PRESSE- UND MEDIENREAKTION IN DEUTSCHLAND : KURDISCHER HUNGERSTREIK

Kurdische Gefangene im Hungerstreik

Am 5. November 2012 meldete Die Welt unter der Überschrift Kurden wollen Hungerstreik in Türkei beträchtlich ausweiten, dass sich weitere 10.000 Gefangene dem seit fast zwei Monaten andauernden Hungerstreik ab Montag anschließen werden. Bis dahin hatte die Zahl der Hungerstreikenden bei rund 700 gelegen. Der Hungerstreik war auch eines der Themen in der Tagesschau am 5. November 2012 (Hauptnachrichten um 20 Uhr).

Die Tagesschau

Die Meldung in der Tagesschau kam am Ende der 15-minütigen Sendung um 20 Uhr am 5. November 2012. Der Beitrag ist 1:32 Minuten lang.

Hier ist die Meldung der Tagesschau im Original

Auf Fehler in der Berichterstattung der Tagesschau macht der Monatsbericht November 2012 aufmerksam.

Die Badische Zeitung

Die Badische Zeitung vom 5. November 2012 meldet mit der Überschrift 700 Gefangene in der Türkei im Hungerstreik: Der Hungerstreik von mehr als 700 kurdischen Gefangenen in 66 Gefängnissen in der gesamten Türkei rückt immer mehr ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen im Land. Am Wochenende äußerte sich auch Ministerpräsident Tayyip Erdogan erstmals ausführlich zu dem Konflikt. Auf einer Veranstaltung zum zehnjährigen Regierungsjubiläum seiner AK-Partei kündigte Erdogan an, er werde sich von den Hungerstreikenden “nicht erpressen lassen”. Der gesamte Hungerstreik sei eine politische Kampagne der kurdischen Arbeiterpartei PKK und deren inhaftierten “Terroristenchef” Abdullah Öcalan.

Tatsächlich geht es den Hungerstreikenden nicht um eine Verbesserung ihrer Haftbedingungen. Die zentrale Forderung ist die Aufhebung der Isolation von PKK-Chef Öcalan, der auf seiner Gefängnisinsel im Marmarameer seit Juli vergangenen Jahres keinen Besuch von seinen Anwälten mehr bekommen darf. Es hat in den vergangenen 14 Monaten bereits etliche Aktionen gegeben, mit denen gegen die Isolation Öcalans protestiert worden war, darunter ein Hungerstreik von Exilkurden in Brüssel und etliche Demonstrationen in Europa. Da alles nichts gebracht hat, sind die Hungerstreikenden jetzt offenbar entschlossen, bis zum Äußersten zu gehen.

Justizminister Sadullah Ergin, der in der vergangenen Woche ein Gefängnis besucht hatte, in dem Hungerstreikende einsitzen, bestätigte, dass sich sieben Gefangene in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden. Sie hatten am 12. September mit ihrem Hungerstreik begonnen.

Details zum Hungerstreik

Auf einer Seite von Civaka Azad -Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. wurde ein Dossier mit Datum vom 25. Oktober 2012 veröffentlicht. In dem als Hungerstreik2 bezeichnete Dossier gibt es auch einen Brief der Gefangenen mit ihren Forderungen:

1. Erklärung der Hungerstreikenden vom 24.10.2012

Seit nunmehr 43 Tagen befinden wir uns als politische Gefangene im Hungerstreik. Wir, Angehörige der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und der Partei der Freien Frauen Kurdistans (PAJK) haben diesen Hungerstreik am 12. September 2012 für die Aufhebung der Isolationshaft gegen Abdullah Öcalan, für die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit und Freiheit, sowie die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache begonnen.

Die AKP-Regierung und das Justizministerium haben bisher, anstatt unseren Forderungen Antwort zu leisten, Unterdrückungs- und Foltermethoden gegen die Hungerstreikenden verschärft. In zahlreichen Gefängnissen sind Hungerstreikende in Einzelzellen verlegt worden und werden so rund um die Uhr psychischer Folter ausgesetzt. Zu den Gefängnissen, in denen unsere GenossInnen in Einzelzellen gesperrt worden sind, gehören die Haftanstalten von Silivri, Şakran und Tekirdağ.

Sollten unsere konkreten Forderungen von der AKP-Regierung und dem Ministerium nicht erfüllt werden, so tragen sie die Verantwortung für alle möglichen Folgen. Wir erklären außerdem, dass wir keine medizinischen Behandlungen unter Zwang akzeptieren und gegen derartige Versuche Widerstand leisten werden.

Deniz Kaya, Sprecher der Hungerstreikenden Gefangenen der PKK und PAJK

Reaktionen

Zu den Organisationen und Institutionen, die sich in Sachen “Hungerstreik kurdischer Gefangener” öffentlich geäußert haben, gehören:

Ärztekammer der Türkei

Die Presseerklärung der Ärztekammer der Türkei (TTB) hatte die Überschrift ‘Alarmierende Tage stehen bevor’: Der Hungerstreik der seit dem 12. September in den Gefängnissen der Türkei geführt wird, befindet sich mittlerweile am 41.Tag. Der Weltärztebund definiert in der Malta-Erklärung von 1991 einen Hungerstreikenden als “eine Person, die nach mentaler Angemessenheit, sich aus eigenem Willen für den Hungerstreik entschieden hat, und aus diesem Grunde für eine bestimmte Zeit die Zunahme von Nahrung und/oder Flüssigkeit ablehnt“.

Hungerstreik ist keine Form des Selbstmords. Es handelt sich hier um eine Form des Protestes. Der Mensch lehnt mit seinem eigenen Willen und Bewusstsein das Essen ab. Der Hungerstreik kann mit dem Tod enden, doch handelt es sich bei dem Hauptziel nicht um den Tod. Die tägliche Zunahme einer bestimmten Menge von Wasser, Salz und Zucker bildet die Grundlage für das Fortsetzen. Zudem müssten Präparate, die das Vitamin B1 beinhalten, unbedingt eingenommen werden, um bleibende neurologische Krankheiten zu vermeiden.

Als VertreterInnen eines Berufs, die das Recht der Menschen auf Leben und auf Gesundheit bedingungslos verteidigen ermahnen wir.

Nichts ist bedeutsamer als das Leben.

In dieser Phase, von der wir hoffen, dass sie augenblicklich beendet wird, muss jede Person die ihr auferlegte Verantwortung tragen, um Verluste zu vermeiden. Diejenigen Gefangenen, die kein Vitamin B1 zu sich nehmen, müssen über die möglichen bleibenden Folgeschäden informiert werden. Es muss sich darum bemüht werden, dass sie von dieser sturen Haltung Abstand nehmen, die notwendigen ärztlichen Beobachtungen und Untersuchungen müssen einfühlend getätigt werden. Dass wir als TTB die Bereitschaft zeigen diese Aufgabe zu übernehmen, haben wir in den vergangenen Tagen der Öffentlichkeit und dem Justizministerium mitgeteilt. Leider steht eine Beantwortung unseres Gesuchs seitens des Justizministeriums immer noch aus.

Maßnahmen der Gefängnisleitungen wie Isolation darf den Gefangenen keineswegs aufgezwungen werden. Vor den anstehenden Feiertagen muss dringend gesundes Trinkwasser, Salz, Zucker und das lebensnotwendige Vitamin B1 beschafft und an die Hungerstreikenden ausgehändigt werden. Es muss deutlich gemacht werden, dass in dieser empfindlichen Phase unangebrachtes Verhalten den Tod mit sich bringen kann.

Zentralrat des Verbandes der Türkischen Ärzte TTB 

Amnesty International

Am 23. Oktober 2012 gab amnesty international eine Presseerklärung heraus. Sie ist in deutscher Übersetzung auf den Seiten der Türkei-Kogruppe in der deutschen Sektion von amnesty international nachzulesen:

Amnesty International ist beunruhigt über Berichte, wonach die türkischen Behörden die Rechte von Gefangenen im Hungerstreik nicht beachten. In Dutzenden Gefängnissen in der Türkei befinden sich hunderte Gefangene im Hungerstreik, manche von ihnen seit dem 12. September. Die Hungerstreiks begannen als Protest gegen die andauernd Weigerung der Behörden, Abdullah Öcalan, dem Führer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Treffen mit seinen Anwälten zu ermöglichen, und mit der Forderung nach Unterricht auf Kurdisch.

Amnesty International ist besorgt über Berichte, dass hungerstreikende Gefangene in den Gefängnissen in Silivri und Şakran in Einzelhaft genommen wurden, und dass Wärter im Gefängnis in Tekirdağ Gefangene wegen ihres Hungerstreiks misshandelten. Gefängnisverwaltungen sollen zeitweise den Zugang von Gefangenen zu Trinkwasser und Zucker, Salz, Vitaminen und anderen Zusätzen zum Trinkwasser beschränkt haben.

Amnesty International fordert die türkischen Behörden auf sicherzustellen, dass keine Strafmaßnahmen gegen hungerstreikende Gefangene ergriffen werden, und dass das absolute Verbot von Folter und Misshandlung eingehalten wird. Die Hungerstreikenden müssen ausreichenden Zugang zu qualifiziertem medizinischen Personal haben und die erforderliche Behandlung erhalten. Die türkischen Behörden sollen ferner unverzüglich, gründlich und unparteiisch die Vorwürfe untersuchen, dass Gefangene in Silivri, Şakran und Tekirdağ misshandelt oder wegen der Teilnahme am Hungerstreik bestraft wurden.

Reaktionen aus dem Bundestag

Nach einer Meldung bei nadir.org vom 4. Oktober 2012 haben Abgeordnete von der Partei “Die Linke” und Einzelpersonen eine Erklärung zum Hungerstreik abgegeben. Darin heißt es u.a.:

Mehrere Tausend politische Gefangene, meist aus den Reihen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), haben am letzten Montag in der Türkei einen unbefristeten Hungerstreik begonnen. Bereits seit über einem Monat führen mehrere hundert Inhaftierte einen Hungersterik durch, von denen sich mittlerweile viele in einem kritischen Gesundheitszustand befinden.

Die Hauptforderung der Streikenden ist die Freilassung des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Abdullah Öcalan. Dadurch solle ein Dialog mit dem türkischen Staat ermöglicht werden, da Öcalan als Repräsentant der kurdischen Bevölkerung anerkannt ist und entscheidende Impulse für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage geben kann… Abdullah Öcalan befindet sich seit mehr als 400 Tagen in absoluter Isolation, die türkische Regierung hat den Konflikt mit der kurdischen Bevölkerung erneut juristisch, polizeistaatlich und militärisch zugespitzt.

Wir unterstützen die Forderungen der hungerstreikenden politischen Gefangenen in der Türkei. Eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ist nur möglich, wenn alle beteiligten Akteure in einen Dialog treten. Dazu sind die Freilassung Abdullah Öcalans und die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei Grundvoraussetzungen.

Demokratisches Türkei Forum (DTF)