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Macron sieht deutsches Wirtschaftsmodell am Ende / Frankreichs Präsident: Widerspruch zu „sozialem Projekt für Europa” / Gemischte Reaktion auf Reform-Rede

FAZ Wirtschaft – chs. PARIS, 26. April. In Frankreich wächst die Kritik am deutschen Wirt-schaftsmodell — auch an höchster Stelle. „Deutschland befindet sich ohne Zweifel am Ende eines Wachstumsmodells, das stark von den Ungleichgewichten im Euroraum profitiert hat”, sagte Emmanuel Macron auf seiner Pressekonferenz zu den Antworten auf die „Gelbwesten”-Proteste am Donnerstagabend. ‘

Deutschland habe früher Strukturreformen vorgenommen als andere Länder, damit aber auch die Ungleichheiten im Euroraum verstärkt. Die deutsche Wirtschaft mit ihrer starken Exportorientierung fuße auf einem „Produktionsmodell, das stark auf bestimmten Ungleichgewichten aufbaut”, wozu auch die Niedriglohnländer gehörten. Dieser Ansatz „ist das Gegenteil des sozialen Projektes, das ich für Europa vertrete”, sagte Macron in ungewöhnlicher Deutlichkeit. Weil das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr schwächelt, hat die in Frankreich lange herrschende Bewunderung für den Nachbarn nachgelassen. Das ist in Zeitungskommentaren ebenso zu spüren wie unter Fachleuten.

Der angesehene Chefökonom der französischen Investmentbank Natixis, Patrick Artus, sieht mehrere Probleme: „Die Spezialisierung der deutschen Industrie konzentriert sich auf Branchen, denen die Überalterung droht: Auto, Chemie und industrielle Ausrüstung etwa”, sagte er der F.A.Z. Auf der anderen Seite fehlten schlagkräftige Anbieter in den neuen internetbasierten Technologien im Stil von Google oder Amazon. Der Autoindustrie werde die Umstellung auf das Elektroauto extrem schwerfallen. Gleichzeitig habe Deutschland durch kräftige Lohnsteigerungen und steuerliche Belastungen seinen Kostenvorsprung verloren. „Deutschland ist bei der Wettbewerbsfähigkeit wieder auf den Stand der Jahre 1999/2000 zurückgefallen”, meint Artus. Daher verliere die deutsche Wirtschaft im Export Marktanteile. Gleichzeitig würden die Deutschen stark sparen, damit den Inlandskonsum schwächen und die Ersparnisse zum Nachteil Europas im außereuropäischen Ausland anlegen.

Damit aber stärkten sie nur ihre eigenen Konkurrenten. Artus sieht das klassische Exportmodell, von dem Deutschland lange profitierte, am Ende: „Künftig wird dort produziert, wo die Nachfrage ist, also weniger in Deutschland.”

Die niedrige Arbeitslosigkeit Deutschlands sieht er weitgehend als Ausfluss der Bevölkerungsentwicklung. „Deutschland hat sich auf seinem Wohlstand ausgeruht.” Der Ökonom rät den Deutschen, es mit europäischer Industriepolitik zu versuchen, auch wenn ihnen das aus ordnungspolitischen Gründen schwerfalle. ,Wir brauchen mehr Initiativen im Stil von Airbus, um große Anbieter für die neuen Technologien zu schaffen. Ohne staatliche Mittel geht das nicht rasch. Schauen Sie sich an, was die Japaner oder die Amerikaner mit ihrer staatlichen Förderungsbehörde Darpa (Defense Advances Research Projects Agency) tun”. sagt er.

Mit Frankreich geht Artus indes nicht weniger scharf ins Gericht. Macron leite jetzt schon wieder eine Politik der Umverteilung ein, obwohl sich die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs nicht wesentlich verbessert habe. Macrons Antworten auf die „Gelbwesten” bestehen vor allem aus Steuersenkungen von 5 Milliarden Euro, einigen Rentenerhöhungen, aber auch finanziellen Anreizen, über die gesetzliche Altersgrenze von 62 Jahren hinaus zu arbeiten. Die Steuersenkungen sollen unter anderem durch die Streichung von steuerlichen Vergünstigungen der Unternehmen finanziert werden. Die Reaktion des französischen Arbeitgeberverbandes Medef fiel gemischt aus: Er begrüßte das Ziel eines späteren Renteneintritts sowie die angekündigte Dezentralisierung der Verwaltung. Der Verband bedauerte aber, dass Macron weniger Stellen im öffentlichen Dienst abbauen will als angekündigt. Er erinnerte zudem daran, dass bestimmte Steuernischen sehr nützlich seien, etwa für Forschung und Entwicklung.

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