OBAMA VERLIERT DAUERHAFT SAUDI ARABIEN

Affront aus Riad – Die Saudi zeigen der Uno die kalte Schulter

Neue Zürcher Zeitung – 19.10.2013 – Saudiarabien verzichtet auf einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat. Es protestiert gegen die Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft in Syrien. Saudiarabien hat seine Wahl zum nichtständigen Mitglied des Uno-Sicherheitsrats abgelehnt, um gegen Vorgehen und Doppelmoral des Uno-Gremiums zu protestieren.

Die Uno-Generalversammlung hatte das Königreich am Donnerstag zusammen mit Chile, Nigeria, Tschad und Litauen zum Mitglied für die Jahre 2014 und 2015 gewählt. Der Rat nehme seine Verantwortung nicht wahr, Frieden und Sicherheit zu erhalten, schrieb die offizielle Nachrichtenagentur SPA zur Begründung. Dies führe zu Ungerechtigkeit, Rechtsverletzungen sowie Kriegen rund um die Welt.

Enttäuscht von Obama

Für die Saudi, die Aussenpolitik sonst in leisen Tönen und abgeschirmt von der Öffentlichkeit betreiben, ist dieser Protestschrei ein starkes Stück. Sie führen drei Beispiele an, um ihre Vorwürfe zu begründen: den Palästina-Konflikt, der 65 Jahre nach seinem Beginn ungelöst bleibt, die Nuklearwaffen, deren Verbreitung in der Region nicht verhindert werden konnte, sowie Syrien, wo die Uno untätig zuschaue, wie das Regime die Bevölkerung mit Chemiewaffen töte. Solange es keine Reform des Sicherheitsrats gebe, die ihm die Erfüllung seiner Aufgaben zur Friedenssicherung ermögliche, werde Saudiarabien nicht Mitglied werden, heisst es zum Schluss der Erklärung.

Die Empörung Riads gilt wohl weniger der fehlenden Uno-Reform, für die es sich bisher kaum interessierte, noch dem Palästina-Problem, das seit Jahrzehnten dahinsiecht. Sie gilt Amerika. Obama hatte die Saudi 2011 enttäuscht, als er Mubarak fallenliess, und hat nun ihren Zorn entfacht, als er seine Syrien-Angriff-Pläne aufgab, um mit den Russen die chemische Entwaffnung Asads zu vereinbaren. Das Telefongespräch Obamas mit dem iranischen Präsidenten Rohani soll laut einigen Kommentatoren in Riad gar Panik ausgelöst haben. Man fragt sich dort, ob die USA einen Wechsel der Allianzen vorbereiten.

Die Saudi sehen im syrischen Krieg eine Entscheidungsschlacht mit den Iranern um die Vorherrschaft in der Region. Doch während Asad auf die Solidarität und Unterstützung seiner Verbündeten in Moskau und Teheran zählen kann, sieht das Königreich seine Schützlinge im Anti-Asad-Lager von Washington im Stich gelassen. Zuerst mit dem Verzicht des Aussenministers auf seine Rede in der Generalversammlung und jetzt mit der Rückweisung des Sitzes im Sicherheitsrat protestiert Riad gegen die internationale Tatenlosigkeit in Syrien und zieht sich symbolisch aus der multilateralen Diplomatie zurück.

Spekulation über Kurswechsel

In einem Artikel im Web-Magazin Al-Monitor schreibt der saudische Politologe Nawaf Obaid, dies zeige einen Kurswechsel an, der die saudische Aussenpolitik komplett verändern werde. «Saudiarabien wird eine weit aktivere und selbstbewusstere Rolle bei der Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten, in Nordafrika und in der islamischen Welt spielen.» Dabei gehe es darum, sagt Obaid, Irans «Einsickerungspolitik» in der arabischen Welt entgegenzutreten und als Erstes die Hilfe an die syrischen Rebellen zu verstärken.

Ob Obaid, bekannt als Verfechter genau dieser Art von Aussenpolitik, die Absichten der Entscheidungsträger in Riad richtig wiedergibt, ist nicht sicher. Ein aggressiver Kurs könnte das Konfliktpotenzial gegenüber Washington vergrössern und dort Zweifel am Nutzen der Allianz mit dem Haus Saud nähren. Zudem fehlt Riad wohl die militärische Macht, um den Anspruch als regionaler Ordnungshüter durchsetzen zu können.

http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/die-saudi-zeigen-der-uno-die-kalte-schulter-1.18170006