MESOPOTAMIA NEW „DEUTSCHLAND ZAHLT!“ : MERKELS PATRIOTEN LEBEN IN ITALIEN ! –

Patrioten-Bonds“ – Italiens Sparer bekommen Renditen, von denen die Deutschen nur träumen können

31 Mai 2020 –  Von Daniel Eckert, Holger Zschäpitz DIE WELT

In Deutschland leiden Sparer seit Jahren unter Renditen, die unter der Inflation liegen. Da lässt ein üppiges Zinsgeschenk des italienischen Staates an seine Bürger aufhorchen. Doch mit den „Patrioten-Bonds“ lässt sich die Krise nicht lösen.

Überall ist Krise, nur für Italiens Sparer hat das süße Leben, „la dolce vita“, nie aufgehört. Im Gegenteil, Finanznöte hin oder her, der italienische Staat legt gerade jetzt größten Wert darauf, dass es den Anlegern zu Hause wohl ergeht. Nur so lässt sich die jüngste Volte des Finanzministeriums im Rom erklären. Das Dipartimento del Tesoro hat kürzlich ein Zinspapier aufgelegt, das Sparern eine nette Positivrendite oberhalb der Inflationsrate garantiert.

Vier Jahr lang werden die Begünstigten dieser „Patrioten-Bonds” (wie sie in Finanzkreisen genannt werden) zweimal im Jahr Zinsen kassieren, die sich auf reale 1,4 Prozent per annum belaufen. Das heißt: Sollte die Geldentwertung bis zur Fälligkeit des Papiers am 26. Mai 2024 auf fünf Prozent hochschnellen, würden die Halter mit einem Kupon von 6,4 Prozent entschädigt.

Von solchen Zinsen können deutsche Sparer nur träumen. Wer heute eine Bundesobligation gleicher Laufzeit kauft, legt unter dem Strich drauf. Wegen des Negativzinses bekommen Anleger selbst inklusive Kupon weniger zurück, als sie einzahlen: Abzüglich Inflation läuft das auf ein jährliches Kaufkraftminus von 1,2 Prozent hinaus – verglichen mit plus 1,4 Prozent auf italienischer Seite.

Quelle: Infografik WELT

Diese Großzügigkeit gegenüber den eigenen Bürgern wurde im großen Maßstab angenommen. Insgesamt zeichneten private Anleger Patrioten-Bonds für 14 Milliarden Euro. Institutionelle Investoren bewarben sich um weitere 19 Milliarden Euro.

Am Ende gab Rom 22,3 Milliarden der hoch verzinsten Papiere aus, es war die größte Emission dieser Art aller Zeiten. Der Patrioten-Bond kommt den italienischen Staat teuer. Die Zinsen dürften sich am Ende auf rund 1,6 Milliarden Euro belaufen.

Hätte sich Italien anderweitig verschuldet, zum Beispiel über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), wäre es deutlich billiger geworden. Rom hätte sich für zehn Jahre zu 0,1 Prozent verschulden können. Das hätte die Regierung lediglich 100 Millionen Euro gekostet, also 1,5 Milliarden Euro weniger.Anzeige

„Wenn es angeblich um die Senkung von Finanzierungskosten geht, fragt man sich schon, warum der italienische Staat denn freiwillig mehr Zinsen zahlt”, sagt der Ökonom und Buchautor Daniel Stelter. In Zeiten, in denen permanent europäische Solidarität eingefordert werde, habe das ein „Geschmäckle“. Stelter hält es auch unter dem Aspekt für problematisch, dass unter den Privatanlegern ausschließlich Inländer bei der Emission zum Zuge kamen, umso mehr, als Italiener im Schnitt durchaus vermögend seien. Vermögender als die Bundesbürger.

Deutsche Sparer, die ähnlich wie italienische Sparer in erster Linie auf sichere Anlagen setzen, befinden sich dagegen in einer Zwickmühle. „Die Deutschen legen ihr Geld am liebsten sicher an“, sagt Daniel Franke, Geschäftsführer des Finanzportals Tagesgeldvergleich.net.

In Zeiten, in denen die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden, habe das immense Folgen für den Wohlstand des Landes. Seinen Berechnungen zufolge haben die Bundesbürger mit ihren Bankeinlagen und Zinspapieren seit 2011 fast 174 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren.

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Franke führt eine Umfrage des Bankenverbandes an, in der 53 Prozent der Befragten erklärten, sie seien „gar nicht“ bereit, für eine höhere Rendite ein höheres Anlagerisiko einzugehen, weitere 35 Prozent der Deutschen sagten „eher nicht“. „Das sagt meiner Meinung nach viel aus, vor allem über die Präferenz für konservative Anlageformen, die offenbar von der Höhe der Zinsen völlig unabhängig ist.“

Quelle: Infografik WELT

Denn seit 2012 müssen die Deutschen negative Realzinsen erleiden, seit 2016 ist dieser Zustand chronisch. Sprich: Seit vier Jahren liegen die Zinsen permanent unterhalb der Inflationsrate. Von einer „Zinskrise“ spricht sogar die Großbank ING und hat ein paar unschöne Statistiken für die Deutschen parat.

Danach hat sich das Finanzvermögen der Bundesbürger in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar verdoppelt. Allerdings ist das weniger auf hohe Renditen, sondern vielmehr auf emsiges Sparen zurückzuführen. Geld wurde mit Vorliebe zur Bank gebracht. „Bankeinlagen haben bereits vor Corona deutlich von allen Krisen profitiert. Ihr Anteil am Sparvolumen privater Haushalte ist in den letzten 20 Jahren in jeder Krise gestiegen“, sagt Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen & Anlegen bei der ING Deutschland.

In der Zinskrise, die nach seiner Einschätzung 2014 begann, sei mit 52 Prozent im Schnitt mehr als jeder zweite Spar-Euro in Bankeinlagen geflossen. Zuletzt machten Bankeinlagen und Bargeld, das zuletzt wieder vermehrt gehortet wird, mehr als 40 Prozent des gesamten Finanzvermögens in Deutschland aus. In anderen Industrieländern haben häufig Aktieninvestments einen solchen Anteil, die auf lange Sicht eine deutlich höhere Rendite oberhalb der Inflationsrate versprechen.

Auf Erspartes kaum Zinsen mehr zu bekommen, das ist für viele Bankkunden ohnehin ein Ärgernis. Einige Banken greifen inzwischen aber sogar zu Negativzinsen – und bitten die Sparer zur Kasse.

Quelle: WELT/Sebastian Struwe

„Bargeldsparen ist aus Renditesicht nicht sinnvoll. Durch die Inflation hatten die Deutschen damit in den letzten Jahren einen Wertverlust von durchschnittlich circa ein bis zwei Prozent“, sagt ING-Deutschland-Mann Dwornitzak.

Zinsen, die unterhalb der Geldentwertung liegen, sind historisch gesehen eine Anomalie. Zwei kolossale Kräfte wirken hier zusammen. Da ist zum einen die Sparfreude der deutschen Anleger. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage führt ein Zuviel an Geld zu niedrigeren Zinsen.

Noch mächtiger ist jedoch die Null- beziehungsweise Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Seit die Währungshüter den Einlagensatz für Banken ins Negative gepresst hat, können die Zinssparer nach Abzug der Inflation nichts mehr verdienen. Die Verteidiger der EZB-Maßnahmen führen an, dass die Notenbanker nicht für auskömmliche Renditen der Anleger zuständig seien. Außerdem habe es auch zu Zeiten der viel geloben Bundesbank negative Realrenditen gegeben.

Schon vor 50 Jahren waren die Zeiten für Sparer schwierig

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Tatsächlich waren die 1970er-Jahre ebenfalls schwierige Jahre für Sparer. Wer damals ein Sparbuch besaß, musste ähnlich wie heutige Tages- und Festgeldsparer Kaufkrafteinbußen hinnehmen. Nach Berechnungen von Franke lag der reale Sparbuchzins zwischen 1967 und 2003 in 58 Prozent aller Monate im negativen Bereich.

Allerdings konnten flexible Zinssparer dem Geldfraß entgehen. Wer statt des Sparbuchs in einmonatiges Festgeld investierte, erlebte nur in neun Prozent der Monate eine negative Realrendite. Und wer sein Geld in Festgeld mit vier Jahren Laufzeit packte, musste zwischen 1967 und 2003 in keinem einzigen Monat einen realen Wertverlust erleiden. Dagegen liegt seit 2016 selbst bei lang laufenden Zinsbindungen die Renditen unterhalb der Inflationsrate.