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Correctiv-Story über AfD : Was bleibt vom „Geheimplan gegen Deutschland“?
Von Michael Hanfeld FAZ – 28.01.2025, 10:31
Vor einem Jahr versetzte die „Correctiv“-Recherche Deutschland in Aufruhr. In einem Potsdamer Hotel sollen sich Rechtsextreme und AfD-Politiker getroffen haben, um die Vertreibung von Millionen Menschen zu planen. Hat die „Masterplan“-Darstellung Bestand?
Am 10. Januar vor einem Jahr wartete das Journalistenkollektiv Correctiv mit einer vermeintlichen Sensation auf. Während eines Treffens in einem Landhotel nahe Potsdam im November 2023 hätten „hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer“ einen „Geheimplan gegen Deutschland“ geschmiedet, der „nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ bedeute, hieß es.
Das sah nach einem Scoop aus. Zahlreiche Medien übernahmen die Darstellung, Millionen Menschen gingen auf die Straße, Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb, „wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung“ richte, sei „ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“.
„Ein ,Masterplan’ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“
Die Sachlage schien, obschon der von dem „Geheimtreffen“ handelnde Text weniger durch Präzision denn durch Theatralik auffiel, so eindeutig, wie es der „Epilog“ des Traktats bis heute formuliert: Was bleibe, sei „ein ,Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern; also ein Plan, um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“.
Ein Jahr später ist diese Einschätzung mehr als umstritten. Man könnte auch sagen: Es bleibt wenig davon übrig. Folgt man dem Urteil, welches das Landgericht Berlin II Mitte Dezember des vergangenen Jahres gefällt hat (Az. 2 O 296/24eV), ist die Botschaft, die der Text von Correctiv transportierte, sogar falsch.
Nach dem Bekanntwerden des Potsdamer „Geheimtreffens“ im Januar kam es deutschlandweit zu Protesten gegen die AfD.Imago
Das Gericht wies den Antrag auf einstweilige Verfügung ab, den Correctiv gegen die AfD-Politikerin Beatrix von Storch gestellt hatte. Von Storch hatte mit Blick auf den Bericht über das Treffen in Potsdam von der „dreckigen Correctiv-Lüge“ gesprochen. Das ließ ihr das Gericht als Meinungsäußerung durchgehen. Es handele sich nicht um „unzulässige Schmähkritik“, zudem lägen für ihre Äußerungen „zureichende Anknüpfungstatsachen“ vor, auf die sie ihre Meinung stützen könne, einen „erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern“ enthalte ihre Einlassung nicht.
„Von der Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung auszugehen“
Warum? Weil, so die Richter, der Artikel von Correctiv bei vielen Lesern und vor allem unter Journalisten den Eindruck erweckt habe, in Potsdam sei ein „Masterplan“ entworfen worden, der „auf die „Ausweisung auch von deutschen Staatsangehörigen“ ziele. Prozessual sei jedoch „von der Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung auszugehen“. In der öffentlichen Wahrnehmung sei ein „falscher Eindruck“ entstanden, der für von Storchs Partei, die AfD, von erheblicher Bedeutung sei, weil über ein Verbot der Partei diskutiert werde.
Für Correctiv war das Urteil eine herbe Niederlage, die allerdings noch nicht rechtskräftig ist. Die Journalistengruppe hat, wie sie auf Anfrage der F.A.Z. mitteilt, Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts Berlin II eingelegt und ist „zuversichtlich, dass das Kammergericht diese Entscheidung so bewertet, wie es auch andere Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen schon getan haben“.
Was bedeutet „Remigration“ genau?
Aber wie war das denn nun in Potsdam? Gab es einen „Masterplan“ zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland, oder gab es ihn nicht? Die „Zeit“ hat dazu kürzlich Zeugnisse von an dem Treffen Beteiligten zusammengetragen. Der Tenor lautet, wenig verwunderlich, dass ein solcher „Masterplan“ mitnichten geschmiedet worden sei. Es sei um verschiedene Dinge gegangen, um „Remigration“, um Spendensammeln für PR-Projekte, um gegenseitiges Kennenlernen. „Harmlos“ sei das gewesen, zitiert die „Zeit“ einen der Teilnehmer.
Harmlos ist das, worüber der rechtsextreme Aktivist und ehemalige Sprecher der Identitären Bewegung in Österreich bei dem Treffen in Potsdam unbestritten sprach, jedoch keineswegs: Er sprach davon, Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und – so schreibt Correctiv – „nicht assimilierte Staatsbürger“ sollten das Land verlassen. Das vertrat und vertritt Martin Sellner nicht nur bei dieser Gelegenheit. Und versteht man die AfD richtig, ist „Remigration“ in der Partei gänzlich unumstritten.
Der Knackpunkt: Teilnehmer des Treffens bestreiten, dass die Ausweisung deutscher Staatsbürger auf allgemeine Zustimmung gestoßen sei. Der Hauptrechercheur der Correctiv-Story äußert sich in der „Zeit“ uneindeutig. Ob das Wort „Vertreibung“ bei dem Treffen in Potsdam denn überhaupt gefallen sei, wollen die „Zeit“-Autoren von ihm wissen: „Antwort, nach kurzem Zögern: Nein. ,Aber natürlich war es gemeint.’“
„Einordnung ist auf Zitate bezogen, die unstrittig sind“
Nicht ausdrücklich gesagt, aber gemeint und, nachdem es von Correctiv aufgeschrieben war, so von vielen verstanden? Wir fragen den Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels. Die „Einordnung“ von Correctiv, sagt er, sei „auf Zitate bezogen, die unstrittig sind. Der Rechtsradikale Martin Sellner war in der uns vorliegenden schriftlichen Einladung zu der Veranstaltung in Potsdam als Hauptredner angekündigt, um ein ,Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans‘ vorzustellen.“
Sellner habe „sein Konzept der ,Remigration‘ vorgestellt, das die zitierten drei Gruppen umfasst, darunter auch ,nicht assimilierte Staatsbürger‘. Während der Diskussion dazu sagte er, dass die ,Remigration‘ durch ,maßgeschneiderte Gesetze‘ und ,Anpassungsdruck‘ durchsetzbar sei. Er sprach zudem in Bezug auf sein Gesamtkonzept von ,zwei Millionen, die an einen Ort in Nordafrika bewegt‘ werden könnten.“
Aus „diesen Zitaten und dem weiteren auch zitierten Verlauf der Veranstaltung“, so von Daniels weiter, „haben wir die journalistische Einordnung vorgenommen, dass es darum ging, ,Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben‘. Kern ist die pauschale Verdrängung von Menschen, die Sellner in drei Gruppen unterteilt; darunter auch deutsche Staatsbürger. Das haben wir in dem Text auch genauso beschrieben und differenziert.“
Treffpunkt: Im Landhaus Adlon in Potsdam sprach Martin Sellner über „Remigration“.
So genau und differenziert findet man es in dem wie für ein Theaterstück aufgesetzten Text gerade nicht, was vor einiger Zeit der Rechtsexperte Felix Zimmermann, der Journalist Stefan Niggemeier und der Leiter der Henri-Nannen-Schule, Christoph Kucklick, scharf kritisiert haben. Der Text unterstelle, statt zu belegen, er raune, statt zu erklären, er interpretiere, statt zu dokumentieren.
Raunen, statt zu erklären
Das Raunende ist vielen Journalisten und Medien, die die Correctiv-Story transportiert und auf den knappen Nenner gebracht haben, in Potsdam sei ein Masterplan zur illegalen Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geschmiedet worden, inzwischen auf die Füße gefallen. Sie kassierten Unterlassungsverfügungen. Der Anwalt Carsten Brennecke zählt einige in den Klagen, die er vor ein paar Tagen für seine Mandanten Ulrich Vosgerau und Gernot Mörig gegen die Correctiv-Story vor dem Landgericht Hamburg eingereicht hat, auf: NDR, SWR, ZDF, „Campact“ und die Grüne Bürgerschaftsfraktion in Hamburg.
Drei Darstellungen will Brennecke Correctiv verbieten lassen: den Satz aus dem „Epilog“: „ein ,Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern; also ein Plan, um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“. Den Satz „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können“. Und: „spricht von einem Expertengremium, das diesen Plan – die Vertreibung der Menschen mit Migrationshintergrund, auch deutscher Staatsbürger – ausarbeiten soll“.
„Erweckung eines falschen Eindrucks“
Hierbei, so die Klage, handele es sich um Falschbehauptungen. Es sei nicht die Ausweisung deutscher Staatsbürger geplant worden, und Martin Sellner habe in Potsdam auch nicht eine „Ausbürgerungsidee“ vorgestellt. Der Bericht von Correctiv habe mit seinem Duktus „die Grenze von der gerade noch zulässigen Meinungsäußerung hin zur Erweckung eines falschen Eindrucks beziehungsweise einer falschen Tatsachenbehauptung überschritten“.
Correctiv habe, als sich andere Medien wegen ihrer verkürzten Darstellungen einstweilige Verfügungen einfingen, nicht für Klarheit gesorgt, sondern „sehenden Auges“ hingenommen, „dass die Berichterstattung Nährboden für immer neue Fehlvorstellungen und daraus resultierende Falschberichterstattung“ sei. Correctiv bemühe sich sogar „zielgerichtet darum, die Fehlvorstellungen aufrechtzuerhalten“, indem „immer wieder ohne weitergehende Einordnung kommuniziert wird, die Kernaussagen des Berichts seien unbeanstandet geblieben“.
Dabei habe ein Anwalt von Correctiv selbst in einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg im Februar 2024 bestätigt, dass es auf dem Treffen „unter den Teilnehmern im Rahmen der Diskussion nicht weiter erörtert wurde, welche Möglichkeiten bestehen, aktuell deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass unmittelbar aufgrund rassistischer Kriterien auszuweisen“.
Martin Sellner habe in Potsdam, so der Anwalt Brennecke, „mit keinem Wort geäußert oder auch nur leise angedeutet, dass er die Idee hat, deutsche Staatsbürger auszubürgern, ihnen also die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen.“ Auch dies habe der Anwalt von Correctiv bei dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg im Februar 2024 bestätigt.
Was ist mit dem „Epilog“?
Wie verträgt sich das mit dem „Epilog“, also dem Fazit, das bis heute unter dem Correctiv-Text steht? „Remigration“, sagt der Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels auf unsere Anfrage, sei „der Tarnbegriff, den wir auch vor dem Hintergrund der Diskussionen auf dem Treffen eingeordnet haben“. In der Recherche nehme man „ausdrücklich Bezug darauf, dass die Teilnehmer, aber auch Sellner betonen, dass die Pläne nicht gegen Gesetze verstoßen sollen.
Sellner selbst schlägt daher ja auch ,maßgeschneiderte Gesetze‘ vor, die de facto das Ziel haben, ,nicht assimilierte‘ Staatsbürger aus dem Land zu drängen.“ Das Verwaltungsgericht München sei bei einer Entscheidung zu einer „vergleichbaren Schlussfolgerung“ gekommen. „Wir halten an unserer Einordnung, die wir aufgrund der nicht bestrittenen Äußerungen auf dem Treffen vorgenommen haben, fest und wehren uns gegen die Klage der beiden Teilnehmer“, sagt Justus von Daniels.
Den feinen Unterschied zwischen Tatsachenbehauptung – die bei einer Recherche entscheidend ist – und „Einschätzung“ oder „Einordnung“ kann man an dieser Stelle heraushören. Und für die Einordnung wiederum, worum es sich bei dem Treffen im Landhaus Adlon bei Potsdam, das inzwischen anders heißt, wirklich gehandelt hat, ist das entscheidend. Zwischen einem „Masterplan“ zur Vertreibung von Millionen Menschen und einer Tagung mit achtzehn Teilnehmern, die sich den Rechtsextremisten Sellner anhörten, aber keinen „Plan“ schmiedeten, liegen Welten. Das Landgericht Hamburg wird entscheiden müssen, worum es hier geht – „dreckige Lüge“, Falschbehauptung oder „Einordnung“.