber nicht Dinge vorschlagen, die nicht umsetzbar und durchsetzbar seien, sagt sie.
Von grüner Seite war seit Tagen für das Szenario eines Gesprächsabbruchs durch die Union vorgebaut worden. Um eben nicht als Schuldige dazustehen. So hatte man stets betont, für Ideen offen zu sein, mit der entscheidenden Einschränkung, sie müssten rechtssicher sein und die Einheit Europas nicht belasten. Die Union hatte im Vorfeld der Gespräche verlangt, dass auch Personen an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch äußern.
Darauf wollte sich die Ampel-Regierung nach einer rechtlichen Prüfung nicht einlassen. Das Innenministerium legte stattdessen am Dienstag ein Modell vor, das bestehende Verfahren verschärfen und beschleunigen soll. Um Zurückweisungen im engeren Sinne handelt es sich also nicht.
Faeser stellt Schnellverfahren vor
So soll die Bundespolizei künftig im Falle eines geäußerten Asylgesuchs schon an der Grenze prüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dabei greifen die Bundespolizisten vor allem auf Daten in der europäischen Datenbank Eurodac zurück. Die ermittelten Daten gehen dann an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das über Asylanträge entscheidet. Wird festgestellt, dass die Person schon einen Asylantrag in einem anderen EU-Land gestellt hat, leitet das BAMF ein beschleunigtes Dublin-Verfahren ein. Dabei geht es um die Überstellung der Person in den Staat, der für den Asylantrag zuständig ist. Damit die Person nicht untertaucht, kann sie unter Umständen inhaftiert werden.
Deutschland werde „auf hoher politischer Ebene“ auf die europäischen Partner zugehen, damit eine rasche Zustimmung zur Überstellung erfolgt. Nach einer solchen Zustimmung ordnet das BAMF die Überstellung an, die Bundespolizei klärt derweil den Termin. Die Person wird durch die Bundespolizei in den zuständigen Mitgliedsstaat überstellt. Laut Faeser könnte das Modell innerhalb weniger Wochen implementiert werden. Faeser will die Pläne vorantreiben, unabhängig von der Union.
„Im Gespräch wurde recht schnell klar, dass für Zurückweisungen an deutschen Binnengrenzen der politische Wille in der Ampel-Koalition fehlt“, war aus Unionskreisen am Dienstag zu hören. CDU-Chef Friedrich Merz findet nach dem Abbruch der Gespräche harte Worte: „Die Ampel kapituliert vor den Herausforderungen der irregulären Migration. Die Bundesregierung ist handlungsunfähig und führungslos“, schreibt er auf der Plattform X.
Die Vorwürfe fliegen am Dienstag hin und her. Zwischendurch heißt es von Regierungsseite, Elemente des Europäischen Asylsystems sollten vorgezogen werden. Wie das gehen soll, kann niemand erklären. Die Union habe wiederum nur auf den, nach Ansicht nicht nur der Grünen, nicht rechtssicheren eigenen Vorschlag der Notlage verwiesen. Auf die Vorschläge aus der Koalition habe die Union gar nicht eingehen wollen.
An diesem Mittwoch wird es damit vermutlich weitergehen. Dann steht die Generaldebatte im Bundestag an, das Rededuell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Merz.