MORDE IN PARIS AN SAKINE CANSIZ (PKK) u.a. – Ermittlungen gegen mutmaßlichen Auftraggeber von Morden an kurdischen Politikern

19 April 2016 – Istanbuler Staatsanwälte ermitteln gegen einen Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT, der im Verdacht steht, die Ermordung von drei kurdischen Politikerinnen vor drei Jahren in Paris angeordnet zu haben. Das berichtete die türkische Tageszeitung Cumhuriyet am Wochenende.

Die Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Sakine Cansiz, die Vertreterin des Kurdischen Nationalkongresses (KNK) Fidan Dogan und die Aktivistin der kurdischen Jugendbewegung Leyla Saylemez waren am 9. Januar 2013 in den Räumen des Kurdistan-Informationsbüros in Paris erschossen aufgefunden worden. Als dringend Tatverdächtiger wurde Ömer Güney, ein in einen kurdischen Kulturverein eingeschleuster Anhänger der faschistischen »Grauen Wölfe«, verhaftet.

Dokumente und Tonaufnahmen, die im Jahr 2014 im Rahmen von Machtkämpfen innerhalb des türkischen Staatsapparates im Internet publiziert wurden, legen nahe, dass Güney im Auftrag des türkischen Geheimdienstes gehandelt hatte. So heißt es in der im vergangenen Jahr erlassenen Anklageschrift der Pariser Staatsanwaltschaft gegen Güney: »Viele Einzelheiten des Verfahrens erlauben den Verdacht, dass der MIT in die Anstiftung und Vorbereitung dieser Morde involviert ist.« Die türkische Regierung hat derartige Vorwürfe zurückgewiesen und sich bislang geweigert, der französischen Justiz die gewünschten Auskünfte zu geben.

Eines der Dokumente, denen ein Mordauftrag gegen Cansiz zu entnehmen ist, weist die Unterschrift des MIT-Offiziers Haluk Özcan aus der Stadt Kocaeli auf. Gegen Özcan wird derzeit zwar nicht wegen der Pariser Morde, jedoch wegen seiner möglichen Verwicklung in einen anderen Mordfall innerhalb der Türkei ermittelt. Der ermittelnde Staatsanwalt Hasan Yilmaz von der Abteilung zur Bekämpfung von Schmuggel und organisiertem Verbrechen hat nun den Geheimdienst aufgefordert, Informationen über mögliche Verbindungen Özcans zum sogenannten Parallelstaat preiszugeben. Gemeint ist das lange mit der AKP-Regierung verbündete, aber seit drei Jahren als terroristische Vereinigung verfolgte Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen.

Die jetzigen Ermittlungen gegen Özcan wegen möglicher Gülen-Kontakte deuten darauf hin, dass sich die türkische Regierung diese Lesart zu eigen macht. Seitdem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Gülen-Bewegung zum Hauptfeind ernannt hat, ist die auf strikten Regierungskurs gebrachte Justiz allerdings bemüht, nahezu alle ungeklärten politischen Morde der letzten Jahre mit dem »Parallelstaat« in Verbindung zu bringen. Am gestrigen Montag wurden laut Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu zudem rund hundert Gülen-Anhänger nach Razzien in Istanbul und in mehreren weiteren Provinzen des Landes in Gewahrsam genommen. Insgesamt seien Haftbefehle gegen 140 Verdächtige wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« und »Finanzierung des Terrorismus« ausgestellt worden. Entsprechende »Erkenntnisse« der türkischen Behörden sind daher mit Vorsicht zu behandeln