Rückzugsforderung der Kurden – Kämpfe an der türkischen Grenze / Von Inga Rogg

NZZ 14.11.2012 – Die syrischen Kurden wollen sich aus den Kämpfen zwischen Regime und Rebellen heraushalten. Ankara hat nach syrischen Angriffen die Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt.

Dörfer evakuiert

Es war der dritte Luftangriff innerhalb von nur drei Tagen. Aus Sorge vor einem Übergreifen der Kämpfe hat die Türkei mehrere Dörfer westlich von Ceylanpinar evakuiert. In der Grenzstadt haben die Behörden die Schulen geschlossen und die Bewohner in den grenznahen Quartieren aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Nach zwei diplomatischen Warnungen hat Ankara am Mittwoch die Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt. Die Befehlsgewalt sei an die örtlichen Kommandanten übergeben worden, sagte der Verteidigungsminister Ismet Yilmaz in Ankara. Sie seien autorisiert, auf allfällige Grenzverletzungen sofort zu reagieren. Die syrischen Rebellen hatten Ras al-Ain vor Wochenfrist überrannt. Der Angriff erfolgte offenbar gegen den Willen der Kurden, die in der Region einen starken, wenn nicht den grössten Teil der Bevölkerung bilden. Der Kurdische Nationalrat (Kurdistan National Council; KNC), ein Zusammenschluss von 16 syrisch-kurdischen Parteien, fordert den Abzug der Rebellen aus Ras al-Ain, das die Kurden Sere Kani nennen.

Massenflucht

«Der Angriff war völlig unnötig», sagt Nuri Brimo, Sprecher des KNC in der irakisch-kurdischen Regionalhauptstadt Erbil. «Wen wollen sie hier befreien? Sere Kani ist kurdisch, ob Regimevertreter oder Opposition, alle sind Kurden.» Tausende von Kurden sind vor den Kämpfen geflohen, am Montag kamen nach Angaben der kurdischen Opposition 22 Zivilisten durch einen Luftangriff ums Leben. «Wir sind gegen das Regime. Asad muss gehen», sagt Brimo. «Aber wir wollen nicht, dass unsere Städte und Dörfer bombardiert werden.»

Der Konflikt in Ras al-Ain überschattet auch das neue syrische Oppositionsbündnis, das erst am Wochenende in Katar aus der Taufe gehoben wurde. Der KNC hatte sich 48 Stunden Bedenkzeit ausgebeten, die Antwort steht weiterhin aus. Nach Auskunft von Brimo hängt die Antwort auch davon ab, ob sich die Rebellen aus den kurdischen Gebieten heraushalten. «Es gibt schon viel zu viel Blutvergiessen», sagt Brimo. «Wir wollen keinen Krieg in Kurdistan.»