Sechs Gründe, warum die Energie-Achse Berlin-Moskau so gefährlich ist

MESOP NEWS OUTLOOK AS USUAL: OSTEN GUT ! / WESTEN SCHLECHT !

HuffPost  |  von Boris Reitschuster  – 15 Aug 2017 – Wenn man die Nachricht liest, traut man seinen Augen nicht: “Deutsche wollen lieber Erdgas aus Russland als Flüssiggas aus den USA” – unter dieser Überschrift hat kürzlich das Kasseler Öl- und Gas-Förderungs-Unternehmen Wintershall eine Presseerklärung veröffentlicht.

Die eng mit Moskau vernetzte deutsche Tochter des Chemieriesen BASF beruft sich dabei auf eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, die sie selbst in Auftrag gegeben hat. Der Anlass: Die in Deutschland umstrittenen neuen US-Sanktionen gegen Russland. Sie richten sich unter anderem gegen gemeinsame neue Energieprojekte mit Russland – allen voran eine Erweiterung der Ostsee-Pipeline. Deren Betreiber, die Nord Stream AG, gehört mehrheitlich Gasprom. Aber auch Wintershall selbst ist beteiligt – der Auftraggeber der Umfrage.

Die Deutschen wollen russisches Gas

Glaubt man den Forsa-Zahlen, so wünschen sich lediglich sechs Prozent der Bundesbürger, in Zukunft weniger Erdgas aus Russland und stattdessen mehr amerikanisches Flüssiggas zu importieren. Solche Zahlen legen – wenn sie nicht durch Suggestiv-Fragen zustande gekommen sein sollten – den Verdacht nahe, dass vielen Bundesbürger wichtige Aspekte der deutsch-russischen Energie-Beziehungen nicht bekannt sind:

Zum Beispiel, dass Wladimir Putin schon 1999 schrieb, dass Bodenschätze die wichtigste Ressource seien, um wieder eine Großmacht aus Russland zu machen; die “Rohstoffwirtschaft”, so Putin damals in Funktionärssprache, sei “Grundlage für die Verteidigungsmacht des Landes” sowie “unbedingte Voraussetzung für die Vervollkommnung des militärisch-industriellen Komplexes”.

Dass Putin seine Öl- und Gaslieferungen bereits mehrfach als Waffe gegen andere Länder einsetzte – Ukrainer oder Georgier mussten im Winter frieren. Und nicht nur sie: Selbst Italien war schon indirekt betroffen. Ein ehemaliges Regierungsmitglied in Moskau erzählt, wie auf Kabinettssitzungen über andere Länder gesagt wurde: “Wenn die widerborstig sind, gibt es halt einen Unfall an der Gas-Pipeline, dann werden die frieren!”

Osteuropäische Nachbarn leiden unter der Achse Berlin-Moskau

Dass ein Transport von Gas in Untersee-Leitungen deutlich teurer ist als via Land-Pipeline – und dass die Deutschen mit ihrer Gasrechnung die Zeche für Putins Energie-Imperialismus bezahlen – und auch für die Bezüge von Gerhard Schröder als Vorsitzender des Aktionär-Ausschusses der Nord Stream AG, der Betreibergesellschaft der Ostsee-Pipeline.

Mehrheitseigner ist Gasprom. Und auch Wintershall ist beteiligt – die Firma, die jetzt die Umfrage in Auftrag gab.Dass die deutsch-russische Petro-Kumpanei massiv den Wettbewerb verhinderte und zu überhöhten Gaspreisen in Deutschland führte, etwa durch die Ölpreis-Bindung und den langen Verzicht auf Flüssiggas.

Dass die enge deutsch-russische Zusammenarbeit, insbesondere die Ostseepipeline zwischen beiden Ländern, Deutschlands und Europas Abhängigkeit von russischem Gas erhöht und damit der EU-Politik entgegenläuft. Die sieht vor, zu diversifizieren, also auf verschiedene Lieferländer zu setzen.Dass die Energie-Achse Moskau-Berlin zu Lasten unserer osteuropäischen Nachbarn geht und damit Europa spaltet. So ist etwa der Energie-Transit eine der wichtigsten Einnahme-Quellen der rohstoffarmen Ukraine. Mit der von Schröder vorangetriebenen Ostseepipeline hilft die Bundesrepublik mit, die Ukraine einer ihrer Existenzgrundlagen zu berauben. Und Kiew leichter erpressbar zu machen durch Moskau.

Wir begeben uns selbst in die Abhängigkeit Moskaus

Nichtsdestotrotz unterstützt die Bundesregierung die Pläne der Gasprom-Tochter Nord Stream, jetzt noch zwei weitere Röhren zu verlegen – die Ostsee-Pipeline 2.

Lediglich für ein knappes Viertel (24 Prozent) der Deutschen ist es der Forsa-Umfrage zufolge besonders wichtig, dass Ländern, die bisher von Einnahmen aus dem Gastransport profitieren, auch in Zukunft Transiteinnahmen zur Verfügung stehen.Das ist nicht nur verantwortungslos gegenüber der Ukraine, die gemeinsam mit Weißrussland am meisten unter Hitlers Angriffskrieg gegen die Sowjetunion gelitten hat.Es ist auch kurzsichtig. Weil wir uns selbst in eine Abhängigkeit von Moskau begeben.

Neben der Ukraine fühlen sich auch andere osteuropäische Länder wie die baltischen Staaten und Polen durch die „Energie-Achse“ zwischen Moskau und Berlin vor den Kopf gestoßen.

Wir begeben uns in die Abhängigkeit Moskaus

Böse Zungen in der Ukraine sprechen bereits vom “Geist des Hitler-Stalin-Pakts” – bei dem die beiden Diktatoren einst Osteuropa untereinander aufteilten.In der öffentlichen Diskussion in Deutschland spielen all die hier aufgezählten Aspekte nur eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage zeigen das. Statt gegen Putins Diktatur und seine Kriegspolitik richtet sich die geballte Kritik und der Argwohn eines großen Teils der deutschen Medien und Politik gegen die USA. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) etwa kritisierte die geplanten US-Sanktionen gegen Russland als illegal sowie völkerrechtswidrig. Sie drohte den Vereinigten Staaten mit Gegenmaßnahmen.

Für Putins Verbrechen gibt es genügend Belege

So laute Töne hätte man sich von vielen ihrer Parteifreunde gewünscht – gegenüber Putin, den viele Sozialdemokraten hofieren.Es war nicht Donald Trump, der ein Nachbarland überfallen hat. Der US-Präsident hat auch nicht die Verantwortung für den Abschuss eines Passagierflugzeugen wie Putin, dessen Männer die malaysische Boeing 777 mit der Flugnummer MH17 über der Ost-Ukraine abschossen und 298 Menschen töteten, darunter 80 Kinder; es sind auch nicht Gegner von Trump, die reihenweise ums Leben kommen. Für Putins Verbrechen gilt es genügend Belege. Umso bedauerlicher ist es, dass manche hierzulande der Wahnidee erliegen, Deutschland müsse sich enger mit dem von ihm diktatorisch regierten Russland zusammentun – gegen die USA.

In Washington gibt es in der Tat viele Missstände zu kritisieren.

Politiker und Medien vergessen historische Lehren

Die jüngere deutsche Geschichte zeigt aber eindeutig, welcher Teil Deutschlands besser gefahren ist – die Bundesrepublik, die eng mit Amerika zusammenarbeitete, und nicht die von einer Diktatur in Moskau beherrschte DDR.

Heute bekommt man den Eindruck, dass viele in Politik und Medien diese historische Lehre vergessen haben. Es ist, als hätten sie den Kompass verloren – und vergessen, dass die Berliner Mauer errichtet wurde, um die Menschen vor der Flucht in den Westen abzuhalten – und nicht umgekehrt.

Dabei agiert Putin weitaus aggressiver und unberechenbarer als die späten Sowjetführer, denen die Grenzen in Europa heilig waren.

Ein Skandal ist zudem, dass viele Europäer bereits zu einer Lockerung der ohnehin bisher schwachen Sanktionen auffordern: Damit bestärken sie Putin in seiner Politik – seiner Einmischung in den US-Wahlkampf, seinem Informationskrieg gegen den Westen, seinem Angriff auf die Ukraine, wo er bis heute Krieg führen lässt, und den Massakern, die er in Syrien zu verantworten hat.

Putins Komplizen in Deutschland

Der Anti-Amerikanismus scheint heute für viele Ersatzreligion zu sein. Und blind zu machen für Putins Verbrechen.

Bei nüchterner Betrachtung wird klar: Nicht die neuen US-Sanktionen sind ein Skandal – sondern das Verharmlosen von Russlands aggressiver Politik durch viele deutsche Politiker und Journalisten, das Verdrängen seiner Einmischung in den US-Wahlkampf, das Schönreden seines Informationskriegs gegen den Westen, das Relativieren seines Angriff auf die Ukraine, wo er bis heute Krieg führen lässt, und der Massakern, die er in Syrien zu verantworten hat.

Wer das verharmlost, wer gar dazu aufruft, dass es für all das keine oder weniger Konsequenzen – sprich: Sanktionen gibt – der macht sich zum Komplizen.