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Spitzen CSU-Politiker: Sauter soll eine Million Euro bei Maskendeals kassiert haben

  • In der Maskenaffäre der Union wird nun auch gegen Bayerns ehemaligen Justizminister Alfred Sauter ermittelt. Er soll eine Million Euro kassiert haben.
  • Die Generalstaatsanwaltschaft München ließ am Mittwoch unter anderem das Landtagsbüro des 70 Jahre alten CSU-Abgeordneten durchsuchen.
  • Parallel zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen hat der bayerische Landtag ein formales Prüfverfahren eingeleitet.
  • CSU-Generalsekretär Blume fordert von Sauter die Niederlegung aller Parteiämter.

Von Andreas Glas und Klaus Ott –  17 März 2021 – SÜDDEUTSCHE ZEITUNG  – Der Landtag am Mittwochvormittag. Alfred Sauter hat sein Büro im Nordbau des Maximilianeums in München.

Vierte Etage, Raum N 413. Die schlichte Holztür ist geschlossen, die Stimmen dahinter dringen nur dumpf hinaus auf den Flur, wo die Reporter warten. Es ist kurz nach elf, seit etwa einer Stunde durchsuchen Ermittler das Büro des CSU-Landtagsabgeordneten. Hin und wieder öffnet sich die Tür, Menschen gehen raus und rein. Durch den Türspalt kann man dann sehen, wie ein Mann im Anzug durch einen Ordner blättert, Seite für Seite. Wird er fündig werden?

Ein CSU-Abgeordneter kommt um die Ecke, er will in den Flur einbiegen, in dem Sauters Büro liegt. Er sieht die Reporter, bleibt stehen, wie eingefroren. Die Staatsanwaltschaft, “im Landtag? Puh!”, sagt der CSU-Mann.

Puh! Das trifft die Stimmungslage der Partei ganz gut an diesem Mittwoch. “Eine schwere Stunde”, sagt Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder, als er am Nachmittag, um 15 Uhr, vor die Mikrofone tritt. Und es sind viele Mikrofone im Steinernen Saal des Landtags, viele Kameras. Es geht ja auch um viel Geld im Fall Sauter, der die CSU in der Affäre um die Beschaffung von Corona-Schutzmasken mehr und mehr belastet. Um insgesamt rund eine Million Euro, die dem Landtagsabgeordneten und früheren Justizminister nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ganz oder teilweise zukommen sollten oder bereits geflossen sind. “Schwere Vorwürfe”, sagt Söder, geeignet um “das Vertrauen in die Demokratie, aber auch in die CSU nachhaltig zu schädigen”.

Als ob nicht alles schon schlimm genug wäre für die CSU. Erst war da der Fall ihres schwäbischen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein, der Maskengeschäfte an mehrere Ministerien im Bund und in Bayern vermittelt hat und dafür von einer hessischen Firma eine Provision von 660 000 Euro bekommen haben soll. Es laufen deshalb Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, den Nüßlein zurückweist.

CSU fodert Sauter auf, seine Parteiämter niederzulegen

Nun also hat die Generalstaatsanwaltschaft München ihre Ermittlungen unter anderem wegen des Anfangsverdachtes der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern mittlerweile auf insgesamt fünf Beschuldigte ausgeweitet, darunter Alfred Sauter. Die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt durchsuchten am Mittwoch zehn Objekte in München und im Regierungsbezirk Schwaben, wo sich Sauters Wahlkreis befindet.

Es brauche jetzt “ganz klare Konsequenzen”, sagt Söder. Welche Konsequenzen das sein sollen, hat kurz vor ihm bereits CSU-Generalsekretär Markus Blume deutlich gemacht. Um 14.30 Uhr verlassen Blume und CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer die Sitzung der Landtagsfraktion, um sich zum Fall Sauter zu äußern.

Auch Blume sagt, dass die Vorwürfe “schwerwiegender Natur” seien. Er erwarte “unverzügliche, vollständige und rückhaltlose Aufklärung” von Sauter – und fordert seinen Parteikollegen dazu auf, seine Parteiämter niederzulegen und sein Landtagsmandat ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe geklärt seien. Laut Blume weist Sauter die Anschuldigungen als “unbegründet” zurück. So formuliert es auf Anfrage auch dessen Anwalt Martin Imbeck, der die Vorwürfe auf Nachfrage “haltlos” nennt.

Sauter selbst hatte schon vor mehreren Tagen erklärt, er habe alles über seine Kanzlei abgewickelt. Er habe “keinen Cent von der öffentlichen Hand bekommen, lediglich aus dem Kreis der Lieferanten”, sagte Sauter, als sein Fall in die Öffentlichkeit geriet. Das war vor zwei Wochen. Da hatte Sauter eingeräumt, als Rechtsanwalt für einen Masken-Lieferanten die Verträge mit dem bayerischen Gesundheitsministerium entworfen und dafür ein Honorar bekommen zu haben.

Am Telefon zeigte Sauter offenbar wenig Einsicht

Wie viel Geld er dafür nahm, wollte Sauter auf Nachfrage nicht verraten. Er sagte lediglich, er habe “maßvoll unter Berücksichtigung des Gegenstandswertes” abgerechnet. Und jetzt? Gibt es nach Informationen von SZ, NDR und WDR Anhaltspunkte, dass neben Nüßlein auch Sauter hohe Beträge für die Vermittlung von Masken und für weitere Dienstleistungen kassiert haben soll. Beträge, die wohl kaum jemand als maßvoll bezeichnen würde.

Am Mittwochvormittag, sagt Blume, habe er zusammen mit Fraktionschef Kreuzer mit Sauter telefoniert. Die Einsicht, die man sich in der CSU erhofft hatte, zeigte der 70-Jährige aber offenbar nicht. Was Sauter den Vorwürfen entgegnet habe, sei “völlig unzureichend”, sagt Blume. Insbesondere habe er keine Angaben gemacht über die Höhe der Summe, die er im Zusammenhang mit der Vermittlung von Masken verdient haben soll. Die CSU verurteile jede “denkbare Form” von finanziellen Bereicherungen in der Corona-Krise, sagt Blume, der “alle nötigen Konsequenzen” ankündigt.

Dazu gehört, dass die CSU laut Blume eine Sonderprüfung der Parteigeschäftsstellen in Günzburg und in Neu-Ulm beschlossen hat. Man werde dafür eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragen, sagt der Generalsekretär, der allerdings betont, dass es bisher keine Hinweise dafür gebe, dass auch die Partei durch Masken-Deals finanziell profitiert haben könnte. Am späten Nachmittag kündigt dann auch Ilse Aigner (CSU) ein Prüfverfahren an – und zwar durch den bayerischen Landtag. Es gehe um den Verdacht des Verstoßes gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete, sagt die Landtagspräsidentin, die Sauter ebenfalls zu einer Stellungnahme auffordert.

Die Opposition hat sich ihre Meinung derweil längst gebildet. “Die CSU hat ein strukturelles Problem beim Verhältnis zu Wirtschaft und Staat”, sagt etwa Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Er sagt: “Söder muss endlich seinen Laden aufräumen.” Diese Aufräumarbeiten, das ist die Erkenntnis dieses Tages, könnten umfangreicher ausfallen müssen als erwartet.

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