THEO VAN GOGH : ANYWAY – TOTALE US-PLEITE!? Nächste US-Regierung : Ob Harris oder Trump – die Schulden steigen auf Rekordhöhe

Von Falk Heunemann FAZ 23.10.2024,

Die US-Präsidentschaftskandidaten müssen ihre teuren Wahlversprechen über neue Schulden finanzieren. Dabei überschreitet die Staatsverschuldung schon bald eine wichtige Grenze.

Der „Trump Trade“ ist zurück: Der Dollarkurs auf einem Zwei-Monats-Hoch, Bitcoin 13 Prozent im Plus, am Optionsmarkt setzen Händler auf fallende Eurokurse. Seit der republikanische Präsidentschaftsbewerber jüngst in den Umfragen auf Kamala Harris aufgeholt hat, scheint es Marktteilnehmern wieder wahrscheinlicher, dass Donald Trump die nächste Regierung führt – und dann die Staatsschulden, Inflation und damit auch die Leitzinsen steigen. Dabei unterscheidet sich Trump in seiner Finanzpolitik nicht fundamental von seiner Herausforderin. Auch unter ihr stiegen die Staatschulden auf Rekordhöhe.

In den vergangenen Wochen haben mehrere Institutionen durchgerechnet, wie teuer die Wahlversprechen der Kandidaten Harris und Trump werden – sofern beide diese durch den Kongress bekommen, der den Staatshaushalt beschließt. Die Tendenz der Kalkulationen ist gleich: Beide Politiker würden die Staatsverschuldung weiter erhöhen – wobei der Republikaner, dessen Partei einst für fiskalische Besonnenheit und Schuldenabbau stand, demnach erheblich teurere Versprechungen abgegeben hat als die Demokratin.

Die jüngsten Zahlen stammen von der überparteilichen Organisation Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB). Harris’ Vorhaben werden demnach in den nächsten zehn Jahren neue Schulden von 3,5 Billionen Dollar erzwingen, die von Trump mehr als doppelt so viel, rund 7,5 Billionen Dollar. Und das sind die Mittelwerte, im Extremfall könnten die Schulden, je nach Ausgestaltung und konjunktureller Entwicklung, jeweils doppelt so stark steigen wie angenommen. Die Analysten haben dabei schon mögliche Zusatzeinnahmen aus höheren Zöllen (Trump) oder Steuern (Harris) einkalkuliert.

Zu ähnlichen Ergebnissen sind die Ökonomen der Wharton School gekommen, dem Wirtschaftsbereich der angesehenen University of Pennsylvania. Ihr Rechenmodell hat Ende August ergeben, dass Harris die Staatsverschuldung um 1,2 Billionen bis 2034 erhöhen würde, Trump um 5,8 Billionen. Die Ergebnisse fallen etwas niedriger aus, weil in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt war, dass Trump inzwischen Überstunden von der Steuer befreien will (Kosten: zwei Billionen Dollar in zehn Jahren) und Harris höhere Steuerrabatte für Kinder (1,4 Billionen Dollar) versprochen hat.

Größter Kostentreiber bei beiden aber ist die Verlängerung der 2017 unter Trump beschlossenen Steuersenkungen, die eigentlich Ende 2025 auslaufen sollten. Die Demokratin will diese nur für Haushalte mit weniger als 400.000 Dollar Jahreseinkommen verlängern, während der Republikaner die damalige Steuersenkung nicht nur für alle beibehalten, sondern auch ausdehnen will. Laut den Rechnungen kostet allein dieses Steuerversprechen von Trump 5,3 Billionen Dollar in zehn Jahren, bei seiner Gegnerin sind es drei Billionen.

Höhere Zölle statt Steuereinnahmen

Dass beide Rechenmodelle Harris als fiskalisch Verantwortungsbewusstere sehen, zeigt sich auch auf der Einkommensseite. Wharton wie das CRFB halten es für realistisch, dass die Demokratin deutlich mehr durch ihre geplanten Steuererhöhungen erlösen kann als Trump durch höhere Zölle. Harris möchte beispielsweise den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent anheben sowie eine Steuer von 28 Prozent auf Kapitaleinkünfte von Einkommensmillionären einführen. Derzeit werden diese mit maximal 20 Prozent besteuert. Unter dem Strich darf sie demnach mit Einnahmen von 4,2 Billionen Dollar rechnen, ihre Wahlversprechen wären damit zu etwas mehr als der Hälfte finanziert.

Trump dürfte zwar mit 2,7 Billionen aus höheren Zöllen bis 2035 rechnen, makroökonomische Folgen von Zollerhöhungen sind aber darin nicht eingerechnet. Zudem will er beispielsweise Steuerrabatte für Klimaausgaben streichen und allgemein Verschwendung in der Verwaltung reduzieren. Doch seine Wahlversprechen, die insgesamt mehr als zehn Billionen Dollar kosten würden, könnten damit nur zu einem Drittel bezahlt werden.

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Der Republikaner Trump hat in den vergangenen Wochen in Reden wiederholt ausgedrückt, dass er die Staatsausgaben immer weniger aus Einkommen- und Unternehmenssteuern finanzieren wolle und immer mehr aus höheren Zöllen. „Das schönste Wort im Wörterbuch ist „Zoll“, sagte er vor wenigen Tagen erst im Economic Club of Chicago. In seinem Verständnis müssen die Importaufschläge von den Exporteuren in China oder Europa gezahlt werden, nicht von den Importeuren in den USA. Dass tatsächlich Zölle von durchgängig 10 bis 20 Prozent auf alles – 60 Prozent auf chinesische Waren – die Inflation anheizen könnten, weil sie auf die Konsumentenpreise aufgeschlagen werden, hält er für einen abwegigen Gedanken. Oder auch dass andere Länder ihrerseits Zölle auf amerikanische Waren erheben könnten. Ganz zu schweigen davon, dass ein durch Zollpolitik gestärkter Dollar schlicht das Handelsdefizit vergrößern würde, das Trump eigentlich verringern will.

Schuldenquote von mehr als hundert Prozent im nächsten Jahr

Das Peterson Institute hat kürzlich berechnet, dass die von Trump vorgeschlagenen höheren Zölle in der Theorie bis zu 200 Milliarden Dollar jährlich einbringen könnten. Das ist ein Zehntel dessen, was der Staat derzeit aus Einkommensteuern von Privatleuten und Unternehmen kassiert. „Es ist unmöglich, dass Zölle Einkommensteuern voll ersetzen“, warnt die unabhängige Denkfabrik aus Washington. Höhere Zölle könnten, schreiben die Analysten, zwar Steuersenkungen zum Teil finanzieren, doch wegen der Progression würden von diesen Senkungen hauptsächlich Topverdiener profitieren, während die Zölle vor allem bei Geringverdienern zu erheblichen Einkommensverlusten führen würden.

Dabei waren die Republikaner lange Jahrzehnte die Partei, die sich den Wählern als schuldenbewusst dargestellt hat und Demokraten als Steuergeldverschleuderer brandmarkten. Im September und davor im Januar erst hat die Partei im Kongress den jeweiligen Haushaltsplan der Biden-Regierung blockiert und auf Kürzungen gepocht, beide Male konnte erst in fast letzter Minute ein „Government Shutdown“ verhindert werden. Und jedes Jahr drohen die republikanischen Abgeordneten an, die Schuldenobergrenze nicht zu erhöhen, selbst wenn dies den Märkten eine Zahlungsunfähigkeit der USA signalisieren würde.

Gestimmt hat dieses Image der haushaltsbewussten Republikaner schon in der Vergangenheit nicht wirklich. Unter Ronald Reagan verdreifachte sich die Staatsverschuldung fast auf 2,8 Billionen, George Herbert Walker Bush fügte infolge von Rezession und Irakkrieg weitere 1,5 Billionen hinzu. Bushs demokratischer Nachfolger Bill Clinton stabilisierte die Schuldenlast bei rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – dieser Wert gilt mittlerweile in der Europäischen Union als Schuldenobergrenze. Die folgenden Präsidenten George Walker Bush, Barack Obama und Trump jedoch haben die Schulden immer weiter erhöht, sei es durch Kriegskosten, die Bankenrettung 2008, Covid-Hilfen oder weitere Steuersenkungen.

Doch zumindest wurde die steigende Verschuldung in der Vergangenheit in früheren Wahlkämpfen problematisiert. Seit Trump ist sie kein Thema mehr.