MESOPOTAMIA NEWS : DIE REICHEN KÄMPFEN HART & MILITAnT / SIE HABEN ETWAS ZU VERLIEREN  / „GELBWESTEN NICHT – SIE SIND ARM UND HABEN KEIN RECHT AUF WIDERSTAND

 Von Christoph Hein, SIngapur   -Aktualisiert am 16.08.2019-15:37  FAZ

“Die amerikanische Heritage Foundation hat Hongkong mehrfach zur „freiesten Wirtschaft der Welt“ ernannt. Was sich gut anhört, trägt Züge von Wildwest. Denn so, wie sie in Hongkong gelebt wird, kommt diese Freiheit mit enormen Risiken für die Mehrheit der gut 7 Millionen Menschen – das soziale Gefälle ist enorm. Im Mai vergangenen Jahres hielten die 21 reichsten Hongkonger 1,83 Billionen Hongkong Dollar (206,3 Milliarden Euro) – in etwa so viel, wie die gesamten Reserven des Verwaltungsgebietes. Sie profitieren von einer Gewinnsteuer von nur 16,5 Prozent – noch geringer als diejenige Singapurs und wesentlich niedriger als die des Durchschnitts der G-20-Länder (28 Prozent).

Die Spekulationen, die den Immobilienmarkt unter Druck halten, werden von wenigen Superreichen und der Stadtverwaltung getrieben. Insofern betrachten viele aus der Mittelschicht die Tycoons und die Verwaltung als zwei Seiten einer Medaille, die dazu noch in den Händen der kommunistischen Diktatur in Peking liegt.

In dieses Bild passt, dass die Superreichen zeitgleich mit der Stadtverwaltung vor dem wirtschaftlichen Abstieg warnen. Der Gleichklang bestätigt viele Demonstranten in dem Eindruck, einer von Peking gelenkten Front aus Partei und Geld entgegenzustehen. „In Singapur gibt es wenigstens eine Art Wahl und eine Regierung, die Probleme mildert“, sagt Jack. Die engen Verbindungen der Wirtschaftsführer nach Peking kennt in Hongkong jeder Schüler. Oft wird darüber gelächelt, dass sie die kommunistische Regierung beraten und dafür Zugangsrechte zum riesigen Markt in Festlandchina erhielten.

Xie nimmt kein Blatt vor den Mund: „Sie sind das Problem. Sie müssen normale Geschäftsleute werden, ohne den politischen Einfluss und ohne die ganze Stadt zu steuern.“ Wenig spricht dafür, dass dies Wirklichkeit würde. Rund 60 Prozent der für China so wichtigen Auslandsinvestitionen laufen über Hongkong. Im Umkehrschluss nutzt Peking die Finanzdrehscheibe, um von hier aus seine Investitionen zu tätigen. Während die über die Stadt geleiteten Investitionen innerhalb von fünf Jahren um fast 90 Prozent zulegten, stiegen die aus Festlandchina „nur“ um 28 Prozent.

Festlandchinesische Firmen stehen für ein Volumen von rund 9 Milliarden der insgesamt 11 Milliarden Dollar, die die Börse in Hongkong in diesem Jahr über Börsengänge erzielte. Hinter vorgehaltener Hand haben mehrere Unternehmen nun schon erklärt, sie würden geplante Börsengänge aufhalten. Auch beim Handelshaus Alibaba herrscht seit Wochen Schweigen zu seinem Mega-Börsengang über 20 Milliarden Dollar in Hongkong.

Allerdings könnte auch dies schon durch die Handelsauseinandersetzungen getrieben sein und nun politisch gegen die Proteste gemünzt werden. Chinas Direktinvestitionen in Hongkong stehen bei gut 600 Milliarden Dollar – gut 70 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Stadt.

Bislang beschränken sich die Kommunisten auf unverhohlene Drohungen gegen die Rebellen und kosmetische Korrekturen ihres eigenen Kurses: Um erste Schäden aus den Auseinandersetzungen und derjenigen, die durch den Handelsstreit zwischen China und Amerika entstehen, zu mildern, hat die Verwaltung der Stadt 19,1 Milliarden Hongkong Dollar versprochen.

Zuvor hatte Finanzverwalter Paul Chan die Wachstumserwartung Hongkongs für dieses Jahr von 2 bis 3 Prozent auf 0 bis 1 Prozent zusammengestrichen. Im zweiten Quartal lag die Wachstumsrate nur bei 0,5 Prozent im Jahresvergleich – der niedrigste Wert seit der internationalen Finanzkrise 2008.”

 

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