THEO VAN GOGH: AM BEGINN DER GLOBALEN WELTKRIEGSWIRTSCHAFT ? – Corona-Krise : Lockdown in Schanghai – in Deutschland drohen höhere Preise

22.04.2022 FAZ – Der Stau von Frachtschiffen wegen des anhaltenden Corona-Lockdowns in Schanghai stört die globalen Lieferketten und wird in Deutschland für höhere Preise sorgen. „Auch in Deutschland werden die Lieferengpässe jetzt zu spüren sein“, sagte Maximilian Butek, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Schanghai, am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. So ist das Exportvolumen des größten Hafens der Welt Schätzungen zufolge schon um rund 40 Prozent zurückgegangen.

Viele Unternehmen bekämen ihre Waren teilweise seit mehr als drei Wochen nicht mehr aus dem Land, sagte der Delegierte. Auch alternative Lieferwege über andere Häfen reichten nicht aus, um den Ausfall abzufedern. „Die Verknappung des Angebots an Lieferungen aus China wird die bereits jetzt schon hohe Inflation in Deutschland weiter negativ beeinflussen“, sagte Butek.

Die Sorgen der Reedereien wachsen. „Die maritimen Lieferketten waren schon vor dem Lockdown in Schanghai angespannt – nun befürchten wir weitere Verzögerungen im Seetransport“, sagte die Präsidentin des deutschen Reederverbandes VDR, Gaby Bornheim. Es sei „Sand im Getriebe“. Geduld sei jetzt nötig. Die Linienreedereien versuchten alles, um die Ladungsmengen zügig zu transportieren. Vorsichtig optimistisch gibt sich Rolf Habben Jansen, Chef der Reederei Hapag-Lloyd. „Wir sehen jetzt auch die ersten Zeichen, dass wieder mehr Ladung in den Häfen von Schanghai und Ningbo abgefertigt wird“, sagte er den Fernsehsendern RTL und ntv. Er persönlich erwarte daher, dass sich die Situation in den chinesischen Häfen in vier bis sechs Wochen weitestgehend normalisiert.

Probleme dürften sich im Mai zeigen

Die aktuellen Probleme dürften sich aber ohnehin erst in etwa zwei Monaten voll auf Deutschland auswirken, schätzt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Güter seien etwa bis Hamburg 30 bis 40 Tage unterwegs, müssten danach noch weitertransportiert werden. „Dann könnte es etwa bei Elektronikartikeln wie Fernsehern oder Tablets oder bei Zwischengütern für die deutsche Produktion zu Verzögerungen kommen“, sagte IfW-Handelsexperte Vincent Stamer. Das könnte beispielsweise Automobil-Hersteller oder Maschinenbauer treffen.

„Die Schockwellen, die der Stillstand hier in China auslöst, sind noch gar nicht im vollen Umfang fassbar“, meinte der Delegierte Butek in Schanghai. Es dürften Monate vergehen, um die Störungen in den Lieferketten zu beheben. Der Hafen an sich sei nicht das größte Problem. Die Schwierigkeit liege wegen der strengen Corona-Maßnahmen vielmehr im Transport der Waren mit Lastwagen von und zum Hafen.

Elektronik und Rohstoffe betroffen

„Das betrifft im Prinzip alle Warengruppen. Aber vor allem bei Elektronikartikeln und Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Sorge groß“, sagte der Delegierte. Der Lockdown betreffe mittlerweile alle Unternehmen – unabhängig von Branche oder Größe. Es gebe massive Beeinträchtigungen der Lieferketten, der Transport- und Logistik-Möglichkeiten oder beim Personal und in der Produktion.

Browser does not support embedded objects.<br/>Visit directly <a href=”http://www.marinetraffic.com/”>www.marinetraffic.com</a> Stau vor Schanghai: Der Trackingdienst „Marine Traffic“ zeigt die Positionen von Frachtschiffen (grün) und Tankern (rot) vor Schanghai.

Übereifrige lokale Behörden machen den meist selbständigen Lastwagenfahrern das Leben schwer. Sie müssen eigens Durchfahrtsgenehmigungen beantragen, sich ständig testen lassen und den Quarantäne-Anforderungen einzelner Städte unterwerfen. Landesweit ist der Frachtverkehr schon drastisch zurückgegangen. Aber viele meiden besonders den Schanghaier Hafen.

Erleichterungen für Lastwagenfahrer gefordert

„Niemand will noch ein Lastwagenfahrer sein“, sagte der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke. „Das Leben ist zu hart.“ Nach Schätzungen ist die Verfügbarkeit von Lastwagen in Schanghai um 40 Prozent zurückgegangen. Tendenz steigend. Container werden nicht abgeholt und stapeln sich. Lagerhäuser sind geschlossen. Gekühlte oder gefährliche Güter können nicht abtransportiert werden. „Das macht eine komplizierte Situation noch schwieriger.“

Bei Gesprächen mit dem Handelsministerium schlug die EU-Kammer vor, die Anforderungen für die Lastwagenfahrer in den sechs Provinzen im Jangtse-Delta zu vereinheitlichen. Straßensperren an Ausfahrten der Autobahnen müssten beseitigt und Lastwagenfahrer mit Nahrung und Rastplätzen versorgt werden. Der Verkehr müsse frei fließen können.

Die 26 Millionen Einwohner zählende Hafenstadt ist seit einem Monat von weitgehenden Ausgangssperren betroffen. Die Metropole steht im Zentrum der größten Corona-Welle in China seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Mit Ausgangssperren, Massentests und Quarantäne verfolgt die chinesische Führung eine strikte Null-Covid-Strategie, die durch die Ankunft der Omikron-Variante BA.2 aber auf eine schwere Probe gestellt wird.

Hamburger Hafen mit Schwierigkeiten

Ganz konkret bekommt das zum Beispiel der Hamburger Hafen  zu spüren. Infolge großer Schiffsverspätungen stauen sich die Container auf den Terminals, was zu einer Überlastung der Lager führt, wie Hans-Jörg Heims, Sprecher des Hamburger Hafenlogistikers HHLA, sagte. Eine ganze Reihe von Schiffen müsse daher derzeit vor Helgoland warten, bis ein Platz in ihrem Zielhafen frei werde. Laut Heims sind es zehn Frachter, die zurzeit nach Hamburg wollen. „Das kann von ein paar Tagen bis zu einigen Wochen dauern.“ Trotz aller Bemühungen und einem Großeinsatz von Personal und Technik komme es zu Verzögerungen bei der Abfertigung.

Wie kam es zu diesen Problemen? „Ausgelöst durch die Corona-Pandemie gibt es seit zwei Jahren weltweit Störungen in den Lieferketten“, sagte Heims. „In Folge von Lockdowns in großen chinesischen Städten ist der Betrieb in den dortigen Häfen immer wieder unterbrochen worden. Und dann stauen sich dort die Schiffe. Löst sich der Stau auf, kommt die Welle ein paar Woche später in Europa an.“ Seit zwei Jahren habe die HHLA solche Situationen immer wieder gut gemanagt. Doch die Fahrpläne der Schiffe seien durch weitere Ereignisse wie die tagelange Blockade des Suezkanals durch das Großcontainerschiff „Ever Given“ im März 2021, schlechte Witterung und zuletzt durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine außer Kontrolle geraten.

Die HHLA habe bereits zusätzliche Flächen mit Containern belegt. „Aber wir kommen an Grenzen, je länger die Situation auf den Lieferketten so angespannt bleibt“, berichtete Heims. Je mehr Container in einem Lager stehen, umso größer sei der Aufwand beim Umschlag und desto länger dauere die Abfertigung. Früher habe man 500 Meter gebraucht, um einen Container vom Lager zum Schiff zu bringen. Heute seien das manchmal 1,5 Kilometer – je nachdem, wo der Container stehe. Erschwert wurde die Situation auf einem Terminal im Hamburger Hafen durch Bauarbeiten für Landstrom. Dadurch habe ein Liegeplatz zeitweise nicht genutzt werden können.