THEO VAN GOGH MOVIES: Berlinale-Eröffnung : Tilda Swinton gab sich diplomatisch radikal – Kulturrevolutionär & pro PALÄSTINA
Von Bert Rebhandl FAZ 14.02.2025
Die 75. Berlinale unter der Leitung von Tricia Tuttle wurde mit einer Rede der Schauspielerin Tilda Swinton eröffnet, die mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde.
Das British Film Institute, kurz BFI, ist eine ehrwürdige Organisation. Gegründet schon 1933, kann es bis heute auch die Erfolge des britischen „War effort“ gegen NS-Deutschland auf seine Fahnen schreiben. Auf Filmemacher wie Humphrey Jennings („Listen to Britain“) oder Michael Powell und Emeric Pressburger („One of Our Aircraft is Missing“, „A Canterbury Tale“) begründet sich bis heute eine antifaschistische Tradition des Kinos, die Kopien liegen in den Archiven des BFI.
Zur Eröffnung der 75. Berlinale – der ersten, die Tuttle leitet – hatte sie sich am Donnerstag Verstärkung geholt. Die britische Schauspielerin Tilda Swinton wurde mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Sie erhielt von Edward Berger, in dessen kommendem Projekt „The Ballad of a Small Player“ sie mitspielt, eine eher rhetorisch beschwingte als inhaltlich substanzielle Laudatio. Und dann hielt Swinton selbst eine fulminante Rede, in der sich in einem Wechselspiel zwischen Abstraktheit und Anspielung viele heutige Machthaber angesprochen fühlen müssten, während sie umgekehrt eine radikale Vision eines „Reichs ohne Grenzen“ beschwor, in der es keine Deportationen geben würde, weil niemand eine Meldeadresse hätte.
Programm zur Rettung der Menschheit
Swinton brachte auch einen Film mit. Ihr Lebenswerk wird auf dieser Berlinale durch ein Frühwerk vertreten: „Friend-ship’s Death“ aus dem Jahr 1987 – eine Produktion des British Film Institute. Der Theoretiker und Experimentalfilmemacher Peter Wollen hat darin seine Erfahrungen mit dem revolutionären Kampf radikaler Palästinenser im Jahr 1970 verarbeitet, als sich in Jordanien das konservative Königshaus behaupten konnte – mithilfe von Unterstützern, die Linken wie Wollen als „imperialistisch“ galten, in erster Linie natürlich die Vereinigten Staaten. „Friendship“ ist in der Science-Fiction-Allegorie des Films eine Simulation, eine Künstliche Intelligenz, die aus der fernen Galaxie Procyon auf die Erde geschickt wurde. Ihr Zielort sollte ursprünglich das Massachusetts Institute of Technology sein, und von dort die Vereinten Nationen. Durch einen Lapsus in ihrem Programm landet sie jedoch in Amman.
„Friendship’s Death“ wurde in England in einem Studio gedreht, fast zwei Jahrzehnte nach dem Schwarzen September in Jordanien. Tilda Swinton, damals Mitte 20, spielte die Hauptrolle der „Freundschaft“. Von heute aus gesehen ist an dem Film vielleicht gar nicht so sehr die Auseinandersetzung eines britischen Intellektuellen mit seinem Engagement für die palästinensische Sache der vordringliche Aspekt, sondern diese Vorstellung eines Programms zur Rettung der Menschheit, das einerseits von außen kommt, in Wollens Phantasie aber eben auch aus dem innersten Innen von nachmenschlichen Entitäten, die nur noch Rechenleistungen sind.