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Gegen den „tiefen Staat“ : Wie Trump den Verwaltungsstaat zerlegen will
Von Majid Sattar, Washington 27.11.2024,
Trump will die Beamten auf Linie bringen. Sein Mann dafür ist Russ Vought, der schon in Trumps erster Amtszeit umstrittene Anweisungen umsetzte.
Acht Wochen vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus hat Donald Trump sein Kabinett zusammengestellt und wichtige Beraterposten vergeben. Das Ganze vollzog sich viel schneller als vor acht Jahren, als der Wahlsieg den Republikaner selbst unvorbereitet traf. Längst werden in Washington Bewerbungsgespräche geführt, um die zweite und dritte Reihe in den Ministerien zu besetzen.
Vertraute der nominierten Ministerkandidaten treffen in der Hauptstadt Anwärter auf Abteilungs- oder Stabsstellenleiterpositionen, die während der Biden-Jahre in der Privatwirtschaft ihr Geld verdient oder Unterschlupf in konservativen Thinktanks gefunden haben. Eng rückgekoppelt mit Trumps Übergangsteam in Mar-a-Lago wird das leitende Personal ausgewählt. Das entspricht dem üblichen Drehtüreffekt unter politischen Beamten. Mehr als 4000 von ihnen werden nach einem Machtwechsel in den Bundesbehörden ausgetauscht.
Diesmal bereitet sich die Beamtenschaft allerdings auf einem außergewöhnlichen Machtwechsel vor. Im Hauptstadtdistrikt und in seinen Vororten, wo 350.000 Bundesbeamte leben, geht die Angst um: Trump hat im Wahlkampf angekündigt, er werde den Verwaltungsstaat zerlegen. Die Gespräche auf den Fluren der Ministerien kreisen um die Frage: Wen wird es treffen? Welche Behörden werden geschlossen? Welche Stellen in die Provinz verlegt? Beamte im Bildungsministerium oder der Umweltbehörde EPA machen sich besonders große Sorgen, da die neue Regierung alles bekämpfen will, was als „woke Ideologie“ gilt.
Die Angriffe kommen aus unterschiedlichen Richtungen
Doch selbst im State Department, wo zunächst Erleichterung herrschte, als verkündet wurde, dass der Senator Marco Rubio Außenminister werden soll, herrscht inzwischen Misstrauen. Ein Diplomat, der namentlich nicht genannt werden will, fragte dieser Tage: „Ist Rubio womöglich nur ein Platzhalter? Eine Beruhigungspille? Kommt der eigentliche Disruptor erst später?“ Soll sich der Auswärtige Dienst, der in böser Erinnerung hat, dass in Trumps erster Amtszeit Mike Pompeo sein eigenes Ministerium als „Deep State Department“ verhöhnte, in falscher Sicherheit wiegen? Diplomaten, die in Referaten arbeiten, in den es um Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit oder um Gleichstellung und Diversität geht, denken schon über einen Jobwechsel nach. Die Interessenvertretungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind in Stellung.
Die Angriffe auf die Bundesbeamten kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Da sind zum einen Techmilliardär Elon Musk und sein Adlatus Vivek Ramaswamy, die künftig das „Department of Government Efficiency“ leiten sollen. Obwohl es „Ministerium“ genannt wird, soll „DOGE“, wie Musk es nennt, außerhalb des Regierungsapparats als Beratungsgremium firmieren und für drastische Einschnitte in dem Regierungsapparat sorgen. Musk und Ramaswamy haben in der vergangenen Woche in Washington und Mar-a-Lago Gespräche geführt, um Personal zu rekrutieren – Anwälte, Leute aus dem Silicon Valley, aber auch erfahrene Washington-Insider, die bereit sind, die Axt ans eigene System anzulegen.
Eigentlich ist das Bestreben, den Staat zu verschlanken, nichts Neues. In der neoliberalen Ära sprach Ronald Reagan davon, dass „der Staat das Problem ist und nicht die Lösung“. Und auch Bill Clinton, der seine Demokraten auf einen Dritten Weg führte, versprach, die Ära des „big government“, des aufgeblähten Staatsapparats, sei vorbei. In der Ära Trump heißt „Regierungseffizienz“ aber mehr als nur Bürokratieabbau. Es ist eine Kampfansage an die Bundesverwaltung, die nicht nur ein Hort einer links-woken Ideologie sei, sondern auch des „tiefen Staates“, der Trump in seiner ersten Amtszeit ausgebremst habe. Die Zerlegung des Verwaltungsstaates ist von Rache getrieben.
Musk und Ramaswamy präsentierten kürzlich im „Wall Street Journal“ ihr politisches Selbstverständnis – und offenbarten dabei, dass sie nie ein staatsrechtliches oder politikwissenschaftliches Proseminar besucht haben: Die amerikanischen Verfassungsväter habe die Idee geleitet, dass der Staat durch gewählte Vertreter und durch Gesetze handelt – und nicht durch „nicht gewählte Bürokraten und die durch sie erlassenen Verordnungen“. Der Verwaltungsstaat sei undemokratisch. Eine drastische Verringerung der Verordnungen sei die Voraussetzung für massiven Personalabbau in der Bundesverwaltung. Um den Beschäftigungsschutz zu umgehen, kann der Präsident Bundesbehörden etwa nach Nebraska oder Kansas verlegen. Dann müssen sich die Regierungsangestellten und deren Familien überlegen, ob sie den Großraum Washington verlassen und in der amerikanischen Prärie noch einmal neu anfangen wollen. „DOGE“ werde helfen, ihnen Jobs im Privatsektor zu verschaffen, schreiben Musk und Ramaswamy.
Die Bürokratie verhinderte Druckversuche auf Kiew
Die Autoren kündigen zudem an, eng mit dem „Office of Management and Budget“ (OMB), der Haushaltsbehörde innerhalb des Weißen Hauses, zusammenzuarbeiten. Trump hat dieser Tage einen alten Bekannten für den OMB-Direktorenposten nominiert: Russel „Russ“ Vought. Der 48 Jahre alte Republikaner leitete die Behörde, die er selbst die „Schaltzentrale der Exekutive“ nennt, zwischen 2019 und dem Ende der ersten Amtszeit Trumps schon einmal. Dort machte er damals Schlagzeilen. Er war derjenige, der Trump die Gelder zum Bau der Grenzmauer beschaffte, als der Kongress dem damaligen Präsidenten die Bewilligung verweigerte. Vought widmete einfach Mittel, die dem Pentagon zugewiesen waren, um. Er war auch derjenige, der seinerzeit Trumps Anweisung, die Militärhilfe für die Ukraine zurückzuhalten, ausführte.
Kürzlich hat er im Gespräch mit dem früheren Fox-News-Moderator und heutigen Trump-Vertrauten Tucker Carlson an die Episode erinnert: Trump habe seinerzeit Mittel für Kiew kürzen wollen, weil die Ukraine ein korruptes Land sei, erzählte Vought. Die Bürokratie, einschließlich John Bolton (damals Nationaler Sicherheitsberater) hätten dies aber ignoriert. Das sei unglaublich gewesen. Also habe er als OMB-Direktor den Geldfluss gestoppt. Dann sei die Hölle ausgebrochen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet worden.
Kein Wort von Vought zu Trumps Anruf bei Wolodymyr Selenskyj und dem Versuch, diesen zu nötigen, Belastungsmaterial über die Geschäfte von Joe Bidens Sohn Hunter in der Ukraine zu liefern. Ein Whistleblower im Nationalen Sicherheitsrat machte die Vorgänge später öffentlich. Das führte zum Impeachment. Vought kehrt, wenn der Senat ihn bestätigt, auf den gleichen Posten zurück. Seine Mission heißt Vergeltung. Er nennt den Verwaltungsstaat „das Regime“ oder auch „die eigentliche vierte Gewalt“, die über keinerlei politische Legitimation verfüge. Vought wurde übrigens nach dem Wahlsieg Bidens beschuldigt, dem Übergangsteam des Demokraten Kontakte zu OMB-Personal untersagt zu haben.
Er selbst hat sich einmal als „christlicher Nationalist“ bezeichnet. Bevor Trump unfreiwillig das Weiße Haus verlassen musste, wandte Vought sich im Januar 2021 an ihn und kündigte an, ein „Center for Renewing America“ zu gründen, welches das politische Projekt Trumps am Leben halten sollte. Der scheidende Präsident unterstützte die Idee und half, Spenden für die Denkfabrik zu sammeln. Ein Jahr später schrieb Vought, Amerika befinde sich in einer „postkonstitutionellen Zeit“. Die Linke habe Recht und Institutionen des Landes korrumpiert. Er setzte sich zum Ziel, gegen die „woke“ Bürokratie, die von den Linken als Waffe eingesetzt werde, vorzugehen.
Vought will auf zwei Arten vorgehen
Mit diesem Anspruch beteiligte er sich am „Project 2025“, einer unter der Federführung der erzkonservativen Heritage Foundation erstellten Blaupause für eine zweite Amtszeit Trumps, von der sich dieser selbst im Wahlkampf aus taktischen Gründen distanzierte. Vought, der selbst auch bei Heritage Action, dem Lobby-Arm der Stiftung, arbeitete, war in dem Projekt zuständig für die Erarbeitung von präsidentiellen Erlässen, die es Trump ermöglichen sollen, in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit die Exekutive komplett umzubauen, um die Macht des Präsidenten auszuweiten. So denkt Vought etwa daran, obere Bundesbehörden beziehungsweise unabhängige Regulierungskommissionen, die keinem Ministerium unterstellt sind, abzuschaffen oder in ihren Befugnissen zu beschneiden. Der moderne Verwaltungsstaat, der in der New-Deal-Ära unter Franklin D. Roosevelt entstanden ist, soll „dekonstruiert“ werden.
Vought will zweigleisig vorgehen. Es geht zum einen darum, den Ermessensspielraum der Verwaltung bei der Ausführung vager Gesetze zu verkleinern sowie dem Präsidenten das Recht zu geben, sich zu weigern, vom Kongress bewilligte Gelder auszugeben. Beides greift in die Gewaltenteilung ein und dürfte zu Konflikten zwischen Legislative und Exekutive führen. Zwar hat der Supreme Court schon in den Achtzigerjahren das Mittel des legislativen Vetos für verfassungswidrig erklärt, mit dem der Kongress die Kontrolle über die von ihm an die Verwaltung delegierten Kompetenzen behalten hatte. Doch blieb die parlamentarische Kontrolle über die Gesetzesausführung auf informeller Ebene faktisch bestehen. Zudem sieht der „Congressional Budget and Impoundment Control Act“ von 1974 vor, dass die Einbehaltung bereits bewilligter Gelder der Zustimmung des Kongresses bedarf. Voughts Pläne dürften vor dem Supreme Court landen.
Zum anderen will der nominierte OMB-Direktor das Beamtenrecht aus den Angeln heben: In dem Gespräch mit Tucker Carlson sagte Vought, man müsse halt wissen, wie man Bundesbeamte feuern könne, und nahm Bezug auf den „Schedule F“. Trump hatte Wochen vor den Präsidentenwahlen 2020 den „Civil Service Reform Act“ per Erlass durch den „Schedule F“ ergänzt. Das Gesetz aus dem Jahr 1978 unterschied zwischen Karrierebeamten und politischen Ernennungen. Letztere genießen keinen Beschäftigungsschutz. „Schedule F“ hätte deren Zahl per Umstufung von rund 4000 auf etwa 50.000 erhöht. So wollte Trump in der Lage sein, ihm gegenüber illoyale Beamte vor die Tür zu setzen. Biden machte den Erlass nach Amtsantritt umgehend rückgängig. Nun will Vought abermals auf das Instrument zugreifen. Im Justizministerium, im State Department, im Pentagon und unter den Nachrichtendiensten fürchtet man politische Säuberungen.