MESOPOTAMIA NEWSC : TRUMP WIRKT !

Trumps Sanktionen gegen Iran zeigen Wirkung
Die amerikanischen Strafmassnahmen treffen Teheran härter, als es Experten erwartet hatten. Die iranische Führung versucht die Bürger mit Durchhalteparolen zu beruhigen.
Inga Rogg, Istanbul

Vor drei Jahren ging es Majid Almasi richtig gut. Nach der Aufhebung zahlreicher Sanktionen im Zuge des Atomabkommens ging es mit der iranischen Wirtschaft aufwärts, und die Kunden hatten wieder Geld. Die Auftragsbücher von Almasis Manufaktur für Sohan, ein traditionelles iranisches Süssgebäck, füllten sich. Das Geschäft lief so gut, dass er zusätzliche Mitarbeiter einstellte. Doch dann kam Donald Trump.

Im vergangenen Jahr stieg der amerikanische Präsident aus dem Atomabkommen mit Iran aus, setzte die Sanktionen wieder in Kraft und verhängte seitdem weitere Strafmassnahmen. Der Rial rauschte in den Keller, während die Preise gleichzeitig in die Höhe gingen. «Die Kunden kaufen nicht mehr oder nur noch in kleinen Mengen», sagt Almasi. Seit dem vergangenen Jahr sei sein Umsatz um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Auch er musste die Preise erhöhen. Nahrungsmittel seien ausdrücklich von den Sanktionen ausgenommen, betonte der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo während seines Besuchs in der Schweiz vor wenigen Tagen. Das stimmt zwar, aber sie werden indirekt über die Strafmassnahmen gegen das iranische Bank- und Finanzwesen getroffen, wie das Beispiel von Almasi zeigt. Zur Rezeptur seines Sohan gehört eine spezielle Butter aus Neuseeland. Konnte er diese früher direkt beziehen und bezahlen, muss er heute den Umweg über einen Grosshändler gehen, der die Ware über ein Konto in einem Drittland bezahlen kann. Die Folge: ein Preisanstieg um 300%.

Wenige fürchten einen Krieg

Anfang Mai hat Trump weitere Sanktionen verhängt. Gleichzeitig wird am Golf kräftig mit dem Säbel gerasselt. Zwar haben beide Seiten ihre scharfe Rhetorik der letzten Wochen etwas zurückgenommen, aber bezüglich Verhandlungen sind die Positionen unverändert. Washington sei zu Gesprächen ohne Vorbedingungen bereit, sagte Pompeo. Er fügte dann aber hinzu, die amerikanischen Bemühungen, Irans «bösartige Aktivitäten» zu beenden, würden fortgesetzt. Es liege an den Vereinigten Staaten, die Haltung und das Vorgehen gegenüber den Iranern zu ändern, konterte ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums.

In Teheran fürchten nur wenige, dass es tatsächlich zum Krieg komme. Trotzdem herrscht Krisenstimmung. «Das Gerede von Krieg ist alles nur ein Spiel», sagt eine Angestellte im öffentlichen Dienst, die nicht namentlich genannt werden will. «Das grösste Problem der meisten Menschen sind die Inflation und die ständig steigenden Preise.» Die Inflation liegt bei mehr als 50%, der Rial hat im vergangenen Jahr 60% an Wert verloren.

 

Die Jahre nach dem Atomabkommen 2015, offiziell «Joint Comprehensive Plan of Action» (JCPOA) genannt, seien eine «goldene Zeit» gewesen, sagt die Angestellte. Sie richtete ihre Wohnung neu ein, konnte sich sogar den Traum von einer Reise nach Europa erfüllen. Heute muss sie sparen, wo es nur geht. Wie viele andere auch hat ihre Familie begonnen, Konserven, Reis und andere haltbare Lebensmittel zu horten. «Denn morgen kann alles schon wieder teurer sein», sagt sie. Selbst für subventioniertes Fleisch stehe sie mittlerweile Schlange. «Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommt.»

Teheran predigt «wirtschaftlichen Widerstand»

Auch die Preise für Arzneimittel und medizinische Geräte, die ebenfalls von den Sanktionen ausgenommen sind, schnellten in die Höhe. Manche Medikamente von ausländischen Pharmaunternehmen sind nach Angaben von Ärzten inzwischen nicht mehr erhältlich. Aber selbst die in Iran hergestellten Medikamente haben sich stark verteuert, weil die dafür nötigen Substanzen nicht mehr oder wie im Fall von Almasis Butter nur über Umwege importiert werden können. Die Regierung trage ihrerseits zu der Misere bei, indem sie den Importeuren Dollar zu einem wesentlich besseren Kurs verkaufe, sagen Kritiker. Die Händler gäben die Subventionen jedoch nicht weiter, sondern verkauften die Waren zum Dollar-Marktwert weiter und strichen die Extragewinne ein.

Die iranische Führung wirft Trump vor, einen Wirtschaftskrieg zu führen, Aussenminister Javad Zarif spricht schrill von «wirtschaftlichem Terrorismus». Doch die Regierung räumt ein, dass die Sanktionen das Land hart treffen. Aus Sicht von Experten ist das einer der Gründe, warum Teheran einige Verpflichtungen aus dem Atomabkommen aufkündigte und mit der Steigerung der Uran-Produktion droht.

Präsident Hassan Rohani verglich die US-Massnahmen mit dem Embargo während des desaströsen achtjährigen Kriegs mit dem Nachbarland Irak in den achtziger Jahren. Gleichzeitig predigt die Führung den Bürgern «wirtschaftlichen Widerstand». Das Land hat Erfahrung damit, Sanktionen zu umgehen, schliesslich gab es seit Ausrufung der Islamischen Republik vor vierzig Jahren kein Jahr, in dem es nicht mit Strafmassnahmen belegt wurde. Doch im Gegensatz zu früher sind die Schlupflöcher heute enger geworden.

Auf Irans Wirtschaft lasten Sanktionen

Nachdem Trump die Ausnahmegenehmigungen für den Kauf von iranischem Erdöl aufgehoben hatte, sanken die Exporte im Mai auf 400 000 Fass Öl pro Tag. Das ist zwar immer noch nicht null, wie es Trump anvisiert, aber nur noch ein Bruchteil der Menge, die Iran vor einem Jahr exportierte. Gleichzeitig belegte Trump die Bergbau- und Stahlindustrie mit Sanktionen. Nach iranischen Angaben beliefen sich die Einnahmen aus den Exporten von Kupfer, Eisen und Stahl im letzten Kalenderjahr (bis 21. März) auf 4,6 Mrd. $, was etwa 4,3% der Gesamtexporte entspricht. Nimmt man jedoch nur die Nicht-Öl-Exporte als Grundlage, die knapp die Hälfte der Einnahmen ausmachten, steigt der Anteil auf fast das Doppelte. Je weniger Öl fliesst, umso wichtiger wird die Bergbau- und Stahlproduktion.

Düstere Aussichten

Die Wirkung der Sanktionen sei stärker als gedacht, heisst es in einer Analyse von Oxford Economics. Die Analytiker prognostizieren eine tiefgehende Rezession und einen Wirtschaftsrückgang um 7% im laufenden Jahr. Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage werde das Wachstum im Nicht-Öl-Sektor um die Hälfte auf 0,5% sinken, heisst es in einem Mitte Mai veröffentlichten Briefing. Die iranische Wirtschaft befinde sich in einer Todesspirale, sagte Steve Hanke, Wirtschaftsprofessor an der Johns Hopkins University, unlängst in einem Interview. Die Frage sei nur, wann das Ende komme.

Die Angestellte im öffentlichen Dienst stellt sich bereits auf das Schlimmste ein. «Vielleicht sollte ich gehen, so wie es viele andere tun, bevor es zu spät ist», sagt sie. Almasi, der Sohan-Hersteller, versucht durchzubeissen. Noch habe er niemanden entlassen, sagt er. Allerdings weiss er nicht, wie lange er die Löhne noch zahlen kann.