THEO VAN GOGH OUTLOOK: DIE „INTELLIGENZ” VOTIERT PRO TRUMP – VON ZUCKERBERG BIS MUSK!
US-Wahl : Trumps Präsidentschaft könnte Amerikas KI-Vorsprung enorm vergrößern
Von Martin Wendiggensen FAZ-04.09.2024
Trumps Visionen für eine neue Digitalpolitik sind im Silicon Valley beliebt – was die radikale Neuordnung für Europa bedeuten würde. Ein Gastbeitrag.
Wer auf Silicon Valley blickt, merkt schnell, dass sich Trump dort gerade im Wahlkampf ungewöhnlicher Beliebtheit erfreut. Die Technologiehochburg im liberalen Kalifornien ist eigentlich seit Langem mit ihren Stimmen und, noch wichtiger, ihren Brieftaschen den Demokraten zugewandt. Doch gerade kann Trump dort wichtige und öffentliche Unterstützung einholen. Dabei hilft nicht nur sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance, der dort als Investor arbeitete, sondern auch Trumps Wahlprogramm.
Im Vergleich zum Wahlkampf in den Jahren 2016 und 2020 ist sein Angebot an die mächtigen Gründer und Investoren deutlich ausgereifter. Ein Wahlerfolg Trumps würde einen radikal anderen Kurs in der Künstlichen Intelligenz, Wettbewerbspolitik und Regulierung sozialer Medien bedeuten.
Deregulierung und Investitionen in KI
Im Silicon Valley dreht sich gerade viel um Künstliche Intelligenz. Dazu bietet Trump seine konkreten Ideen an, mit denen er den Vorsprung zu Europa und China ausbauen will.
Als Erstes würde Trump seinem Wahlprogramm zufolge die Regierungsanordnung der Biden-Regierung zu KI abschaffen. Die Anordnung verpflichtet KI-Entwickler zum Einhalten von Regeln und Durchführen von Tests, die die Fairness und Sicherheit von KI-Modellen belegen sollen. Sie ist deutlich weniger komplex und aufwendig als der Europäische AI Act. Trotzdem beschweren sich gerade kleinere KI-Unternehmen, dass der bürokratische Mehraufwand und die rechtliche Unsicherheit ihren großen Konkurrenten einen Vorteil verschaffen. Trump bezeichnete die Regulierung als Hindernis für Wachstum. Eine Position, die im Silicon Valley auf viel Unterstützung trifft.
Aber Trump verspricht der KI-Branche noch weiteren Aufschwung. Zum einen verspricht er, die Strompreise zu senken, um das Entwickeln und Betreiben von Künstlicher Intelligenz günstiger zu machen. Außerdem hat ein Team seiner Berater große Direktinvestitionen in KI durch das Verteidigungsministerium vorgeschlagen. Ziel ist es, militärische Anwendungen von KI zu ermöglichen und in der Forschung China zu schlagen. Als Konsequenz würden allerdings Teile der KI-Branche zur Verteidigungsindustrie gehören – auch mit den dazugehörigen Exportbeschränkungen. Selbst Verbündete wie Deutschland könnten nur noch zweit- oder drittklassige Modelle angeboten bekommen, während die besten für Amerika vorbehalten wären.
Mit Regulierung, Investitionen und Strompreisen geht Trump Themen an, in denen das Silicon Valley Europa bereits als nicht wettbewerbsfähig ansieht. Eine Trump-Regierung würde den Vorsprung der USA in KI wohl noch ausweiten.
Lockere Wettbewerbspolitik
Besonders beliebt im Silicon Valley sind Trumps Ankündigungen einer lockereren Wettbewerbspolitik. Auch diese würde sich auf europäische Konsumenten auswirken. Denn die großen amerikanischen Firmen wie Google, Apple und Meta dominieren schon jetzt den europäischen Markt. Gegenüber europäischen Regulierungsversuchen zeigen sie sich relativ gelassen. Für sie ist nur die Strenge und Durchsetzung der amerikanischen Wettbewerbspolitik ausschlaggebend. Diese hatte Biden verschärft und auch Kartellverfahren gegen große Plattformen angestrengt.
Trump hingegen verspricht, Unternehmensvertreter an die Spitze seiner Wettbewerbsbehörden zu holen. Vorhersehbar ist auch, dass wieder mehr Fusionen und Akquisen erlaubt werden, als Biden sie zuließ. Es ist aber nicht nur eine Abkehr von Bidens Politik, sondern auch von Trumps erster Amtszeit, in der er gegenüber dem Silicon Valley kritisch war. Dieser Sinneswandel ist vor allem auf Trumps bessere Beziehung zu großen Investoren aus der Techbranche zurückzuführen. Gerade diese persönlichen Beziehungen machen auch die Umsetzung seiner digitalpolitischen Versprechen wahrscheinlicher. Denn Trump macht zwar oft widersprüchliche Zusagen, ohne diese umzusetzen, ist aber konsequent in der Belohnung seiner Unterstützer.
Kulturkampf auf Plattformen
Trump fühlt sich schon lange von den Moderatoren sozialer Medien ungerecht behandelt. Auf Facebook und Twitter wurde er sogar gesperrt. Hier scheint sich das Silicon Valley aber Trump angenähert zu haben: Twitter heißt nun X und gehört dem ausgesprochenen Trump-Unterstützer Elon Musk, der die Moderation reduziert hat und als einflussreicher Berater Trumps gilt.
Aber auch Mark Zuckerberg, der Chef von Meta, äußert sich nun bewundernd über Trump und kritisiert vor dem US-Kongress die eigene Zusammenarbeit mit der Biden-Regierung in der Bekämpfung von Desinformation über Corona.
Eine Trump-Regierung würde diese Trends noch beschleunigen. So hat Trump bereits angekündigt, die Regeln rund um Desinformation und Hassrede zu lockern oder abzuschaffen. Dies wird auch direkte Auswirkungen auf Europa haben. Zwar kann die Europäische Union versuchen, ihre Regeln durchzusetzen, dabei aber nicht auf Amerikas Unterstützung hoffen. Besonders wenn ein Trump-Vertrauter wie Musk dabei in einen rechtlichen Konflikt mit der Europäischen Union gerät, könnte dieser schnell politisch werden.
Mit seiner Digitalpolitik präsentiert Trump ein erstaunlich konsistentes Maßnahmenpaket. Dessen Umsetzung scheint Priorität zu haben und würde voraussichtlich früh in einer neuen Amtszeit erfolgen. Europa sollte sich dieser Realität bewusst sein, um sich auf Zeiten geringerer Kooperation und härteren Wettbewerbs vorzubereiten.
Martin Wendiggensen promoviert an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University in Washington, D.C. Sein Forschungsthema sind die Schnittpunkte zwischen Internationalen Beziehungen und Künstlicher Intelligenz.