MESOPOTAMIA NEWS : DIE FEMINISTISCHE VERGEWALTIGUNG DER SPRACHE ODER : WARUM FRAUEN KEINEN MORD BEGEHEN KÖNNEN !

Behaltet den Dieb! / Von Patrick Bahners (FAZ)

Männlichkeitswahn: In sprachpolitischem Eifer produziert der Duden falsche Definitionen

Was bedeutet das Wort „Arzt”? Schlagen wir nach bei www.duden.de . Dort steht: „männliche Person, die nach Medizinstudium und klinischer Ausbildung die staatliche Zulassung (Approbation) erhalten hat, Kranke zu behandeln (Berufsbezeichnung)”. Im Laufe dieses Jahres sollen insgesamt etwa 12 000 Stichwörter in der Online-Ausgabe des Duden nach diesem Muster umgeschrieben werden.

Von Wörtern männlichen grammatikalischen Geschlechts, die zur Bezeichnung von Personen dienen, wird durch Duden-Definition gesagt, dass mit ihnen nur Personen männlichen biologischen Geschlechts gemeint seien.

Eines der im Eintrag „Arzt” aufgeführten Beispiele für die Verwendungdes Wortes zeigt, dass die neue Definition falsch ist. „Zum Arzt gehen”: Damit ist nicht nur der „Onkel Doktor” der patriarchalischen alten Welt gemeint.

Kathrin Kunkel-Razum, die Leiterin der Duden-Redaktion, hat diesen Einwand im Radio mit dem Argument zurückgewiesen, mit Sätzen wie „Ich gehe zum Bäcker” oder „Ich gehe zum Arzt” bezögen wir uns eigentlich auf die von der genannten Person betriebene „Einrichtung”, die Bäckerei oder die Arztpraxis.

Beim Bäcker mag diese Ausrede noch plausibel scheinen, aber auch nur deswegen, weil das Wort „Bäcker” eine Nebenbedeutung angenommen hat, als Kurzform für das Geschäft des Bäckers oder auch nur die Verkaufsstelle eines Bäckereibetriebs. „Da macht demnächst ein

Bäcker auf” — das heißt nicht, dass im Hinterraum nachts wirklich jemand steht und backt. Bäcker ist und bleibt aber ein Beruf, der ebenso von Frauen wie von Männern ergriffen werden kann.

So steht es bislang noch richtig im Duden: „Bäcker” ist das Wort für den „Handwerker, der Backwaren für den Verkauf herstellt”, „Bäckerin” ist „die weibliche Form zu Bäcker”. Beim Arzt schiebt sich die „Einrichtung” nicht in gleicher Weise vor die Person, obwohlman ihn wie einen Ort ansprechen kann. ,’,Du solltest endlich einen Arzt aufsuchen” heißt: Statt weiter Krankheitsdefinitionen im Internet nachzuschlagen, solltest du dich von einer heilkundigen Person mit abgeschlossenem Medizinstudium untersuchen lassen.

Es ist seit Jahrzehnten üblich und längst auch vorgeschrieben, dass bei Ausschreibungen immer ein Arzt oder eine Ärztin zu suchen ist. Die Übung hat ihren Sinn als Bekenntnis zur Gleichberechtigung, und so wird heute in bürokratischen und feierlichen Kontexten erwartet, das die Angehörigen einer Berufsgruppe in weiblicher und männlicher Form adressiert werden. Einen solchen Wandel des Sprachgebrauchs muss sicher auch der Duden berücksichtigen, insbesondere wenn er Ratschläge für gutes Deutsch erteilt.

Aber er bedeutet ‘nicht, dass ein Wort wie „Arzt” seine Grundbedeutung eingebüßt hätte.

Die Reform erfasst auch Wörter, die keine Berufe bezeichnen. „Dieb”: laut Duden „männliche Person, die fremdes Eigentum heimlich entwendet”. Aber solange der Dieb nicht gefasst ist, kann man nicht wissen, ob er männlichen oder weiblichen Geschlechts ist — und

für die Eigenschaft des Diebes kommt es darauf nicht an. Paragraph 211 des Strafgesetzbuchs bestimmt: „Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.”

Legt man den Duden zugrunde, muss nach dem Prinzip „Keine Strafe ohne Gesetz”jede des Mordes angeklagte Frau freigesprochen werden, denn angeblich bezeichnet das Wort „Mörder” ausschließlich eine „männliche Person, die gemordet, einen Mord begangen hat”. Der Mordparagraph des Strafgesetzbuchs ist wegen seiner nationalsozialistischen Herkunft umstritten, aber falsches Deutsch wurde den Verfassern noch nie vorgeworfen. Umgekehrt kann eine Wörterbuchdefinition nicht richtig sein,die enger ist als die Legaldefinition.

Der Linguist Peter Eisenberg (F.A.Z,) vom 8. Januar) nennt die Vermännlichung Tausender geschlechtsneutraler Begriffe einen „skandalösen Fälschungsversuch”. Die vom Fälschungsvorwurf vorausgesetzte böse ‘Absicht dürfte schwer nachzuweisen sein.

Wohlwollend mag man annehmen, dass der Redaktion der Unterschied zwischen richtig und falsch gleichgültig ist. In diese Richtung deutet Kunkel-Razums Mitteilung, dass man auf Nutzerinnen und Nutzer Rücksicht nehmen wolle, die enttäuscht seien, wenn „Ärztin” auf „Arzt”verweise.

 

Stillschweigend wird wohl vorausgesetzt, dass jedermann weiß, wasein Arzt ist. Um der symbolischen Aussage willen wird der falsche Inhalt in Kauf genommen.

 

PATRICK BAHNERS