THEO VAN GOGH DIE RECHNUNG : AMERIKA(USA) INVESTIERTE / DEUTSCHLAND ZAHLT !

Seltene Erden für Trump : Welche begehrten Rohstoffe in der Ukraine schlummern

Von Andreas Mihm FAZ 14.02.2025 Mit der Forderung nach wertvollen Mineralien für Chips oder E-Autos als Gegenleistung für Militärhilfe ändert Donald Trump die Spielregeln in der Ukraine. Europas Industrie ist beunruhigt.

Von den 15 Milliarden Dollar, die die US-Investmentbank Blackrock für den Aufbau einer ukrainischen Wiederaufbaubank organisieren wollte, hat man seit der Ankündigung im Januar vorigen Jahres nicht mehr viel gehört. Schneller ging es mit der Umsetzung der vor Wochenfrist vorgetragenen Forderung von US-Präsident Donald Trump, die Ukraine möge amerikanischen Unternehmen im Gegenzug für Militärhilfe den Zugriff auf ihre beträchtlichen Vorkommen an Seltenen Erden ermöglichen. Es dauerte es nur wenige Tage, bis der neue Finanzminister Scott Bessent dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Wochenmitte in Kiew den Vertragsentwurf in die Hände drückte.

Seltene Erden, die in großen Mengen für Handys, Elektroautos, Windkraftanlagen und Computer benötigt werden und vielfach aus China stammen, sind nicht das einzige, was die Ukraine Trump zu bieten hat. Kiews Außenminister Andriy Sybiha hob Möglichkeiten der Teilnahme amerikanischer Firmen am Wiederaufbau hervor: „Dies wird eines der größten Projekte dieses Jahrhunderts und eine bedeutsame Chance für unsere Verbündeten sein.“

Jahrhundertprojekt: Der ukrainische Außenminister Andriy Sybiha ist offen für einen Rohstoffdeal mit Verbündeten.AFP

Europäische Wirtschaftsvertreter sorgen sich bereits davor, bei dem in Kiew eingefädelten Jahrhundertdeal ausgebootet zu werden. In Berlin verlangt Ostausschuss-Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser, Finanzhilfen für den Wiederaufbau des Landes stärker an die Beteiligung deutscher und europäischer Unternehmen zu knüpften. In Wien warnt der Vorsitzende der Industriellenvereinigung, Georg Knill, es gelte jetzt „aufzupassen, dass das Rosinenpicken in der Ukraine nicht zum Nachteil Europas ausfällt.“

Flüssiggas aus den USA für die Ukraine und Europa

Kiews Außenminister Sybiha bringt derweil einen Rohstoff ins Spiel, den Trump gut kennt: LNG. Verflüssigtes Gas aus Amerika lasse sich gut in den großdimensionierten Gasspeichern im Westen des Landes einlagern. Das sei für beide Seiten vorteilhaft und diene der Energiesicherheit Europas, wobei europäische Verbraucher mutmaßlich die Zusatzkosten tragen müssten.

Mit dem US-Konzern Westinghouse hat Kiew schon den Neubau von Kernkraftwerken verabredet. Auch bei dem diese Woche vom Parlament in Kiew beschlossenen Ankauf zweier eingemotteter sowjetischer Atomreaktoren aus Bulgarien dürften amerikanische Interessen eine Rolle spielen: Westinghouse hat einen Neubauauftrag für ein Atomkraftwerk in Bulgarien in der Tasche. Da würde der erwartete Verkaufserlös von mindestens 600 Millionen Euro, den die Regierung in Sofia anstrebt, bei der Finanzierung helfen – sowie fürs Erste das Haushaltsdefizit senken und so den Weg in den Euro ebnen. In Kiew setzen sie derweil für die Bezahlung der von Kritikern „russischer Schrott“ genannten Kraftwerksteile auf europäische Hilfe.

Das wirtschaftliche Interesse der USA an der Ukraine ist neu. Der Warenverkehr zwischen den beiden Ländern war bisher nicht eben bemerkenswert. Im vergangenen Jahr summierten sich die US-Exporte nach einer Übersicht der amerikanischen Regierung auf 1,7 Milliarden Dollar, die Importe aus der Ukraine auf 1,2 Milliarden Dollar. Das waren etwa drei Prozent der ukrainischen Ausfuhr von 41,7 Milliarden Dollar. Der ukrainische Handel mit Deutschland, erst recht mit der EU, betrug ein Vielfaches des US-Geschäftes.

Doch ist das militärische und politische Gewicht Amerikas bei Friedensgesprächen mit dem russischen Aggressor ungleich größer als das der EU. Entsprechend präsentiert Trump der Ukraine die Rechnung für die US-Unterstützung: „Sie verfügen über extrem wertvolles Land in Bezug auf Seltene Erden, Öl und Gas“, sagte der dem Sender „Fox News“ mit Verweis auf die angeblich „Hunderte Milliarden Dollar“ schwere Unterstützung Washingtons. „Wir müssen etwas holen. Wir können dieses Geld nicht weiterzahlen“. Laut Kieler Institut für Weltwirtschaft betrug der US-Anteil an der gesamten Ukrainehilfe für Militär, Haushalt und Humanitäres von Januar 2022 bis Dezember vorigen Jahres 114 Milliarden Dollar. Trump sagte, Selenskyj sei bereit, den USA im Austausch für Waffen Zugang zu Rohstoffen im Wert von 500 Milliarden Dollar zu gewähren. Doch verlangt der ukrainische Präsident vor allem Sicherheitsgarantien. Über Mineralien habe er mit Finanzminister Bessent nur „im Allgemeinen“ gesprochen, sagte Selenskyj am Mittwoch.

Die Ukraine sitzt auf vielen unerschlossenen Bodenschätzen

Mineralien hat das nach Russland flächenmäßig zweitgrößte Land Europas viele. Laut dem Verband ukrainischer Geologen, zitiert vom wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Budenstages, bedeckt die Ukraine zwar nur 0,4 Prozent der Erdoberfläche, verfügt aber über etwa fünf Prozent der weltweiten Mineralressourcen. Acht der 17 von der EU als strategisch wichtig eingeschätzten Rohstoffe werden dort angebaut, darunter Aluminium, Mangan, Grafit und Titan. Entsprechend groß sind europäische Interessen an Rohstoffpartnerschaften mit Kiew.

Andere Mineralienvorkommen wie das für die Batterieproduktion wichtige Lithium sind kaum oder nicht erschlossen. „Die ukrainischen Rohstoffvorkommen sind unterexploriert, unausgeschöpft und umkämpft“, bringt die Konrad-Adenauer-Stiftung die Lage in einer Analyse auf den Punkt.

Tatsächlich liegt ein großer Teil der Vorkommen in umkämpften oder von Russland besetzten – und damit wirtschaftlich derzeit durch die Ukraine nicht nutzbaren – Gebieten im Osten. „42 Prozent der Metallreserven, 33 Prozent der Seltenen Erden, 63 Prozent der Kohle, 11 Prozent des Öls und 20 Prozent des Erdgases stehen unter russischer Kontrolle“, schreibt das Kiewer Portal „Ukraine Business News“.

Allein das erschwert den Zugriff und relativiert Mutmaßungen über den Wert der ukrainischen Mineralien-Vorkommen in Höhe vermeintlich zweistelliger Billionen-Dollar-Beträge. Es zeigt zugleich die Dimension potenzieller Verluste der Ukraine, die dauerhafte Gebietsabtretungen an Russland nach einem von Trump organisierten Waffenstillstand hervorrufen würden.

Aber auch in den nicht direkt vom Krieg betroffenen Gebieten läuft es mit dem Abbau am Weltmarkt gesuchter Mineralien nicht rund. Die seit 1934 betriebene Grafitmine im 300 Kilometer südlich von Kiew gelegenen Zavalievsky ist seit Dezember geschlossen. Der australische Mehrheitseigner Volt Resources machte dafür hohe Stromkosten, veraltete Produktionsinfrastruktur und steigende Logistikkosten verantwortlich. Ob man die Mine, eine der größten in Europa bekannten Grafitlagerstätten, nach dem Winter wieder in Betrieb nehme, hänge ab vom Preis und der Nachfrage, sagte CEO Prashant Chintawar dem Fachdienst S&P Global Commodity Insights. Schnelle Gewinne sind eher nicht zu erwarten. Auch wenn der Verband der ukrainischen Bergbauindustrie in Trumps Vorstoß eine Chance zur Entwicklung des Abbaus kritischer Metalle sieht.

 

Andreas MihmWirtschaftskorrespondent