THEO VAN GOGH NEWS: Ja zur Flugverbotszone? Ein Soli-Abend für die Ukraine auf der “Lit.Cologne” nimmt einen eher militanten Verlauf – oder wo Deniz Yücel nicht auf seinen Landsmann Erdogan verweist der die Ukraine mit 1st class Drohnen versorgt.

Von Alexander Menden SZ – 15.3.22

„ ….In einem Text, den der Schauspieler Ulrich Noethen vorträgt, vergleicht er den Krieg mit einem Fußballspiel, für das Europa zwar Schuhe und Fußbälle zur Verfügung stelle, aber keine Verteidiger, während Putin “ein hässliches Tor nach dem anderen schießt”. “Wir müssen zum Angriff übergehen, denn dieses Spiel nähert sich seinem Ende, und wir sind noch viele Tore im Rückstand.”

Eine von der Nato durchgesetzten Flugverbotszone über der Ukraine:  “Das wäre doch eine gute Idee, oder?”, fragt etwa Deniz Yücel, zum merklichen Missfallen eines Großteils der Zuschauer.

Dagegen klingen die Ex-Generäle in deutschen Talkshows wie Friedenstauben

Es ist fast, als sei im Laufe der Debatte aus dem “Nein zum Krieg” ein “Rein in den Krieg” geworden. Und es bleibt Navid Kermani überlassen, auf das hinzuweisen, was im Vergleich überaus gemäßigt klingende Militär-Pensionäre in deutschen Talkshows seit Wochen sagen: dass die Risiken einer von der Nato implementierten Flugverbotszone auch die Bombardierung russischer Flugabwehrpositionen einschließen könnte und die mögliche Eskalation, selbst die konventionelle, unkalkulierbar wäre. Das Lehnstuhlheldentum, das sich in emotionalen und undurchdachten Forderungen nach einem Eintritt der Nato in den Krieg Bahn bricht, steht seltsam quer zur eigentlichen Intention des Abends.

Sicher hat Sasha Filipenko recht, wenn er sagt, dass das Anstrahlen von öffentlichen Gebäuden mit den ukrainischen Farben eher der Selbstberuhigung des Westens dient, Flagge und Solidarität gezeigt zu haben. Genauso recht hat er sicher, wenn er sagt: “Ihr hättet nur Russia Today schauen und Putins Rhetorik ernst nehmen müssen, um zu wissen, dass dieser Krieg unvermeidlich kommen würde.”

In Kermanis Lesung aus seinem Buch “Entlang der Gräben” wird klar, dass vor Jahren schon Menschen klarsichtig erkannten, wohin die Reise gehen würde. Der ukrainische Politiker und Aktivist Mustafa Najjem, dessen Facebook-Post ein Auslöser der Euromaidan-Proteste im Jahre 2013 war, habe bei einem Gespräch in Kiew einen engeren Schulterschluss aller europäischen Staaten angemahnt, weil der nächste Krieg ganz bestimmt kommen werde. “Da hielt ein Ukrainer afghanischer Herkunft einem Iraner, der in Deutschland lebt, auf Persisch eine flammende Rede über die Bedeutung des europäischen Gedankens.”

Die Einigkeit, die der Ukraine-Krieg hervorgerufen und die auch ihn überrascht habe, müsse nun permanent werden, die europäische Tatenlosigkeit angesichts der Bombardierung von Grosny und Aleppo dürfe sich nicht wiederholen, sonst würden wir immer wieder erleben, “dass rücksichtslosere Staaten über unsere Köpfe hinweg entscheiden”, so Kermani: “Stellen Sie sich vor, was wäre, wenn Rumänien und Bulgarien nicht in der EU wären – dann wären sie jetzt auch Teil der ‘Pufferzone’.”

Wozu sind Veranstaltungen wie die der Lit.Cologne also gut? Zeigen sie, dass Autoren angesichts kriegerischer Aggression auch keine originelleren Ideen parat haben als andere Menschen? Dienen sie der Selbstberuhigung der Anwesenden? All das, klar. Letztlich mag jedoch das Wichtigste, sicher aber das Konkreteste, das Geld sein, das dabei zusammenkommt. Die Einnahmen gehen zur Hälfte an das Pen-Zentrum Deutschland, das sie zur Unterstützung verfolgter Autoren verwenden wird, und an das Blau-Gelbe Kreuz. Der Deutsch-Ukrainische Verein hilft Geflüchteten in Deutschland und schickt Medikamente ins Kriegsgebiet. Da nimmt man einen zwischenzeitlichen Überschuss an heißer Luft in Kauf.

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