THEO VAN GOGH ANKÜNDIGUNG: FRANKFURTER BUCHMESSE TOTAL LAZY CRAZY WOKE! (MIT BUCH-VORZENSUR & GESINNUNGSPOLIZEI DIESMAL!)

Reinhard Mohr ACHGUT ACHSE  29.09.2022 / Schöne neue Wokeness-Welt auf der Frankfurter Buchmesse

Zu den Novitäten der kommenden Frankfurter Buchmesse gehört ein „Code of Conduct”, dessen Einhaltung von einem „Awareness-Team“ aus „Antidiskriminierungsberatern und -beraterinnen“ überwacht wird, das mit einem eigenen Stand und „einer Telefon- und E-Mail-Bereitschaft“ auf der Messe vertreten sein wird. 

Gut 500 Jahre hat es gedauert, bis die altehrwürdige Frankfurter Buchmesse, die in der spätmittelalterlichen Ära des Buchdruckrevolutionärs Johannes Gutenberg gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1949, glanzvoll wiederbelebt wurde, endlich „diskriminierungssensibel“ geworden ist. In den hehren Worten des „Code of Conduct“ 2022, einer absoluten Novität in der Geschichte der größten Bücherschau der Welt:

Die Messe steht für Diversität; sie lebt von der Vielfalt ihrer Aussteller*innen und Besucher*innen und einem Austausch auf Augenhöhe im offenen Dialog. Allen Teilnehmenden der Frankfurter Buchmesse möchten wir ein gutes Messe-Erlebnis bieten – unabhängig von Geschlecht und geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung und Identität, Behinderungen, ethnischer Herkunft, Nationalität, Alter, Sprache, Religion oder Weltanschauung. 

Dass eine internationale Buchmesse mit tausenden Verlagen und zehntausenden Neuerscheinungen aus hundert Ländern von der „Vielfalt“ lebt, mag den einen oder anderen überraschen. Genau deshalb wird es zum ersten Mal ein „Awareness-Team“ aus „Antidiskriminierungsberatern und -beraterinnen“ geben – mit einem eigenen Messestand und „einer Telefon- und E-Mail-Bereitschaft“. Dazu kommen regelmäßige „Rundgänge“ der Awareness-Streifen auf Augenhöhe. Ob es sich dabei um Doppelstreifen handeln wird, die an einer Awareness-Uniform oder einer Awareness-Armbinde zu erkennen sein werden, ist noch nicht klar.

Belästigungen aller Art

Damit auch der und die Letzte verstehen, was das Gegenteil von Respekt, Toleranz, Vielfalt, Weltoffenheit und Wertschätzung ist, wird mögliches Fehlverhalten im offiziellen Frankfurter Messeknigge minutiös aufgezählt: Belästigungen beinhalten jede Form von unangebrachten, diskriminierenden verbalen Äußerungen in Bezug auf sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, körperliche oder mentale Beeinträchtigungen, Alter, Aussehen, Ethnie, Nationalität oder Religion. Weiterhin fallen darunter alle Formen nicht-abgesprochenen Fotografierens oder Filmens anderer Personen, Störungen von Veranstaltungen, unangemessener Körperkontakt und unerwünschte sexuelle Annäherungen, absichtliche Einschüchterung, Nachstellen oder Stalking sowie das Zeigen unangebrachter Gesten obszöner oder politisch anstößiger Art.

Altgediente Buchmessen-Hasen mögen an dieser Stelle in Gefahr geraten, ganz unzeitgemäße, eigentlich inakzeptable Erinnerungen wachzurufen. In der guten alten Zeit, als noch Martin Walser und Eva Demski, Günter Grass und Gräfin Dönhoff, Peter Rühmkorf und Marcel Reich-Ranicki durch die vollgestopften Gänge in den Messehallen pilgerten, kam es häufiger zu „unangemessenem Körperkontakt“. Der war jedoch allein der drangvollen Enge geschuldet.

Freilich kam es viel häufiger zu angemessenem, also absichtlichem und vereinbarungsgemäß gegenseitigem Körperkontakt, vor allem an den dicht umlagerten Verlagsständen: Bussi hier, Bussi da, ein kleiner Flirt, freudiges Schulterklopfen, habituelles Anstoßen mit gut gefüllten Prosecco-Gläsern, Tratsch und Klatsch, Sehen und Gesehenwerden, böse Witze über andere Autoren, dem oft lautes Gelächter und gelegentliches Schenkelklopfen folgte, hier und da von dem notorischen, heute völlig undenkbaren Hinweis begleitet, man möge sich doch auch mal in Halle 7 oder 8 umschauen, wo an den italienischen Verlagsständen die schönsten und anbetungswürdigsten Frauen zu finden seien.

Zum Absacker an die Bar

Abends dann, bei den weinseligen Buchmessen-Empfängen, wurde all das weiter vertieft. So konnte es geschehen, dass um zwei oder drei Uhr nachts „Teilnehmende“ nicht alleine nach Hause gingen – unter Zuhilfenahme des Cis-Männer-typischen Lockangebots, man, also frau möge doch noch zu einem „Absacker“ an der Bar des „Frankfurter Hofs“ mitkommen. In der Woche nach der Buchmesse gab es dann ein paar neue Liebschaften und sehr viele grippale Infekte, die im Bett auskuriert werden mussten.

Schön war es trotzdem.

Tempi passati.

Heute begibt man sich lieber in die altgermanische Tradition des mittelalterlichen Melde- und Beschwerdewesens, des Zur-Anzeige-Bringens und An-den-Pranger-Stellens. Wir möchten Teilnehmenden, die belästigt werden oder bemerken, dass eine andere Person belästigt wird, ermutigen, uns dies unverzüglich zu melden – dem Buchmesse-Team, dem Awareness-Team oder dem Sicherheitspersonal vor Ort, heißt es im Originalton der Direktion, und man versucht sich vorzustellen, was Walter Jens, Golo Mann, Ruth Klüger oder Silvia Bovenschen zu diesem infantilen und kleingeistigen „Seid wachsam!“-Aufruf aus der schönen neuen Wokeness-Welt gesagt hätten.

Mit Literatur und Leben, politischer Auseinandersetzung und geistiger Freiheit hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.