Sexismus + Frauenbeachtung / Von Friederike Haupt

FRAGEN ÜBER FRAGEN ÜBER FRAGEN 

„Darf ich als Frau Jungs doof finden, auch wenn sie im Rollstuhl sitzen ?“

„Ich (Frau) möchte mich transgender als Mann empfinden und anerkennen lassen – aber unterstützte ich damit (als Frau) nicht ungewollt wieder das Patriarchat?“

Aus dem Blog: Friederike Haupt

Sexismus Frauenbeachtung  / Von Friederike Haupt

04.08.2013 ·  Überall wird Frauenfeindlichkeit vermutet. Das ist anstrengend. Und viel zu einfach: Nicht alles Schlechte, was Frauen passiert, liegt am Frausein. Statt sich ständig zu beklagen, sollten Frauen lieber Unfug richtigstellen.

Vor einer Woche hat Norbert Blüm in der F.A.S. einen Gastbeitrag veröffentlicht. Es ging um Familie, und neben vielen anderen Sätzen stand da auch dieser: „Mütterliche Zuwendung steht jedem Kind zu, und weder Vater noch Staat können sie erbringen.“ Es scheint ziemlich schwierig zu sein, über diesen Satz normal zu sprechen, denn er ist frauenfeindlich.

Das behaupteten jedenfalls drei junge Frauen, mit denen ich mich über den Text unterhalten wollte. Sie wollten dann auch nicht weiter darüber reden; der frauenfeindliche Satz schien eine Art intellektuelles Tschernobyl darzustellen, das aus der Mitte heraus eine ohnehin triste Umwelt komplett verstrahlte. Erschwerend kam hinzu, dass der Satz von einem „alten, weißen Mann“ geäußert worden war, wie meine Bekannten sagten. Der Begriff „alter, weißer Mann“ ist weit verbreitet und funktioniert ungefähr so wie „Spaghettis“: nicht alle, die Pasta mögen, werden so genannt, sondern nur die, die herabgewürdigt werden sollen. Leonard Cohen zum Beispiel ist zwar ein alter, weißer Mann, aber eben kein „alter, weißer Mann“. Joachim Gauck ist ein „alter, weißer Mann“, weil er in der Sexismus-Debatte um Rainer Brüderle mal von „Tugendfuror“ gesprochen hat. Der „alte, weiße Mann“ ist der Frauenfeind Nummer eins. Wer diese Sicht nicht teilt, ist entweder ein „alter, weißer Mann“ oder eine Frau mit Dachschaden.

Eine frauenvernichtende Erkenntnis

Zum Zwecke der Selbsttherapie las ich ein Interview, das die „Emma“ vor einiger Zeit mit einer Marburger Sozialpsychologin geführt hat. Die Psychologin erklärte, warum auch Frauen sexistischen Äußerungen – damit waren solche über Frauen gemeint – zustimmen. Blüms Satz würde in die Kategorie „wohlwollender Sexismus“ fallen, weil er Frauen zwar eine gute Fähigkeit zuschreibt, die Männer nicht haben, aber dabei eben doch zwischen Männern und Frauen unterscheidet. Die Forscherin sagte dazu: „Es handelt sich schließlich um eine Wertschätzung, wenn einem per se positive Eigenschaften zugeschrieben werden. Viele Frauen mögen es, beschützt zu werden. Sie lieben Komplimente. Das sind alles Annehmlichkeiten, die sich im Kleinen gut anfühlen und im Großen Schaden anrichten.“ Was ist das Gefährliche? Frauen schnitten im Lösen von Denkaufgaben schlechter ab, „wenn sie vorher mit wohlwollendem Sexismus konfrontiert wurden“. Denn es werde dadurch ein Stereotyp bedient: „Frauen sind nett, aber nicht kompetent.“ Das beeinflusse die Frauen unbewusst, und ihre Leistung nehme ab.

Eine nicht frauenverachtende, sondern -vernichtende Erkenntnis. So kleine Nüsse gibt es gar nicht, mit denen man die Gehirne solcher Frauen vergleichen müsste. Da gehen sie jahrelang zur Schule und zur Universität. Sie nehmen eine Vollzeitstelle an und verdienen ihren Lebensunterhalt, und dann kommt ein Mann und sagt: „Sie können etwas, das ich nicht kann“, und sie fallen vor Seligkeit ins Wachkoma? „Frauen lieben Komplimente“, und Männer lieben auf die Fresse, weil sie Komplimente nicht nötig haben? Na ja! Man könnte auch einfach annehmen, dass Frauen positive Zuschreibungen hinterfragen können mit Hilfe ihres – Achtung – Gehirns. Und dass sie differenzieren können zwischen Manipulation und aus ihrer Sicht zutreffenden Beschreibungen ihrer Eigenschaften.

Ein großer Schritt für die Frau

Es ist in letzter Zeit sehr anstrengend geworden, sich dauernd als Opfer fühlen zu sollen. Schießt in einem Werbespot für die Frauen-Fußball-EM eine Frau einen schmutzigen Fußball in eine Waschmaschine, soll man sich als Frau angefeindet fühlen. (Hätte sie den Ball in einen Computermonitor geschossen, aber bestimmt auch.) Findet jemand das Motto der neuen „Brigitte“-Imagekampagne – „Generation Frau“ – albern, auch. Gibt es wieder irgendetwas Rosafarbenes für Mädchen, auch. Erlaubt sich ein „alter, weißer Mann“ eine Meinung über die, die von „alten, weißen Männern“ reden, soll man sich über den Angriff des Feindes empören. Wer still bleibt, wird gleich in selbstverschuldeter Unmündigkeit verortet beziehungsweise hinterm Herd, sinnlos beduselt von „Annehmlichkeiten, die sich im Kleinen gut anfühlen“, im Jahrestakt Kinder gebärend. Es mag ja im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit sein, dass Frauen so etwas ablassen und sich damit für jeden Stammtisch qualifizieren. Aber es nervt, weil es aus allen, die nicht mit dabeisitzen wollen, Nussgehirnfrauen macht.

So einfach ist die Welt eben nicht gestrickt (Pardon), dass alles Schlechte, was Frauen passiert, an ihrem Frausein liegt. Es gibt jede Menge alte, weiße Männer, die Unfug reden – weil es einfach insgesamt ziemlich viele Menschen gibt und Menschen viel Unfug reden. Es ist schon klar, dass das jetzt wieder allen Frauen klar ist, die sich über die „alten, weißen Männer“ beklagen, aber dann sollen sie sich auch bitte nicht über die „alten, weißen Männer“ beklagen, sondern Unfug richtigstellen. Wenn es denn welcher ist.

Das wäre schon mal etwas: ein kleiner Schritt für die Frauen, aber ein großer für die Frau.

http://www.faz.net/aktuell/politik/sexismus-frauenbeachtung-12341968.html

Von Friederike Haupt